Libor-Manipulation: RBS kommt mit Geldstrafe davon
Ein Dutzend Großbanken haben über Jahre hinweg internationale Zinssätze manipuliert – zu ihrem eigenen Vorteil und mit großer krimineller Energie. Die britische Bank Royal Bank of Scotland (RBS) steht laut einem Zeitungsbericht vor einer Einigung mit den Behörden. Dem teilverstaatlichten Geldhaus droht eine Strafzahlung von mehr als 430 Millionen Euro.
Es ist einer der größten Bankenskandale der letzten Jahre. Es ist zugleich einer der größten Betrugsfälle in der Wirtschaftsgeschichte, der viele Händler und Investoren in der Summe um Milliardenbeträge gebracht haben dürfte. Über Jahre hinweg haben bis zu 20 Großbanken den LIBOR und andere Referenzzinssätze manipuliert, Analysten von Morgan Stanley schätzen den entstandenen Schaden auf 17,1 Milliarden Dollar (rund vierzehn Milliarden Euro). UBS, Deutsche Bank, Barclays, Goldmann Sachs - die wichtigsten Finanzhäuser der Welt haben sich an der Manipulation beteiligt.
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Was ist der Libor?
Der täglich ermittelte Libor zeigt an, zu welchen Konditionen sich Banken untereinander Geld leihen. Er wird seit den 80er Jahren jeden Vormittag in London von der British Bankers Association (BBA) bekannt gegeben und für zehn Währungen ermittelt, zu denen auch der Dollar und der Euro gehören. Als Referenzpunkt dient der Libor für viele Finanzgeschäfte weltweit. Er bestimmt unter anderem mit, zu welchen Zinsen Unternehmen und Häuslebauer Kredite von ihren Banken erhalten. Bis zu 18 Banken melden den Zins, doch kontrolliert werden ihre Zahlen kaum. Die Angaben erfolgen auf Vertrauensbasis.
Dabei kann eine Manipulation des Libor gewaltige Auswirkungen haben. Schon 0,01 Prozent Abweichungen im Zinssatz bedeuten Unregelmäßigkeiten im Wert von rund 68 Millionen Euro, schätzen Finanzexperten. Umso größer war der Aufschrei, als die Manipulation im Juni 2012 bekannt wurde. Die Ermittler vermuten, vor allem auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 haben die Banken zu niedrige Angaben gemacht, um ihre tatsächlichen Refinanzierungskosten schönzurechnen und zusätzliche Handelsgewinne einzustreichen.
Royal Bank of Scotland einigt sich mit Behörden
Die britische Royal Bank of Scotland (RBS) steht nun im Skandal um Zinsmanipulationen vor einer Einigung mit den Behörden. Bis zu 430 Millionen Euro werde die Bank als Strafe zahlen, berichtet die Sunday Times. Eine Vereinbarung mit den amerikanischen und europäischen Aufsichtsbehörden sei für Anfang Februar zu erwarten. Die Bank lehnte eine Stellungnahme bisher ab.
Bereits am Donnerstag war bekannt geworden, dass auch die Schweizer Großbank UBS eine Strafzahlung von bis zu 1,6 Milliarden Dollar akzeptieren muss. Zuvor hatte bereits der Rivale Barclays eine Strafe von 450 Millionen Dollar gezahlt.
Die Royal Bank of Scotland will laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung einen Teil der Strafe vom Bonus-Topf ihrer Investmentbanker abzwacken. Bis zu 150 Millionen Euro könnten von den Bonuszahlungen umgeleitet werden, meldet die Zeitung unter Berufung auf Vorstandskreise. Dies mache ungefähr 40 Prozent der Boni aus. Auf Drängen der Finanzaufsicht sollen im Fall einer Einigung zudem hochrangige Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren. Sowohl Investmentbank-Chef John Hourican als auch Peter Nielsen, Chef der Kapitalmarkt-Sparte, müssen eine Entlassung befürchten.
Kaum abschreckende Wirkung von Strafzahlungen
Auf die Frage hin, wie sich derartige Manipulationen zukünftig vermeiden lassen, so kritisieren Ökonomen wie der amerikanische Wirtschaftsprofessor L. Randall Wray: Eine abschreckende Wirkung haben Geldstrafen allein kaum. Werden sie auch in einigen Medien als „Rekordzahlungen“ beklatscht, so machen sie in der Regel nur einen Bruchteil der jährlichen Gewinne dieser Geldhäuser aus. Dies zeigt nicht zuletzt der Umstand, dass die RBS einen Teil der Strafe aus der Porto- bzw. Boni-Kasse finanzieren kann.
Ein Hauptkritikpunkt der Gegner solcher Verhandlungen: Die Deals mit Finanzaufsicht und Regierungen erlauben es den Banken, eine wirksame Strafverfolgung zu verhindern – und damit eine wirkungsvollere Finanzaufsicht. Ökonomen wie Michael Weissenstein oder Simon Johnson sprechen hinsichtlich vergleichbarer Skandale von „Too big to jail“.
Mehr Wirkung hätte eine konsequente Strafverfolgung der Verantwortlichen sowie die Drohung eines Lizenzentzuges für auffällig gewordene Banken. Im Fall der Libor-Manipulation könnten nun tatsächlich wichtige Entscheidungsträger juristisch belangt werden. Im Dezember hat die USA zwei Ex-UBS-Händler wegen Verschwörung angeklagt und bemüht sich um deren Auslieferung.
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Zudem reichten gemäss einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg mehrere amerikanische Städte Klage gegen die 20 beteiligten Geldhäuser des Libor-Skandals ein. Sie machen geltend, wegen der Zinsmanipulationen um höhere Zinserträge auf Anleihen und Swaps betrogen worden zu sein. Die Städte fordern nun Schadensersatz in Millionenhöhe - Leidtragende der Manipulationen waren auch die (amerikanischen) Steuerzahler.