Wie hoch ist das Privatvermögen der Reichen in Deutschland? Sagen kann dies niemand genau, da die Wohlhabenden darüber keine Auskunft geben müssen. Man könne sowieso nicht mit einer ehrlichen Antwort rechnen, begründet das Bundesamt die fehlende Datenlage. Das Berliner Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nennt jedoch Zahlen, die hinsichtlich des enormen Reichtums einiger Bundesbürger zu Denken geben. Demnach besitzt das reichste Prozent der Deutschen circa 35,8 Prozent des gesamten Volksvermögens. Die unteren 50 Prozent verfügen jedoch lediglich über 1,4 Prozent. Die Hälfte der Deutschen bekommt vom Wohlstandskuchen also nur ein paar Krümelchen ab. Zudem nimmt die soziale Ungleichheit seit Jahren weiter zu.

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Neues Aktionsbündnis für die Besteuerung von Reichtum

Nun hat sich ein neues Bündnis gebildet, das sich für eine höhere Besteuerung der Reichen und Superreichen einsetzt. Die Initiative „Umfairteilen – Reichtum besteuern!“ wurde am Freitag in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt und hat durchaus das Potential für erfolgreiche Lobbyarbeit. Es gibt eine Homepage und eine Unterschriftenkampagne, zudem sind ein Aktionstag im September sowie Flugblattaktionen geplant. “Die Zeit ist reif für Umverteilung“, sagte Verdi-Chef Frank Bsirske, einer der Initiatoren, auf der Pressekonferenz des Bündnisses. Solange Deutschland ein Steuerparadies für Vermögende, Erben und Spekulanten sei, seien der Sozialstaat und seine Handlungsfähigkeit bedroht.

Zwar sind bei dem Bündnis viele der üblichen Verdächtigen dabei, die schon seit Jahren eine Reichensteuer fordern: Gewerkschaften etwa, Sozialverbände oder die Globalisierungskritiker von Attac. Aber zusammen mit anderen Akteueren wie Nichtregierungsorganisationen sowie Studenten- und Migrantenverbänden bündeln sie nun erstmals ihre Kräfte für eine gemeinsame Kampagne.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband spricht in einer Pressemeldung sogar euphorisch von einer „breiten gesellschaftlichen Bewegung für eine Politik der sozial gerechten Umverteilung in Deutschland“. Auch wenn dies aktuell eher Wunschdenken sein mag, so stehen die Chancen gut, dass sich „Umfairteilen“ bei den Bundesbürgern Gehör verschafft. Und damit dies möglichst nachdrücklich geschieht, wählen die Initiatoren mitunter drastische Formulierungen. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, sagte, Deutschland stehe an einem Scheideweg - Das Sozialstaatsmodell drohe angesichts massiver Kürzungen im Zuge von Euro-Krise und Schuldenbremse zu scheitern. Eine gerechtere Umverteilung oder die Aufgabe der sozialen Marktwirtschaft: Das sind demnach die Alternativen.

Vermögenssteuer als Antwort auf die Eurokrise?

Der Zeitpunkt scheint gut gewählt, zu dem die Initiative an die Öffentlichkeit tritt. Die rigorosen Sparmaßnahmen infolge der Eurokrise gingen in den südlichen Ländern zuletzt überwiegend zu Lasten der Bevölkerung, vor allem der ärmeren Schichten. Das weckt auch die Skepsis der Deutschen. Erst vor wenigen Tagen hat die spanische Regierung um Präsident Mariano Rajoy ein neues Sparpaket von 102 Milliarden Euro verabschiedet, unter anderem sollen die Mehrwertsteuer erhöht und Sozialleistungen gekürzt werden. In Griechenland wurden erneut die Renten gesenkt, während viele wohlhabende Griechen weiterhin keine Steuern zahlen und ihr Vermögen außer Landes bringen. Doch die überharten Sparmaßnahmen führten bisher nur dazu, dass die Wirtschaft in den Krisenländern weiter schrumpft. Die Politik scheint keine Antworten auf die Probleme zu finden, außer noch gewaltigere Rettungsschirme zu spannen. Da wird der Ruf nach Alternativen lauter: In Frankreich hat Francois Hollande mit ähnlichen Forderungen wie UmFAIRteilen die Wahl gewonnen.

Das Aktionsnetzwerk inszeniert sich nun bewusst als Gegengewicht zur aktuellen Krisenpolitik, vor allem der Regierung Merkel. Privaten Reichtum anzapfen, um die öffentliche Verschuldung einzudämmen – dies ist die Hauptforderung des Bündnisses. „Es gibt einen Ausweg aus der Wirtschafts- und Finanzkrise: Umverteilung!“ heißt es auf der Homepage. „Fehlende Kita-Plätze, geschlossene Bibliotheken, mangelhafter Nahverkehr – der öffentlichen Hand fehlt das Geld für wichtige Investitionen. Dem stehen gigantische private Vermögen entgegen. Sie müssen wieder an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligt werden - mit einer einmaligen Vermögensabgabe und einer dauerhaften Vermögensteuer.“ Allein die privaten Vermögen des reichsten Prozents der Bundesbürger seien höher als alle Schulden von Bund, Ländern und Kommunen zusammen, betont Jutta Sundermann von Attac Deutschland.

Wird die gerechtere Umverteilung zu einem bestimmenden Wahlkampfthema?

Bei den Parteien stieß das Aktionsbündnis erwartungsgemäß auf geteiltes Echo. SPD-Chef Sigmar Gabriel unterstützte das Bündnis mit einem Aufruf zu mehr „sozialem Patriotismus“ und forderte unter anderem die Streichung von Subventionen im Steuerrecht sowie einen höheren Spitzensteuersatz. Nach der Sommerpause soll im Bundesrat zudem eine Gesetzesinitiative zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer eingebracht werden, die es seit 1997 nicht mehr gibt. SPD, Grüne und Linke setzen sich gemeinsam dafür ein. Fraglich ist jedoch, ob Gabriel für seine Forderungen die Mehrheit seiner Partei hinter sich vereinen kann – der Spitzensteuersatz war von der rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder gesenkt worden.

Schwarz-Gelb hingegen lehnt eine Reichensteuer komplett ab und reagierte mit teils harscher Kritik. FDP-Generalsekretär Patrick Döring sprach von den " immer wieder verordneten Enteignungsmitteln als Lieblingsdroge der Linken". Der CSU-Politiker Hans Michelbach warf den Initiatoren eine böswillige Verdrehung der Tatsachen vor. „Hier schürt eine Koalition der Umverteiler mit falschen Daten Neidkomplexe“, sagte der Vorsitzende der CSU-Mittelstandsaktion.

Die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer sowie die Erhöhung des Spitzensteuersatzes könnte also zu einem bestimmenden Wahlkampfthema bei der Bundestagswahl 2013 werden. Dafür spricht auch, dass sich Regierung und Opposition bei vielen finanzpolitischen Themen angenähert haben - sowohl bei dem Vorgehen in der Eurokrise, beim Thema Fiskalpakt und der Schuldenkonsolidierung liegen die Positionen eng beieinander. Eine Debatte über die Reichensteuer würde hingegen Gelegenheit geben, sich vom politischen Gegner abzugrenzen.

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Entscheidend könnte sein, ob Sigmar Gabriel die SPD von seinen Ideen überzeugen kann – Und ob die Parteien das Gefühl haben, dass sich mit diesem Thema die Wähler mobilisieren lassen. Vieles spricht dafür, denn François Hollande wurde mit ähnlichen Forderungen wie von „Umfairteilen“ Frankreichs Staatspräsident.



Mirko Wenig

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