Für den Fall, dass es für die Versicherungen sehr hart kommt, wurden zwei gesetzliche Auffanggesellschaften installiert: Protektor für die Lebensversicherer und Medicator für die PKV. Allerdings bezweifelt die Frankfurter Rundschau jüngst, ob die Mittel dieser Gesellschaften wirklich ausreichen können und ob nationale Lösungen überhaupt noch etwas taugen. Denn vor nur wenigen Tagen erst hatte der Europäische Systemrisikorat (ESRB) – der bei der Europäischen Zentralbank angesiedelt ist und Probleme im Finanzsektor erkennen soll –, eine Warnung ausgesprochen. Ein vertrauliches Papier der ESRB besagte, nationale Lösungen im Versicherungssektor, wie die Auffanggesellschaft Protektor, würden künftig nicht ausreichen - zudem wären nationale Sicherungssysteme „ungeeignet, mit der möglichen Pleite großer Lebensversicherer oder der gleichzeitigen Pleite mehrerer mittelgroßer Lebensversicherer fertig zu werden“. Dies mag kaum verwundern ob der Tatsache, dass große Versicherer längst international agieren.

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Bafin sieht noch keinen Anlass zur Sorge

Die deutsche Finanzaufsicht Bafin allerdings schätzt die Lage weniger dramatisch ein: „Die Sicherungseinrichtung Protektor ist so konstruiert worden, dass sie auch in der Lage ist, den Ausfall eines größeren Versicherungsunternehmens zu verkraften“, unterstrich die Behörde, räumte aber sogleich ein: „Klar ist aber auch, dass keine Sicherungseinrichtung unbegrenzt belastbar ist.“ Immerhin verfügt Deutschland über zwei Sicherungseinrichtungen, was in den meisten anderen Ländern der EU nicht der Fall ist.

Während Protektor für Lebensversicherer zuständig ist, soll Medicator Schieflagen im Bereich der privaten Krankenversicherer abfangen. Für alle anderen Versicherer allerdings gibt es keine Absicherung, da Kunden im Falle einer Pleite bei einem anderen Anbieter unterkommen können, während bei PKV und Lebensversicherung aufgrund der durch die Jahrzehnte hinweg eingezahlten Beträge bestimmte Ansprüche bestehen. Das heißt, Protektor soll nicht etwa das Unternehmen retten, sondern allein bestehende Kundenansprüche bedienen können.

Medicator und Protektor beispielhafte Sicherungssysteme

Allerdings blieb Protektor, nachdem man es im Jahr 2002 als Reaktion auf die Schieflage der Mannheimer Lebensversicherung gegründet hatte, der bisher einzige Sicherungsfall für die Gesellschaft. Das Volumen des Sicherungsfonds ergibt sich aus den von den Versicherern gezahlten Beiträgen. Gegenwärtig hat es einen Umfang von knapp 818 Millionen Euro. Hinzuzurechnen ist im Ernstfall der über die gesetzliche Nachschusspflicht akquirierte Betrag in noch einmal derselben Höhe.

Medicator hatte man 2003 als freiwilligen Sicherungsfonds der Privaten Krankenversicherer in der BRD installiert, zugleich fungiert Medicator als einer der beiden gesetzlich vorgeschriebene Sicherungsfonds. Verwaltet wird Medicator vom Verband der Privaten Krankenversicherung. Sollte der Sicherungsfonds nicht die Mittel haben, alle Kundenansprüche abzudecken, könnte die Bafin die vertraglichen Verpflichtungen hinsichtlich der Leistung um fünf Produzent reduzieren, zum Nachteil der Kunden.

Im Ernstfall haften Kunden - und der Steuerzahler?

Auch stünde es der Bafin zu, den Kunden zu untersagen ihre Verträge zu kündigen, wenn eine Schieflage des Versicherers droht. Auf Gesetzesgrundlage darf sie „Anordnungen treffen, um einen außergewöhnlichen Anstieg der Zahl vorzeitiger Vertragsbeendigungen zu verhindern“. Dazu Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag: „Was bei den Banken viele für inakzeptabel halten – nämlich, dass auch Kunden bei einer Schieflage mithaften müssen – das ist bei den Versicherern schon längst eine Selbstverständlichkeit. Auch Kleinsparer können bei einer Pleite herangezogen werden. Das weiß nur kaum jemand“.

Wenn das alles nichts bringen sollte, dann müsste man auf die freiwillige Selbstverpflichtung der Versicherer zurückgreifen, die zugesichert haben, Protektor insgesamt bis zu etwa 8,2 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Doch auch hier warnt Schick: „Wenn es aber wirklich einmal ein strukturelles Problem in der Branche geben würde, dann wäre die Frage, wer denn diese freiwillige Sonderabgabe wirklich zahlen könnte. Dann wäre ganz schnell der Steuerzahler im Spiel“.

Ob Supergau eintrifft, hängt vom Umfang der Krise ab

Die Fraktion der Grünen fragte direkt bei der Bundesregierung an, ob Protektor denn auch im Fall einer Schieflage eines der größten Lebensversicherer oder mehrerer mittelgroßer Lebensversicherer in der Lage sei, seine Aufgaben zu erfüllen. Auf diese kleine Anfrage erhielt sie keine Antwort. Bei erneuter Anfrage schließlich rang man sich zu folgender beunruhigender Aussage durch: „Ob die in der Frage skizzierte Situation letztlich von Protektor bewältigt werden kann, hängt von der konkreten Ausgestaltung und dem Umfang der Krise ab.“

Möchte man also eine Lebensversicherung in Deutschland abschließen, tut man gut daran, wenn man eine wählt, die Mitglied von Protektor ist. Übrigens sind das alle deutschen Lebensversicherer sowie die Versicherer außerhalb der Europäischen Union, die in Deutschland eine Niederlassung unterhalten. Versicherer aus anderen EU-Ländern oder dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind nicht über Protektor geschützt, sondern maximal über die Sicherungseinrichtung ihres Heimatlandes, wenn es denn dort eine gibt.

Meiste EU-Länder ohne Sicherungssysteme

Die meiste Länder der EU haben kein Sicherungssystem installiert und auf EU-Gesamtebene ist ein solches System bisher nur eine unerfüllte Vision. Schon vor vier Jahren, 2011, hatte die EU-Kommission ein Weißbuch vorgelegt und sich für die Einrichtung einer Sicherungseinrichtung auf EU-Ebene für Versicherer ausgesprochen. Zugleich aber schätzte sie ein solches System als nicht durchsetzbar ein und forderte deshalb zumindest erstmal die Errichtung von Sicherungssystemen innerhalb aller EU-Staaten. Das seither wenig in diese Richtung unternommen wurde, ärgert Schick, er fordert: „Entweder Protektor muss gestärkt oder eine EU-Absicherung eingeführt werden. Nur so wie die Bundesregierung vorgeht, frei unter dem Motto ‚Augen zu und durch‘, das geht nicht mehr.“

So ein System auf EU Ebene hätte allerdings einige praktische Hindernisse zu überwinden, denn die Versicherungsmärkte innerhalb Europas weichen stark voneinander ab. „Jeder Mitgliedsstaat für sich muss erst mal seine Hausaufgaben machen und nationale Sicherungssysteme aufbauen. Die allermeisten haben da ja nichts“, schlug Burkhard Balz, finanzpolitischer Sprecher der christdemokratisch-konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, vor.

Panikmache als Basis für Forderungen zu Lasten des Kunden?

Aber vielleicht muss man sich ja gar nicht auf den Ernstfall vorbereiten, wenn man schon vorher die richtigen Entscheidungen trifft, um ein solches Szenario abzuwenden? Axel Kleinlein, der Chef des Bunds der Versicherten (BdV), entschärfte die gegenwärtige Panikmache: „Man muss aufpassen, dass hier kein Schreckgespenst an die Wand gemalt wird“. Kleinlein findet, den Lebensversicherern ginge es gar nicht so schlecht, wie all die Experten und auch jene aus den Unternehmen selbst, derzeit befürchten. „Immer wenn die Branche in der Vergangenheit selbst Panik gemacht hat, wollte sie die Politik letztendlich nur dazu antreiben, die Konditionen für Kunden zu verschlechtern. Ich bin daher vorsichtig“.

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Auch sieht Kleinlein keinen Grund zur Sorge von Kunden für den Fall der Pleite. Denn auch vor der Gründung von Protektor habe es bereits Versicherungsunternehmen mit Problemen gegeben. „Die Branche hat das früher immer selbst gelöst, da sie wusste, welche Auswirkungen ein Vertrauensverlust der Kunden für jedes einzelne Unternehmen haben kann“. Und wenn nun doch mal was passiert, die Allianz Leben kippt oder viele kleine Unternehmen zur gleichen Zeit? Tja, „Wenn der Himmel runterfällt, sind alle Spatzen tot.“, zitiert Kleinlein Helmut Müller, einst Chef der früheren Versicherungsaufsicht BAV.

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