Die Ausgangslage

Der Beklagte ist Versicherungsmakler. Der Kläger und dessen Ehefrau beauftragten ihn Ende des Jahres 2009, weil sie mit der bisherigen Betreuung durch den Vertreter einer Versicherung unzufrieden waren. Der Makler erhielt einen Ordner mit Unterlagen zu bestehenden Versicherungen der Eheleute, der auch eine Wohngebäude-Versicherungspolice bei Versicherungsgesellschaft des zuvor betreuenden Versicherungsvertreters enthielt. Die bestehende Wohngebäudeversicherung hatte eine feste Laufzeit bis zum 14.12.2012.

Der Kläger behauptete nun, dem beklagten Versicherungsmakler seien in der Besprechung sämtliche Versicherungsunterlagen für den privaten und geschäftlichen Schutz des Klägers übergeben worden. Dies wäre mit der Maßgabe geschehen, dass der Versicherungsmakler alle Versicherungen überprüfen und Angebote über bessere bzw. preiswertere Versicherungen einholen soll. Darüber hinaus habe die Ehefrau des Klägers den Wunsch geäußert, "rundum" abgesichert zu sein.

Am 14.12.2009 wurde schließlich der schriftliche Versicherungsmaklervertrag geschlossen. Unter "Gegenstand des Auftrags" trug der Versicherungsmakler später(!) - also erst nach Unterzeichnung - verschiedene bestehende private Versicherungen (Privathaftpflicht, Hausrat, Wohngebäude, Glas, Kfz) der Eheleute ein.

Der Schadenfall

Auf dem Grundstück der Eheleute stand zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Versicherungsmaklervertrages ein Lagerzelt, das für die Lagerung von Heuballen verwendet wurde und für das kein Versicherungsschutz bestand. Dieses Lagerzelt war zwar Eigentum des Klägers, es war aber nicht Gegenstand der anlässlich der Beauftragung des Versicherungsmaklers stattfindenden Besprechung. Darüber hinaus konnte der Versicherungsmakler dem Gericht glaubhaft nachweisen, dass er keine Kenntnis von der Existenz des Lagerzeltes hatte. Am 28.6.2010 brannte das Lagerzelt infolge vorsätzlicher Brandstiftung durch Fremde ab.

Der Schadenanspruch

Der Kläger verlangte wegen des abgebrannten Zeltes nun Schadensersatz vom Versicherungsmakler wegen angeblicher Fehlberatung. Der Versicherungsmakler hätte nach Meinung des Klägers wissen müssen, dass das Lagerzelt nicht in der bestehenden Wohngebäudeversicherung eingeschlossen sei. Daher hätte der Versicherungsmakler den Abschluss einer landwirtschaftlichen Inhaltsversicherung anbieten müssen. Der Kläger verlangte somit, dass der Versicherungsmakler wegen Fehlberatung zu verurteilen wäre. Er solle an den Kläger 15.555,96 Euro zuzüglich Zinsen zu zahlen, sowie die Kosten für die Aufräumarbeiten und Entsorgungskosten.

Der eigentliche Fehler des Versicherungsmaklers

Maßgeblich für das für den Versicherungsmakler letztlich positive Urteil des OLG war nicht die Begrenzung seiner Tätigkeiten/Haftung auf die im Maklervertrag eingetragenen Versicherungen. Zwar waren nur diese Gegenstand des Auftrags, aber der Versicherungsmakler hatte in der mündlichen Verhandlung vom 23.4.2015 erklärt, dass er diese Eintragungen - also welche Versicherungen der Maklervertrag umfasst - erst nach der Unterzeichnung des Maklervertrages vorgenommen habe.

Maklers Zitterpartie

Da sich das OLG wegen der nachträglichen Eintragung nicht auf die Vertragsbeschränkung zu bestimmten Versicherungsverträgen im Maklervertrag beziehen konnte, musste der Versicherungsmakler weiter auf eine andere Beweislage zu seinen Gunsten hoffen. Allerdings hätte diese Zitterpartie wahrscheinlich gar nicht stattfinden müssen. Es darf vermutet werden, dass der Fall nicht vor Gericht gelandet wäre, wenn der Versicherungsmakler bereits mit Unterzeichnung des Maklervertrages richtig gehandelt, mithin bereits zu diesem Zeitpunkt die zu betreuenden Versicherungsverträge eingetragen hätte. Es wäre dadurch ziemlich eindeutig gewesen, dass streitgegenständlich nur die bereits bestehende Wohngebäudeversicherung (im zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Versicherungsumfang) vom Maklervertrag umfasst ist. Eine Zeltversicherung war zu diesem Zeitpunkt gerade nicht Gegenstand der Wohngebäudeversicherung und eine landwirtschftliche Versicherung wäre gar nicht Gegenstand des Maklervertrages gewesen.

Die Pflichten des Versicherungsmaklers gehen weit

Dazu führt das OLG aus (Zitat): "Er wird regelmäßig vom Versicherungsnehmer beauftragt und als sein Interessen- oder sogar Abschlussvertreter angesehen. Er hat als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers individuellen, für das betreffende Objekt passenden Versicherungsschutz zu besorgen. Dem entspricht, dass der Versicherungsmakler von sich aus das Risiko untersucht, das Objekt prüft und den Versicherungsnehmer als seinen Auftraggeber ständig, unverzüglich und ungefragt über die für ihn wichtigen Zwischen- und Endergebnisse seiner Bemühungen, das aufgegebene Risiko zu platzieren, unterrichten muss. Wegen dieser umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderähnlicher Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden."

Mit diesem Wortlaut bezieht sich das OLG Hamm vollumfänglich auf das bekannte Sachwalter-Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 22. Mai 1985 (IVa ZR 190/83) und auch auf eine jüngere Entscheidung des BGH vom 26. März 2014 mit Aktenzeichen IV ZR 422/12, bei dem es sich um das ebenfalls bekannte Ofensetzer-Urteil handelt.

Der Umkehrschluss aus dem Sachwalter-Urteil

Das OLG Hamm urteilte nun, dass sich aus dem Sachwalter-Urteil des BGH zugunsten des Versicherungsmaklers auch ein Umkehrschluss ergäbe. Dieser sei darin zu sehen, dass sich der Maklerauftrag in der Regel nur auf das von seinem Mandanten ihm zur Prüfung bzw. Optimierung aufgegebene Risiko bzw. Objekt bezieht. Es bestünde hingegen grundsätzlich keine Verpflichtung des Versicherungsmaklers, die gesamte Versicherungssituation des Kunden ungefragt einer umfassenden Prüfung zu unterziehen.

Eine Unterstützung dahingehend lieferte auch der schriftlich vorliegende Versicherungsmaklervertrag. Dort war aufgeführt (Zitat): "Der Auftraggeber hat keinen Anspruch darauf, unaufgefordert über die weiteren Risiken seines Gewerbebetriebes und /oder seiner privaten Risiken informiert zu werden. Hierzu bedarf es einer konkreten schriftlichen Aufforderung durch den Auftraggeber."

Warnung an Versicherungsmakler

Das Urteil des OLG macht bei genauer Betrachtung deutlich, dass bei einem mündlichen Maklervertrag die Sache für den Versicherungsmakler hätte schief gehen können. Dazu führt das OLG aus (Zitat, Hervorhebungen durch die Autorin): "Wendet sich ein Kunde mit Versicherungsbedarf an einen Versicherungsmakler, kommt zwischen den Parteien ausdrücklich oder konkludent ein Maklervertrag zu Stande, dessen Inhalt für die Ermittlung des Umfangs der vom Makler geschuldeten Tätigkeiten maßgeblich ist."

Auch hier kommt ggf. der Umkehrschluss aus der Meinung des OLG ins Spiel. Denn wenn kein schriftlicher Maklervertrag existent ist, wäre es am Versicherungsmakler zu beweisen, welche Pflichten des Versicherungsmaklers vom mündlichen Maklervertrag - also dem konkludent geschlossenen Maklervertrag – erfasst waren und welche nicht. Dieser Nachweis dürfte dem Versicherungsmakler kaum möglich sein. Es ist also durchaus möglich, dass das OLG Hamm ganz anders entschieden hätte, wenn nur ein konkludent geschlossener Maklervertrag existent gewesen wäre.

Zwar äußert sich das OLG Hamm dahingehend, dass eine rechtliche Verpflichtung des Versicherungsmaklers, den Kunden im Rahmen der ersten Kontaktaufnahme ungefragt einer umfassenden Analyse seiner gesamten Versicherungssituation zu unterziehen, grundsätzlich nicht bestünde, aber es gibt Ausnahmen, die das OLG Hamm auch benennt. Das OLG ist z.B. der Meinung, dass den Versicherungsmakler in augenfälligen Sachverhalten entsprechende Erkundigungspflichten sowie Aufklärungs- und Beratungspflichten gegenüber dem Kunden treffen können. Im Weiteren müsse der Makler das Versicherungsanliegen anhand der ihm mitgeteilten Umstände korrekt erfassen und - soweit im Einzelfall erkennbarer Anlass besteht - seine Bedarfsermittlungen und Empfehlungen auch auf solche Objekte und Risiken erstrecken, die offensichtlich vom Absicherungsinteresse seines Kunden erfasst sind. Dies dürfte mithin auch dann gelten, wenn der Kunde vergisst dieses Absicherungsinteresse zu erwähnen, das Selbe aber für den Versicherungsmakler offensichtlich sein muss. Im hier besprochenen Fall war dem jedoch nicht so, da der Makler vom Lagerzelt nichts wusste. Es lag daher keine Situation vor, in der der Makler typischerweise mit Lücken im bestehenden Versicherungsschutz rechnen musste.

Revision nicht zugelassen

Letztlich obsiegte der Versicherungsmakler vor dem OLG Hamm, der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen. Eine Veranlassung zur Zulassung der Revision sah das OLG Hamm ebenfalls nicht. Das vollständige Urteil können interessierte Leser hier nachschlagen.

Bestandsübernahme kann ohne Sorge erfolgen

Ein Fazit inklusive Tipp: Versicherungsmakler müssen bei Bestandsübernahmen von bestehenden Versicherungsverträgen keine Haftungssorge haben, wenn mit dem jeweiligen Mandanten zuvor ein schriftlicher Maklervertrag geschlossen wird. Dieser Maklervertrag sollte - selbstverständlich bevor der Mandant den Maklervertrag unterzeichnet - bereits die zukünftig vom Versicherungsmakler zu betreuenden Versicherungsverträge abschließend aufzählen. Im Weiteren sollte der schriftliche Maklervertrag (bzw. dessen AGB) Regelungen zu grundlegenden Pflichten des Mandanten und des Versicherungsmaklers enthalten bzw. auch Regelungen dazu, welche Pflichten des Maklers nicht bestehen. Angst vor einer Bestandsübernahme muss der Versicherungsmakler dann nicht mehr haben, zumindest nicht von gerichtlicher Seite. Es gibt allerdings aktuell auch andere Unwegsamkeiten zu Bestandsübertragungen, in denen selbst ein gerichtsfester, schriftlicher Maklervertrag nichts hilft.