Die Versicherungsforen Leipzig hatten am 27. und 28. Februar zum dritten Mal zum Fachsymposium „Social Media in der Versicherungswirtschaft“ eingeladen. Im Mediencampus Leipzig lauschten rund 100 Verantwortliche aus den Bereichen Unternehmenskommunikation, Marketing, Social Media und Community Management den Referenten. Die Erwartungen waren nach den beiden vorherigen Veranstaltungen hoch (der Versicherungsbote berichtete: „Keine Angst vor Social Media“). Denn immer noch herrscht in der Branche ein Mix aus Angst, Skepsis und Euphorie. So sind Social-Media-Aktivitäten oft getrieben von Kampagnen und verknüpft mit Gewinnspielen, die nur wenig zur langfristigen Kundenbindung beitragen.

„Social Media muss halt a bissl schneller gehen!“

Den Einstieg in zwei Tage Social Media Marathon machte Prof. Dr. Martin Spann von der Munich School of Management. Während sein Vortrag lediglich einen lauen Einblick in die Nutzung von sozialen Netzwerken bei Otto Normal-Verbraucher gab, ging Werner Panhauser, Vorstand für das Ressort Marketing und Vertrieb bei der Helvetia Versicherungen AG in Österreich, bereits deutlich tiefer. Ziel, so Panhauser, müsse es sein, alle Kunden und alle potentiellen Kunden zu erreichen. Dabei setzt man im Hause Helvetia auf die Kombination Service, Unterhaltung und Information. Denn Verkauf über Social Media funktioniert - aber nur unterschwellig. Um diese These zu unterstreichen, zitierte er seinen Nachfolger am Rednerpult, Frank Roth, „Facebook ist wie eine Party! Wenn einem in den ersten fünf Minuten etwas verkauft werden soll, geht man wieder!“

Zu einem Unternehmen gehören auch unzufriedene Kunden

Vielmehr geht es um Glaubwürdigkeit. Um glaubwürdig zu sein, gehörten auch unzufriedene Kunden zu einem Unternehmen. Um diese Glaubwürdigkeit zu schaffen und nach außen zu portieren, müssen die sozialen Auftritte von innen gelebt und getragen werden. Ziel müsse es sein, so der Wiener, die Mitarbeiter ins Boot zu holen. Seine Maxime hieß daher: „Mitmachen statt aufsetzen.“ Dabei sind interne Regeln Pflicht: „Es macht wenig Sinn, wenn man den Mitarbeitern keine Social-Media-Guidelines an die Hand gibt.“

Von einer klassischen Kosten-Nutzen-Rechnung nahm Panhauser Abstand: „Verabschieden Sie sich von ROI - Return of Invest mit genauen Zahlen ist nicht möglich.“ Der Verkauf von Versicherungsprodukten über diese Kanäle würde nur unterschwellig funktionieren und sich erst auf lange Sicht auszahlen.

"Der wesentliche Unterschied zwischen Social Media und einer Erkältung - Social Media geht nicht vorbei!"

Frank Roth, Leiter Unternehmenskommunikation bei der ERGO Direkt, schlug in die gleiche Kerbe: „Social Media ist in erster Linie Kommunikation und nicht Vertrieb.“ Aber Kommunikition sei schwer kontrollierbar und dazu gehöre auch das Aushalten von schlechten Kommentaren. Denn auch ohne das Zutun von Unternehmen könnten Externe zunehmend Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung nehmen.

Als Schlussfolgerung daraus müssten Unternehmen noch transparenter sein, den damit verbundenen Machtverlust in der Kommunikation akzeptieren und daraus einen Kulturwandel der inneren Kommunikationsstrukturen anstreben.

Roth erklärte weiter: „Fans sind für uns kein ROI! Kunden sagen normaler Weise „meine Versicherung“ - in sozialen Medien wird Markenbildung betrieben, es wird immer der Name der Versicherung genannt – das ist für mich ROI.“

Frank Roth: „Echtzeit bedeutet nicht, dass Sie sich echt Zeit lassen können.“

Beim Thema Shitstorm war das Publikum besonders gebannt. So erklärte der Leiter Unternehmenskommunikation bei ERGO Direkt: „Sie müssen schnell sein und den Kunden Ernst nehmen.“ Wichtig bei der Reaktion auf kritische Kommentare ist, dass Kunden kein „PR-Geplapper“ hören wollen. Auch die Schnelligkeit sei entscheidend, denn bereits ab „7 Kommentare wird es kritisch“. Die Ergo Direkt bedient sich eines deshalb eines systematischen Monitoring mit mehreren Eskalationsstufen.

Frank Roth: „Durch Fragen auf Facebook 30% mehr Interaktion“

Mit einem Blick über den Tellerrand in Richtung USA erläuterte Prof. Dr. Alyosh Agarwal von der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in München, wie sich große amerikanische Versicherer, wie etwa State Farm, die neuen Medien zu Nutze machen und welche signifikanten Erfolge sie dabei bereits verzeichnen können. Im Gegensatz zu den Europäern setzen die Amerikaner bei den sozialen Medien und ihren Möglichkeiten verstärkt auf deren Unterhaltungswert in Form von originellen Videos und YouTube-Spots, in denen unternehmenseigene Maskottchen oder auch bekannte Gesichter aus der Filmbranche auftreten. Prof. Dr. Agarwal räumte allerdings ein, dass die Amerikaner an manchen Punkten vielleicht einen Schritt voraus seien, sich jedoch beim Thema vertrauensbildende Maßnahmen eher ein Beispiel an den Europäern, insbesondere an Deutschland, nehmen sollten.

Besonders Probleme oder Schadenmeldung bieten laut Prof. Dr. Agarwal große Chancen. So arbeiten gerade amerikanische Unternehmer oft nach der Maxime: „Tue gutes und rede darüber“ – umgemünzt auf Schadenmeldung und Problemlösungen sollten sich Versicherer bei der Zahlung von Schäden großzügig zeigen und den Schwung und das positive Feedback nutzen.

Der Live-Test bei Barmenia

Heiko Scholz, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Barmenia, gestand auch Fehler in der Social Media Strategie der vergangenen Jahren ein: „Fotowettbewerbe machen wir nie wieder. Wir haben dabei den Fehler gemacht auch negative Bewertungen zuzulassen.“ Dadurch sei es teilweise chaotisch geworden. Stolz war der Barmenia-Vertreter dagegen auf die schnelle Rückmeldung in den Kanälen. Ziel sei es in den Geschäftszeiten innerhalb von einer Stunde auf alle Anfragen zu antworten. Das führt zu hoher Kundenzufriedenheit. Bei einem spontanen Test des Versicherungsboten reagierten die Mitarbeiter innerhalb von 8 Minuten auf eine Anfrage. Scholz unterstrich noch ein mal, dass es wichtig sei die Mitarbeiter zu begeistern. Gerade außerhalb der Geschäftszeiten sei Social Media „nur freiwillig von Mitarbeitern zu lösen. Ansonsten wäre es schlichtweg zu teuer“ und fuhr fort: „Wir haben Mitarbeiter, denen würden die Finger jucken, wenn eine Anfrage oder ein Kommentar rein kommt – da wird dann auch am Samstagabend auf einen Post reagiert.“ Speziell in der Kommunikation bei Fragestellungen hätten sich geschlossene Gruppen für den Barmenia Außendienst bewährt. Hier können Fachfragen schnell untereinander gelöst werden.

Suitbert Monz, verantwortlich für das Marketing und Community Management bei der R + V, konstatierte, dass das Thema Social Media zunächst bedeute, den Wandel des Kommunikationsverhaltens der Gesellschaft aufzugreifen und die damit entstandenen neuen Dialogkanäle zu akzeptieren.

Die hohe Bedeutung der Zielgruppe „Digital Natives“ hat in seinem Unternehmen für ein Umdenken gesorgt, dem neue Konzepte zur Ansprache über soziale Medien folgten und das eine Anpassung interner und externer Prozesse nach sich zog. Mittlerweile seien schon einige Kampagnen erfolgreich gelaufen: "Wir haben mit der "Teddybär-Aktion" vor allem um die Weihnachtszeit gepunktet." Und auch das Monitoring hat sich geändert. „Die ersten Jahre haben wir uns noch mit Google Alerts beholfen. Das war ein riesen Aufwand zig Tabellen zu pflegen. Jetzt haben wir dafür ein Tool.“

Die Herausforderung Social Media ist, so Monz, nicht mehr wegzudiskutieren. Für Makler und Vermittler heißt das: „Geht hin und bildet euer Netzwerk über privates Netzwerk“ - das sei vor allem eins - persönlicher.

Versicherer dagegen müssten Lösungen passend zum Kunden abbilden. Der Kunde schreibt mobil und macht sich darüber keine Gedanken. Deshalb müsste sich die Branche anpassen.

Umrundet wurde der Vortrag von Rechtsanwalt Dr. Karsten Kinast, der über die rechtlichen Aspekte rund um soziale Auftritte referierte und von Christian König, von der SAS Institute GmbH. Der Social Media-Analytics-Experte stellte ein Social Media-Analytics-Tool vor, dass es ermöglicht, den kompletten Markt (Foren, Blogs, Nachrichten, Micro-Blogging und Youtube) zu überblicken. Dabei können sowohl positive, wie negative Inhalte von User-generated Content herausgefiltert werden.

Den Abschluss des Symposiums bildete ein Vortrag aus dem Hause Telekom Deutschland. Oliver Nissen, Leiter im Contact Center Kiel, gab darin interessante Einblicke, wie die Telekom durch den Service-Gedanken, getragen über das Social Web, die Beziehung zum Kunden deutlich verbesserte. Vielmehr geht es mittels der Plattform „telekom_hilft“ um die Stärkung der persönlichen Beziehung zum Kunden. Von daher kann der Einsatz sozialer Medien vor allem zur Image- und Reputationsbildung beitragen.

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