Johannes Vogel, Bundes-Vize der FDP, spricht sich aktuell dafür aus, ein starres Renteneintrittsalter abzuschaffen. "Ich bin überzeugt: Niemand muss den Menschen mehr vorschreiben, wann sie in Rente zu gehen haben – auch weil die Lebensläufe immer unterschiedlicher werden“, sagte Vogel der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Und weiter: "Das Land, dass hier in Europa am erfolgreichsten ist, ist Schweden mit seinem Modell des flexiblen Renteneintrittsalters.“ In Schweden bestimmt ein Korridor, wann man in Rente gehen kann.

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Vogel sagte, Schweden erreiche das höchste faktische Renteneintrittsalter in Europa sowie mehr Selbstbestimmung für die Menschen. Dabei gelte in Schweden eine ganz einfache Regel: "Wer eher in den Ruhestand geht, erhält weniger Rente, wer später geht, erhält mehr." Daran sollte sich Deutschland orientieren. Neu sind die Forderungen nicht: bereits vor zwei Jahren hatte die FDP das Schwedische Rentenmodell als Vorbild beschrieben.

Vogel bescheinigte zudem Bundeskanzler Olaf Scholz, mit seinen Äußerungen zu einer längeren Lebensarbeitszeit eine wichtige Debatte angestoßen zu haben. "Es gilt, den Anteil derer zu steigern, die wirklich bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können. Das fällt vielen heute schwer", hatte sich der SPD-Politiker positioniert.

Die Schwedische Rente: so einfach ist das nicht

Das Schwedische Rentensystem ist recht komplex und setzt sich aus mehreren Bestandteilen zusammen. Deshalb ist umstritten, ob einzelne Elemente einfach so auf das deutsche Modell übertragen werden können. Versicherungsbote hat bereits darauf hingewiesen, dass die FDP viele Gründzüge des schwedischen Systems eben nicht übernehmen will - die aber dazu beitragen, dass in dem skandinavischen Land die Ruheständler ausreichend abgesichert sind. Unter anderem zahlen auch Selbstständige in die Rente ein.

Ähnlich wie das deutsche Modell ist die schwedische Rente zum Teil umlagefinanziert. 16 Prozent beträgt der Beitragssatz zur Leibrente, der zu circa 40 Prozent von Arbeitnehmern und zu 60 Prozent von Arbeitgebern finanziert wird. Die monatlichen Beiträge werden einem individuellen Konto gutgeschrieben und mit einem Zinssatz verzinst, der sich am Durchschnittslohn orientiert. Die erworbenen Ansprüche orientieren sich jedoch auch daran, wie sich Lebenserwartung der Schweden entwickelt.

Die Höhe der tatsächlichen monatlichen Leibrente wird dann mit Rentenbeginn berechnet, indem das Guthaben bei Renteneintritt durch einen Faktor, dem so genannten Annuitätendivisor, geteilt wird. Dieser bestimmt sich aus der aktuellen Lebenserwartung und dem fiktiven Zinssatz. Und das ist die Krux: Auch die Wahl des Rentenbeginns fließt hierbei mit ein. Das Mindesteintritts-Alter in Schweden liegt derzeit bei 61 Jahren, ohne Abschläge kann man mit 67 Jahren in den Ruhestand. Ähnlich wie in Deutschland soll das Rentenalter künftig angehoben werden: Dann wird sich der Korridor von 64 bis 69 Lebensjahren erstrecken.

Doch je zeitiger die Schweden in Rente gehen, desto deftigere Abschläge müssen sie in Kauf nehmen. Und die können mehr als ein Viertel der monatlichen Monatsrente betragen. Wer mit 61 Jahren in den Ruhestand geht, erhält 28 Prozent weniger Rente als wenn er bis 65 gearbeitet hätte. Entsprechend ist die vermeintliche Wahlfreiheit, die nun von dem FDP-Politiker angepriesen wird, eine relative: hohe Abschlagsraten führen dazu, dass die Menschen gezwungen sind möglichst lang zu arbeiten, sofern sie ein sicheres Alterspolster wollen. Das Münchener ifo-Institut verweist etwa darauf, dass die Schweden im Schnitt zwei Jahre länger arbeiten als Deutsche.

Auch sonst unterscheidet sich das Schwedische Rentenmodell vom deutschen. Verpflichtend müssen 2,5 Prozent des Lohns in die sogenannte Prämienrente gesteckt werden: ein kapitalgedeckter Teil der Altersvorsorge, der auch Vorbild für die „Aktienrente“ der FDP gewesen ist. Dieser Beitrag wird am Kapitalmarkt angelegt, wobei die Bürgerinnen und Bürger die Wahl haben zwischen dem Schwedischen Staatsfonds AP7 oder 800 weiteren Anlageprodukten.

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4,5 Prozent des Einkommens fließen zudem „quasi-obligatorisch“ in eine betriebliche Altersvorsorge, die weit stärker als hierzulande mit der gesetzlichen Rente verknüpft ist. Hier muss bei den hohen Abschlägen bei zeitigem Renteneintritt bedacht werden, dass die Betriebsrenten im Schnitt weit höhere Ansprüche sichern als in Deutschland und weiter verbreitet sind. Die durchschnittliche Betriebsrente liegt laut Friedrich-Ebert-Stiftung bei über 400 Euro monatlich.

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