Eine Halterhaftung für Straßenverkehrsverstöße ist einer unbestätigten Nachricht zufolge bei der Bundesregierung in Planung, wie das Onlineportal derwesten.de berichtet. Damit sollen die Halter zukünftig neben den tatsächlichen Verkehrssündern in die Pflicht genommen werden. Auf die Halter kämen dann die Bearbeitungskosten zu, während das eigentliche Bußgeld weiterhin vom Verursacher zu bezahlen wäre. Im Rahmen dieser Reform käme eine direkte Beweislastumkehr zum Tragen. Das würde bedeuten, dass die Behörde zukünftig nicht mehr nachweisen müsse, wer den Verkehrsverstoß tatsächlich begangen hat.

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Heranziehen des Fahrzeughalters: längst Teil im Straßenverkehrsgesetz (StVG)

Die Überlegungen sind jedoch nicht neu. Das finanzielle Heranziehen der Fahrzeughalter gilt bereits seit 1986 laut § 25a StVG für den „ruhenden Verkehr“. Hierzu gehört beispielsweise das Halten im Parkverbot. Kann bei einem Parkverstoß demnach ein Fahrzeugführer nicht binnen der Verjährungsfrist von drei Monaten ermittelt werden, so können die Verfahrenskosten dem Fahrzeughalter auferlegt werden.

Bereits 2010 gab es innerhalb einer Arbeitsgruppe des Verkehrsgerichtstags eine Übereinkunft über die mögliche Ausweitung dieser Regelung auf den „fließenden Verkehr“, in verhältnismäßiger Weise.

Daraufhin wurde die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) vom Bundesverkehrsministerium (BMV) mit der Prüfung beauftragt. Als Grundlage für eine mögliche Gesetzesänderung sollen zunächst Daten über Bußgeldverfahren des fließenden Verkehrs gesammelt werden, die erfolglos eingestellt werden müssen. Aktuell liegen dem BMV zufolge noch keine Ergebnisse hierzu vor. Auch vom BASt wurden noch keine Studienergebnisse veröffentlicht.

Beweislastumkehr und Halterhaftung rechtlich schwierig

Die Übertragung der Kosten zur Ermittlung des Fahrers ist vom BMV geplant, wenn die Reform kommt. Eine ergänzende Halterhaftung für das eigentliche Bußgeld entbehrt hingegen jegliche rechtliche Grundlage. Laut Ordnungswidrigkeitenrecht stellt ein Bußgeld für einen Verkehrsverstoß eine Bestrafungs- und Erziehungsfunktion dar. Das Ordnungswidrigkeitenrecht ist wiederum Teil des Strafrechts, in dem generell „keine Strafe ohne Schuld“ gilt. Darüber hinaus ist es die Aufgabe des Staates, bei ordnungswidrigkeitsrechtlich oder strafrechtlich relevanten Gesetzesverstößen, die Ordnungswidrigkeit dem Betroffenen nachzuweisen. Kann demnach eine Strafe nicht nachgewiesen werden, so kann auch keine Strafe verhängt werden.

Auferlegung der Verfahrenskosten auf Fahrzeughalter verfassungsrechtlich schwierig

Laut Ordnungswidrigkeitenrecht muss nur derjenige für die Verfahrenskosten aufkommen, der die zum Verfahren geführte Tat begangen oder vorwerfbar Verfahrenskosten verursacht hat (§ 46 I OWiG, §§ 4651, 469 I StPO). Eine pauschale Auferlegung der Verfahrenskosten ist demnach unüblich, wie das Webportal Legal Tribune erläutert. § 25a StVG macht hiervon bereits heute für den ruhenden Verkehr eine Ausnahme. Dies ist nur durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) möglich (BVerfGE, 01.06.1989, 2 BvR 239/88).

Dieser Entscheidung liegt die Argumentation zugrunde, dass die herkömmliche Kostenregelung der üblichen Ermittlungssituation bei Halt- und Parkverstößen nicht mehr gerecht werde. Bei der Feststellung eines Verstoßes kann lediglich das Kennzeichen notiert und anschließend der Fahrzeughalter kontaktiert werden. Diese geben aber meist nicht die richtige Auskunft: Unter Berufung auf das Zeugnisverweigerungsrecht bezüglich naher Familienangehöriger wird die Auskunft unterlassen, zu spät abgegeben oder es werden Personen aus dem Ausland benannt, die nicht auffindbar sind. Das Verfahren muss in solchen Fällen eingestellt werden, was die Rechtspflege nachhaltig belastet und der Staat bleibt auf den Ermittlungskosten sitzen. Da es dem Fahrzeughalter selbst obliegt, wem er sein Auto überlässt, habe er daher zur Klärung der Identität des Verursachers beizutragen. Tue er dies nicht, so sei es legitim, ihm zumindest die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

Auf den fließenden Verkehr lässt sich diese Argumentation ebenfalls übertragen. Da die Fahrer auf den Fotos meist sehr unscharf oder unkenntlich sind, muss sich die Behörde auf die Aussagen des Fahrzeughalters stützen. Im Gegenzug zu falschem Parken haben Rotlicht oder Geschwindigkeitsverstöße keinen Bagatellcharakter und ziehen häufig empfindliche Strafen oder Punkte in Flensburg nach sich. Jedoch ist der Ermittlungsaufwand der gleiche. Die möglichen Kosten für den Fahrzeughalter blieben demnach im Rahmen und entsprächen denen des ruhenden Verkehrs. Die Pauschalgebühren liegen hierbei zwischen 13 und 25 Euro, hinzu kommen Zustellungsauslagen in Höhe von wenigen Euro.

Ausweitung auf das Bußgeld

Einige europäische Länder haben eine weitergehende Regelung, für die es auch in Deutschland Befürworter gibt. Eine verkehrserziehende Wirkung solle diese Rechtgrundlage haben, die das grundgesetzliche Schuldprinzip nicht verletzt. Demnach solle vom Fahrzeughalter auch das Bußgeld eingefordert werden, der dann allerdings keine bestrafenden Konsequenzen (Entzug der Fahrerlaubnis, Punkte in Flensburg) fürchten müsse. Zugrunde liegt auch hierfür die Tatsache, dass der Fahrzeughalter die Verfügungsgewalt über sein Auto hat und daher auch Rechtsverletzungen beim Staat kompensieren müsse. Zivilrechtlich entspräche dies dem Modell der Gesamtschuld, das beispielsweise bei privaten Mietwagenverträgen gängige Praxis ist.

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Jedoch ist mit einer derartigen Ausweitung für Verkehrsverstöße nicht zu rechnen, da es bei einer solchen Regelung rechtlich zu viele Bedenken bezüglich der Verfassungsmäßigkeit gibt. Sollte die Regierung die Reform umsetzten und die Kostenpflicht des Fahrzeughalters auf den fließenden Verkehr ausweiten, so hat der Autobesitzer demnach nicht allzu viel zu befürchten. Bei Bagatelle-Fällen ohne Auswirkungen auf die Fahrerlaubnis sollte man dann allerdings genau überlegen: teure Ermittlungskosten riskieren oder doch lieber das geringe Bußgeld bezahlen?

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