„Obwohl Europa eine der höchsten individuellen Sparquoten der Welt aufweist, ist die Beteiligung von Kleinanlegern an den Kapitalmärkten im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften nach wie vor sehr gering“, schrieb die EU-Kommission, als sie die Gründe für ihre Kleinanleger-Strategie vorstellte (Versicherungsbote berichtete).

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Doch einige Vorgaben in der EU-Richtlinie könnten das Ziel für mehr Anleger-Beteiligung am Kapitalmarkt konterkarieren. Diese Ansicht vertritt Jochen Kindermann, Partner und Spezialist für Bank- und Kapitalmarktrecht bei der Kanzlei Simmons & Simmons. Beispielhaft verweist er auf das Provisionsverbot bei „execution-only“-Geschäften, das u.a. folgende Einkünfte betreffen würde:

  • beim Kauf eines Fonds anfallende Ausgabeprovisionen
  • jährlich wiederkehrende Bestandsprovisionen für das Halten von Fonds im Bestand
  • beim Kauf von ETFs anfallende Kickbacks

Letztere seien bei den sogenannten Neobrokern „besonders umsatzrelevant“, so Kindermann. „Dem bisherigen Geschäftsmodell von Neobrokern, die durch benutzerfreundliche Apps viele Anleger für den Kapitalmarkt gewonnen haben, könnte dadurch die Grundlage entzogen werden. Eine Einführung von monatlichen Abogebühren oder auch die Erhöhung von Transaktionsgebühren könnten denkbare Folgen sein. Dies könnte wiederum die Nutzerzahlen stark sinken lassen und somit abschreckend auf eine Beteiligung am Kapitalmarkt wirken”, führt Kindermann aus.

Verschärfte Transparenzpflichten für Anlageberater, mögliche Entschädigung für unangemessene Kosten

Die Kanzlei Simmons & Simmons weist zudem auf die Verschärfung der Transparenzpflichten und Verhaltensregeln für Anlageberater hin. So sieht der neue „Best-Interest“-Test für Finanzberater vor, dass sie eine breitere Produktpalette heranziehen und das kostengünstigste Produkt empfehlen müssen. Um Produkte vergleichbar zu machen, sollen die EU-Finanzaufsicht ESMA und die Versicherungsaufsicht EIOPA Benchmarks entwickeln, anhand derer nachgewiesen werden kann, dass die Kosten eines Produkts gerechtfertigt und verhältnismäßig sind.

„Eine Abweichung von diesen Maßstäben bedeutet, dass das Produkt kein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis hat. Die Folge wäre ein faktisches Verkaufsverbot, denn Vermögensverwalter, Versicherer und Banken sollen nur noch dann Fonds und andere Anlageprodukte in der EU verkaufen dürfen, wenn sie nachweislich ein gutes beziehungsweise angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten”, erklärt Jochen Kindermann. Sollte es dazu kommen, dass dem Anleger unangemessene Kosten in Rechnung gestellt werden, sieht die Richtlinie eine Entschädigung der Anleger für unangemessene Kosten vor.

Warnhinweise sollen Kleinanleger zudem vor besonders risikoreichen Produkten schützen. Hierzu werden Wertpapierfirmen, Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen in die Pflicht genommen, auch können zuständige Behörden die Verwendung von Risikowarnungen für besonders riskante Produkte vorschreiben.

Auch sollen berufliche Anforderungen an Finanzberater verschärft werden. Um die Qualität der Beratung zu verbessern und gleiche Wettbewerbsbedingungen in der gesamten EU zu gewährleisten, sollen strengere gemeinsame Mindeststandards für die erforderlichen Kenntnisse und Kompetenzen eingeführt werden. Regelmäßige berufliche Weiterbildung und Schulungen wären demnach obligatorisch.

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Auf der anderen Seite senkt die EU die Schwelle für das Anlagevermögen, ab dem man sich als professioneller Anleger qualifiziert - und zwar von 500.000 auf 250.000 Euro. An Kunden ab diesem Anlagevermögen können bestimmte Produkte somit leichter verkauft werden.

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