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Wenn ein Versicherungsvertreter ausscheidet, endet nicht automatisch jede Verbindung zum alten Auftraggeber. Vor allem dann nicht, wenn es um Geld geht – konkret um Provisionen, Rückforderungen und Haftungszeiten. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) hat kürzlich die Frage geklärt, wann ehemalige Vermittler von ihrem alten Versicherer Auskünfte verlangen dürfen. Und wo die Grenzen liegen.

Der Fall (Az.: VII ZR 176/24) betrifft einen früheren Versicherungsvertreter, der zwischen 2015 und 2020 für einen bundesweit tätigen Versicherer gearbeitet hatte. Nach Vertragsende forderte er von der Versicherung umfangreiche Informationen. Das galt vor allem zu Verträgen, die er selbst vermittelt hatte und die von Kunden später gekündigt oder in der Beitragszahlung reduziert worden waren. Besonders wollte er wissen, ob diese Kunden im Anschluss bei einer anderen Gesellschaft der gleichen Versicherungsgruppe einen neuen Vertrag über das gleiche Risiko abgeschlossen haben.

Warum diese Frage so wichtig ist? Dahinter steht der Verdacht, dass das Versicherungsunternehmen bewusst eine sogenannte „Umdeckung“ betrieben haben könnte: Dabei wird ein bestehender Vertrag gekündigt. Der Kunde schließt daraufhin einen neuen Vertrag. Dabei ist jedoch der ursprüngliche Vermittler nicht beteiligt. Für den betroffenen Ex-Vertreter bedeutet dies ein Storno und verbunden damit die Rückzahlung der Provision, obwohl der Kunde de facto weiter versichert ist. Dagegen wehrte sich der Kläger und bekam zumindest teilweise Recht.

Das Versicherungsunternehmen weigerte sich zunächst, die Informationen herauszugeben. Der Fall landete über zwei Instanzen hinweg vor dem BGH. In der ersten Runde wurde dem Kläger teilweise Recht gegeben. Das Oberlandesgericht München hatte ihm weitreichende Auskunftsansprüche zugesprochen. Doch der BGH entschied nun differenzierter: Ja, der Vertreter hat ein Recht auf Auskunft – aber nur unter bestimmten Bedingungen.

Was hat der BGH entschieden?

Der BGH stellte klar: Versicherungsvertreter dürfen Auskunft darüber verlangen, welche ihrer vermittelten Verträge in der sogenannten Stornohaftungszeit (der Zeitraum, in dem eine Rückzahlung der Provision droht) von Kunden gekündigt oder reduziert wurden. Aber: Diese Auskunftspflicht besteht nur dann, wenn der Versicherer dem Vermittler auch tatsächlich eine Provisionsrückbelastung oder -kürzung in Rechnung gestellt hat. Das Gericht stellt also einen direkten Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Nachteil des Vermittlers und dem Informationsrecht her.

Ein bloßer Verdacht reicht nicht aus. Es muss konkret eine finanzielle Auswirkung gegeben haben. Dabei ist die Auskunft unabhängig vom bereits bekannten Buchauszug. Denn bestimmte Details, wie die Information über Ersatzverträge, tauchen im Buchauszug nicht auf, sind aber für die Beurteilung, ob ein unzulässiger Eingriff in den Kundenbestand vorliegt, essenziell.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil schafft mehr Klarheit im Verhältnis zwischen Versicherern und Handelsvertretern und hier vor allem nach dem Ende einer Zusammenarbeit. Vermittler erhalten damit ein Instrument, um sich gegen potenziell unfaire Rückforderungen von Provisionen zur Wehr zu setzen. Gleichzeitig setzt der BGH aber auch Grenzen: Eine Auskunft auf Vorrat, ohne dass konkrete wirtschaftliche Nachteile entstanden sind, ist nicht zulässig.

Gerade bei sogenannten Umdeckungen, bei denen Kunden innerhalb derselben Versicherungsgruppe in neue Verträge überführt werden, spielt das Urteil eine entscheidende Rolle. Vermittler, die den Verdacht hegen, dass ihr Bestand systematisch „abgeworben“ wurde, können nun mit klaren Kriterien arbeiten, um ihre Rechte geltend zu machen.

Gleichzeitig stellt das Urteil klar: Eine Buchauskunft nach § 87c HGB reicht oft nicht aus, um potenzielle Umdeckungen zu erkennen. Ergänzende Informationen, wie sie der Kläger gefordert hatte, sind zulässig – sofern ein wirtschaftlicher Schaden durch Provisionsrückforderungen bereits eingetreten ist. Der Provisionsanspruch ist damit eng an den Nachweis solcher Ersatzverträge gekoppelt.

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