Dass die Rede des Vorstandschefs einen ernsten Hintergrund hatte, zeigte sich wenige Monate später. Laut Medienberichten bekam die Allianz Krach mit der Finanzaufsicht: wegen ihrer IT. Demnach habe die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Mängel bei Prozessen und der IT der Allianz SE fest, wie die WirtschaftsWoche zuerst meldete. Von „lückenhafter Steuerung“ und nicht abgestimmten Prozessen war die Rede, der Versicherer hat den Vorgang bestätigt. Unter anderem hatte sich die Behörde daran gestört, dass Abläufe teils doppelt und parallel stattfanden - mögliche Fehlerquellen, die zum Beispiel auch die Bearbeitung von Schäden ausbremsen können.

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Allianz muss umstrukturieren

Das „Handelsblatt“ hat nun weiter recherchiert und sich in Kreisen der Allianz umgehört, was die BaFin genau bemängelt hat. Und herausgefunden, dass bei dem deutschen Branchenprimus umfangreiche Umbauarbeiten anstehen. Konkret habe die Aufsichtsbehörde die aufsichtsrechtlichen Anforderungen im vergangenen März verschärft und in neue Vorschriften gegossen. Ergebnis waren die Versicherungsaufsichtlichen Anforderungen an die IT (VAIT). Eine Vorschrift: Die Aufseher wollen eine verantwortliche Einheit, die IT-Services betreut und als Ansprechpartner zur Verfügung steht.

Das aber ist bei der Allianz keineswegs gegeben. Stattdessen sind bei den verschiedenen Unternehmenstöchtern mehrere operative Einheiten tätig, die für IT-Prozesse verantwortlich sind. Sie sollen nun unter dem Dach der Konzernmutter Allianz SE gebündelt werden, wie das „Handelsblatt“ berichtet. Die Umsetzung der Vorgaben laufen bereits, teilte die Allianz auf Anfrage des Wirtschaftsmagazins mit: dabei seien die Sozialpartner einbezogen.

Ein Beispiel: Der hauseigene Rückversicherer Allianz Re. Als selbstständig agierende Einheit sichert sie jeden dritten Euro im Erstversicherungs-Geschäft der Münchener ab: und hat eine eigenständige IT-Abteilung. 122 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen nun unter das Dach der Muttergesellschaft wechseln, berichtet das „Handelsblatt“: größtenteils IT-Experten und Projektmanager. Mit den verbleibenden 200 Mitarbeitern aber könnte der Rückversicherer dann zu klein werden, um als selbstständige Einheit bestehen zu bleiben. Die Selbstständigkeit des Rückversicherers stehe jedoch nicht infrage.

Laut dem „Handelsblatt“ sind Konflikte im Konzern dank des Umbaus sehr wahrscheinlich. Und die Stimmung ist ohnehin angespannt. Das Blatt verweist auf einen Vorgang bei der letzten Betriebsratswahl. Der Betriebsrat der hauseigenen Rückversicherungs-Tochter hatte sich mit einem offenen Brief an Oliver Bäte gewandt, weil Holger Tewes-Kampelmann, Chef der Allianz Re, eine Versammlung im Juni 2022 gestört haben soll. Im Brief wurden tumultartige Szenen und sogar Handgreiflichkeiten beklagt. Auslöser des Streits soll die Besetzung des Betriebsrates gewesen. So habe sowohl der Vorstand der Allianz Re als auch der Konzernmutter Allianz SE Kandidaten bevorzugt, die pflegeleichter gewesen seien und den radikalen Reformkurs des Konzerns mitgetragen hätten. Diese hätten aber nicht den Rückhalt der Belegschaft gehabt - und sich letztlich nicht durchsetzen können.

Denn ohnehin baut die Allianz seit Jahren den Konzern um, was gelegentlich auch zu Konflikten mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führt. „Keep it fast and simple“ hat Konzernchef Bäte einst als Losung für den Konzern ausgegeben: einfache Produkte und Prozesse, die leicht nutzbar sind, schlanke Strukturen, kundenfreundliche Anwendungen. Doppelte Strukturen, die zusätzliche Ressourcen binden, können folglich auch nicht in seinem Interesse sein. Sein Ziel: leicht skalierbare Produkte, die im Zweifel weltweit angeboten werden können. Eine schlanke und funktionsfähige IT ist hierfür Grundvoraussetzung.

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Mehrere Personen seien bei der Allianz von dem IT-Umbau betroffen, berichtet das „Handelsblatt“. Unter anderem Barbara Karuth-Zelle: als COO verantwortet sie seit Anfang 2021 unter anderem die Transformationsprogramme Allianz Costumer Modell und Business Master Platform, somit auch die Harmonisierung der IT-Prozesse. Des Weiteren Finanzvorstand Giulio Terzariol, der auch für die Compliance im Konzern zuständig ist. Christopher Townsend ist der Dritte im Bunde: er ist bei der Konzernmutter Allianz SE für die Rückversicherung zuständig.

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