Das nun vom BMJ gerichtete Schreiben an die Landesjustizverwaltungen wird diese wohl veranlassen, ihrerseits Erkundigungen bei den für sie zuständigen Gerichten, Kammern (z.B. Zivilkammer) und Senaten (z.B. Zivilsenat) einzuholen. Im Klartext bedeutet dies, dass aus der Antwort der jeweiligen Landesjustizverwaltung das Echo aller mit der Materie der Schadenregulierung der Assekuranz befassten Gerichte hervorgeht. Hierin liegt eine hohe Brisanz. Diese ist auch darauf zurückzuführen, dass einzelne Gerichte das Regulierungsverhalten der Assekuranz in scharfen Worten gerügt haben: „Zermürbungsversuch“, „Nötigung“, „unanständig“, „unzulänglich“, „kleinlich“ sind nur einige Stichwörter, die sich die Versicherer anhören mussten.

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BMJ: Immer wiederkehrende Beschwerden über Assekuranz

Als ersten Grund für die Bitte um Einschätzung der Landesjustizverwaltungen werden im Schreiben des BMJ jedoch „Beschwerden“ genannt, die „immer wieder“ im BMJ eingingen. Mit diesen „Beschwerden“ werde „geltend gemacht“, „Versicherer leisteten mit erheblicher Verzögerung, es gehe auch darum, die wirtschaftlich stärkere Position auszunutzen mit dem Ziel, den Anspruchsteller in ‚zermürbenden Rechtsstreitigkeiten’ zur Aufgabe des Anspruchs oder zu einem für den Versicherer günstigen Vergleich zu bewegen.“

Das Ministerium beruft sich also zunächst auf „Beschwerden“, die im Ministerium „immer wieder“ eintreffen würden. Im folgenden fasst der Verfasser des Schreibens des BMJ den Inhalt dieser „Beschwerden“ zusammen – im Konjunktiv, die „zermürbenden Rechtsstreitigkeiten“ selbst zitierend. Für das BMJ, so heißt es im Brief, „liegen“ „gesicherte Erkenntnisse darüber, ob die bestehende Rechtslage im Sinne der genannten Beschwerden ausgenutzt wird, ... nicht vor.“ Das Ministerium gibt sogar zu Bedenken, dass „die Darstellung in Eingaben... selbstverständlich immer subjektiv“ seien und verweist auf „die Pflicht von Versicherungen, unberechtigte Ansprüche abzuwehren, auch, um Prämiensteigerungen zu vermeiden.“

„Sind Versicherer vorschnelle Nein-Sager?“

Erwähnt wird im BMJ-Schreiben auch der Film die „Nein-Sager“ vom vergangenem Jahr. Dieser führte anhand von geschädigten Protagonisten verschiedene Beispiele an, die zeigen sollten, wie die Assekuranz „Tausende in finanzielle und seelische Nöte“ stürzten. Christoph Lütgert, einer der Filmautoren vor und hinter der Kamera der Panorama-Sendung, berichtet von der Reaktion des GDV. „Nach Ausstrahlung der Panorama-Reportage hatte sich der GDV beim Norddeutschen Rundfunk massiv beschwert“, sagt Lütgert. „Diese Kritik wurde vom Intendanten Lutz Marmor zurückgewiesen“, so der Journalist.

„Jetzt führte das Bundesjustizministerium exakt diese Reportage in dem Schreiben an die Länder an und gab auch den Link für die Ansicht im Internet weiter“, freut sich Reporter Lütgert. Sind Versicherungen also tatsächlich „vorschnelle Nein-Sager, die sich mit perfiden Tricks verweigern, wenn Geschädigte dringend Hilfe brauchen?“ fragt Lütgert rhetorisch und liefert gleich die entsprechende Antwort dazu. Die Dokumentation „Die Nein-Sager“ habe „solche Praktiken entlarvt und eindrucksvolle Belege geliefert.“ Nun zeige „sich das Bundesjustizministerium alarmiert – unter ausdrücklichem Verweis auf die Panorama-Reportage.“

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Antwort auf drei Fragen

Konkret möchte das BMJ Antworten auf drei Fragen haben: Sehen die Richter eine Zunahme eines verzögerten Verhaltens auf der Seite der Versicherungsunternehmen? Reichen die jetzigen Rechtsregeln aus, um „in zufriedenstellender Weise reagieren“ zu können? Und schließlich – „Sind Gesetzesänderungen erforderlich?“.
Von den Antworten wird wohl abhängen, ob die Politik tatsächlich gesetzlichen Handlungsbedarf sieht. Steht am Ende eine Regulierung der Regulierung? Dies wäre ein großer (Lobby-)Erfolg für Opferverbände. Für den bevorstehenden Wahlkampf ließe sich ein solches Thema allenthalben emotionalisieren. Der letzte Gong ist hier freilich noch nicht ertönt.

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