Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) will laut einem Medienbericht säumigen Beitragszahlern in der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung aus der Schuldenfalle helfen. In der gesetzlichen Krankenversicherung sollen Wucherzinsen von bis zu 60 Prozent im Jahr abgeschafft werden. Für Privatversicherte ist ein sogenannter „Notlagentarif“ geplant, der nach Branchenschätzungen nicht mehr als 100 Euro im Monat kosten wird. Dies berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (Montag) und beruft sich dabei auf einen Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums, der dem Blatt vorliegt. Noch vor der Bundestagswahl im September soll ein entsprechendes Gesetz verabschiedet werden.

Notlagentarif für die private Krankenversicherung

Konkrete Vorstellungen hat das Gesundheitsministerium bereits für die Einführung eines Notlagentarifes in der privaten Krankenversicherung. Der Tarif sieht nur eine Basisbehandlung für die säumigen Versicherungsnehmer vor. Im Kern wird die Behandlung von akuten Erkrankungen, Schmerzzuständen, chronischen Erkrankungen und Schwangerschaften garantiert. Eine Altersrückstellung können die Versicherungsnehmer jedoch nicht ansparen. Auch Selbstbehalte sind für den Nottarif nicht vorgesehen.

Der Notlagentarif soll für alle Anbieter einheitlich gestaltet sein. Art, Umfang und Höhe soll der Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) festlegen. Wie die FAZ mit Berufung auf Branchenkreise berichtet, wird das Angebot vermutlich nicht mehr als 100 Euro im Monat kosten. Bis zu 50 Prozent des Beitrages kann die Krankenversicherung aus den Altersrückstellungen des Patienten zuschießen. Volker Leienbach, Direktor des PKV-Verbandes, begrüßte die aktuellen Pläne der Bundesregierung. Endlich liege ein Gesetz vor, das hochverschuldeten Versicherten helfe, sagte er der Frankfurter Allgemeinen.

Ein wichtiges Detail: für die Versicherten bedeutet der Notfalltarif nicht den endgültigen Verlust des bisherigen Versicherungsschutzes. Laut dem Gesetzesvorhaben soll es den Privatpatienten möglich sein, in den alten Tarif mit den besseren Konditionen zurückzukehren, wenn sie ihre Schulden abgezahlt haben. Was jedoch mit den Schulden passiert, die nicht zurückgezahlt werden können und für die Versicherung verloren sind, dafür sieht der Gesetzestext aktuell keine Lösung vor.

Jährlich Milliardenverlust durch Nichtzahler

Sowohl für die gesetzliche als auch private Krankenversicherung ist die große Masse der Nichtzahler ein Problem. Die Beitragsrückstände in der GKV betragen derzeit mit Zinsen 4,5 Milliarden Euro, wie aus jüngsten Zahlen der Bundesregierung hervorgeht. Nicht viel besser sieht es in der PKV aus: 554 Millionen Euro Außenstände haben sich in 2011 angesammelt. Die privaten Krankenversicherer sprechen von 150.000 Kunden, die ihre Beiträge nicht mehr zahlen. Doch seit Einführung einer allgemeinen Krankenversicherungspflicht können die Anbieter ihren Kunden nicht einfach kündigen, auch aus ethischen Gründen ist dies unerwünscht. Die Nichtzahler belasten aber das Versicherungskollektiv.

Für Krankenversicherte kann es den finanziellen Ruin bedeuten, wenn sie einmal mit den Beitragszahlungen in Verzug geraten sind. Die Verbraucherzentrale Berlin berät säumige Patienten in Not. "Schulden von einigen tausend Euro kommen häufig vor", sagt Expertin Dörte Elß dem Nachrichtenmagazin Spiegel. Oftmals seien junge Selbständige betroffen, die ein eigenes Geschäft gegründet und sich dabei finanziell übernommen haben. Selbstständige stellen sowohl in der gesetzlichen als auch privaten Krankenversicherung den größten Teil der Nichtzahler. Für viele Unternehmer sei die Krankenversicherung sogar ein Hauptgrund, warum sie Privatinsolvenz beantragen müssten.

Dabei ist das Problem zum Teil hausgemacht. Denn Wucherzinsen bei den Krankenkassen und -auf Seiten der PKV- teils drastische Beitragserhöhungen speziell für ältere Versicherungsnehmer tragen dazu bei, dass viele Schuldner in eine finanzielle Abwärtsspirale geraten, wenn sie Beitragszahlungen versäumen. Hier sieht nun auch das Gesundheitsministerium einen dringenden Handlungsbedarf. Die bisherigen Regelungen hätten sich nicht bewährt, heißt es zur Begründung des Gesetzvorhabens.

In der gesetzlichen Krankenversicherung soll ein schneller Anstieg der Zinsen zukünftig dadurch verhindert werden, dass der monatliche Säumniszuschlag von 5 auf 1 Prozent gesenkt wird. Die Bundesregierung hat ausgerechnet, dass ein gesetzlich versicherter Selbständiger, der seinen Beitrag nicht zahlen kann, nach zwei Jahren Beitragsschulden von fast 10.450 Euro angehäuft hat, wovon 3.847 Euro allein auf die Säumniszuschläge entfallen. Nach vier Jahren machen Zinsen und Zuschläge schon mehr als die Hälfte der auf 29.300 Euro angewachsenen Schulden aus, berichtet die FAZ. Den Krankenkassen sollen nun engere Grenzen gesetzt werden – zugunsten der Versicherungsnehmer.


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