Die Kosten von Versicherungsanlageprodukten sollen sinken, der Kundennutzen soll stärker im Mittelpunkt des Handelns stehen: Das sind die Grundsätze der neuen Wohlverhaltensregeln, die die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vor wenigen Wochen in einem Merkblatt präsentiert hat. Haben Lebensversicherer branchenunüblich hohe Ausgaben für Vertrieb und Verwaltung oder entwickeln sich ihre Kapitalanlagen unerwartet schlecht, müssen sie künftig mit aufsichtsrechtlichen Maßnahmen rechnen. Zu diesem Merkblatt hat nun Axel Kleinlein mit seinem Aktuarbüro Math Concepts Stellung bezogen. Bekannt wurde Kleinlein als langjähriger Vorstandssprecher des Bundes der Versicherten (BdV): und als Kritiker der Lebensversicherung, Stichwort „legaler Betrug“.

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Kleinlein sieht Fortschritte, aber…

Grundsätzlich begrüßt Kleinlein die nun verschärfte Aufsicht durch die BaFin. Positiv hebt er hervor, dass die Behörde explizit auf den Kundennutzen der Produkte abhebt und damit auch eine klare Vorstellung verbindet: Die Produkte sollen eine positive Realrendite erwirtschaften, also vereinfacht gesagt den Wertverlust durch Inflation ausgleichen. Doch diesbezüglich hat er bereits einen ersten Kritikpunkt. Denn die BaFin betrachte nur die Rendite bis Rentenbeginn. Die Rentenphase aber bleibe außen vor.

Das aber widerspreche bereits den Vorschriften für die Produktfreigabeverfahren (POG-DR), wonach ein Anlageprodukt über seine „gesamte Lebensdauer“ zu betrachten ist. Wiederholt hatte Kleinlein in der Vergangenheit bereits moniert, dass die Lebensversicherer teils unrealistisch hohe Lebenserwartungen veranschlagen, wenn sie das angesparte Kapital der Kundinnen und Kunden in eine Rente umrechnen. Und die berechneten Kosten in der Rentenphase teils hoch seien.

Auch wenn im Merkblatt die Verrentung kurz erwähnt werde, fehle es hierzu an konkreten Regeln, moniert der Aktuar nun. „Die Bafin interessiert sich nicht dafür, wie fair oder unfair die Versicherungsunternehmen die Rente für die Kunden bemessen. Oft müssen die Versicherten mehr als 100 Jahre alt werden, um über die Rente zumindest das eingesetzte Geld inflationsbereinigt wieder herauszubekommen“, sagt Kleinlein.

Darüber hinaus plädiert Kleinlein dafür, den Begriff des Kundennutzens zu erweitern. In der aufsichtsrechtlichen Debatte über den Kundennutzen von Verträgen („value for money“) werden weitere Aspekte genannt, die von der BaFin nicht ausreichend betrachtet werden, so moniert er. Während der Anlageerfolg („efectivness“) bereits von der Behörde beleuchtet werde, finde die Forderung nach Sparsamkeit („economy“), Effizienz („efficiency“) und die gerechte Behandlung von Kundeninteressen („equality“) nicht ausreichend Berücksichtigung.

Überschussbeteiligung: Beteiligung gemäß Verursacherprinzip?

Bei der gerechten Behandlung von Kundeninteressen hebt Kleinlein vor allem auf die Überschussbeteiligung ab. Es fehle eine grundsätzliche Bewertung der Überschussbeteiligung im Hinblick auf den Kundennutzen, obwohl es für die Renditeerwartung eines Vertrages eine wichtige Rolle spiele, wie und in welchem Umfang der Kunde bzw. die Kundin an den Überschüssen beteiligt werde. Lediglich bei den Rückvergütungen an die Fondsgesellschaften - den sogenannten Kickbacks - macht die BaFin hier genauere Vorgaben.

Seit aber 2014 das Lebensversicherungsvertragsgesetz (LVRG) in Kraft trat, dürfen die Lebensversicherer ihren Kundinnen und Kunden die Überschussbeteiligung drastisch kürzen, wenn sie gegenüber der BaFin nachweisen, dass andernfalls ihre Stabilität gefährdet wäre. Dieses Recht haben sie selbst dann, wenn sie hohe Bilanzgewinne erzielen. Öffentlich Rechenschaft ablegen müssen die Unternehmen hingegen nicht, wenn sie die Überschussbeteiligung reduzieren.

Im BaFin-Merkblatt fehle nun eine grundsätzliche Bewertung der Überschussbeteiligung in Hinblick auf den Kundennutzen, kritisiert Kleinlein. Diese Positionierung sei aber dringend notwendig, da derzeit in Bezug auf die Überschussbeteiligung vertragsrechtlich (§ 153 (2) VVG) immer noch nur ein „verursachungsorientiertes“ und kein „verursachungsgerechtes“ Verfahren der Überschussbeteiligung gefordert ist. Stark vereinfacht fordert Kleinlein diesbezüglich, dass die Versicherer allein die Kosten zu tragen haben, wenn sie z.B. durch Management- oder Kalkulationsfehler in finanzielle Schwierigkeiten geraten - und diese Kosten nicht einfach auf die Sparenden abgewälzt werden können.

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Die komplette Stellungnahme kann auf der Webseite von Math Concepts eingesehen werden.

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