Wohngeld Plus - das ist eine Antwort der Bundesregierung auf die stark steigende Inflation, die sich vor allem auch bei den Nebenkosten für Strom und Gas bemerkbar macht. In der vergangenen Woche verabschiedete der Bundestag die entsprechende Reform.

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Dies war Anlass für den Volkswirt und Mathematiker Werner Siepe, nachzurechnen, wie speziell Rentnerinnen und Rentner von dieser Reform profitieren können. Nicht von ungefähr: Jeder zweite Wohngeldempfänger ist bereits im Ruhestand. Und mehrfach wurde der Bundesregierung vorgeworfen, bei ihren Hilfspaketen als Antwort auf den Ukraine-Krieg die Rentnerinnen und Rentner nicht ausreichend zu berücksichtigen. Die Modellrechnungen wurden mit dem Wohngeldrechner unter www.smart-rechner.de erstellt, der auf den Berechnungen des IW Köln aufbaut.

Konkret hatten im Jahr 2020 laut Statistischem Bundesamt 618.615 Haushalte Anspruch auf Wohngeld, wie Siepe berichtet. Die Kosten hierfür summierten sich auf rund 1,3 Milliarden Euro. Im Schnitt wurden rund 175 Euro pro Monat ausgezahlt. Tritt das Wohngeld-Plus-Gesetz in Kraft, könnten ab Januar 2023 bereits rund zwei Millionen Haushalte profitieren. Die Zahl der Empfänger würde sich von 1,5 Prozent aller Hauptwohnsitz-Haushalte auf fünf Prozent erhöhen. Auch die durchschnittliche Wohngeld-Zahlung würde von 175 Euro auf dann 336 Euro steigen.

Rund eine Million Rentner könnten profitieren

Von den rund 23 Millionen Rentnerinnen und Rentnern in Deutschland könnten rund eine Million ab 2023 von höherem Wohngeld profitieren, wenn das Wohngeld Plus in Kraft tritt, berichtet Siepe. Zu beachten ist, dass Wohngeld hierbei als Sozialleistung definiert werde, um Mietern oder Selbstnutzern eines Eigenheims mit geringem bis durchschnittlichem Einkommen einen Miet- oder Lastenzuschuss zu ermöglichen. Hierbei werden nur sieben Prozent der Wohngelder als Lastenzuschuss an Eigenheim-Haushalte ausgezahlt: das Gros fließt folglich an Mieterinnen und Mieter.

Werner Siepe empfiehlt allen Menschen, die sich nicht sicher sind, ob sie Wohngeldanspruch haben, noch 2022 einen Antrag zu stellen. Der Grund: Wohngeldberechtigte sollen noch in diesem Jahr einen zweiten Heizkostenzuschuss von 415 Euro für eine Person bzw. von 540 Euro für zwei Personen im Haushalt erhalten. Der Zuschuss könnte ihnen verloren gehen, wenn sie erst 2023 tätig werden - dem Jahr also, in dem das „Wohngeld Plus“ in Kraft tritt.

Freibetrag bei ausreichend Grundrentenzeiten

Wie hoch der Wohngeldanspruch ausfällt, ist auch von weiteren Komponenten abhängig. Ein wichtiger Faktor ist, ob der Rentner mindestens 33 Jahre an Grundrentenzeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung nachweisen kann. In diesem Fall gilt im kommenden Jahr laut Paragraph 17a des Wohngeldgesetzes (WoGG) ein Freibetrag von bis zu 251 Euro, womit bei einer Bruttorente von 604 Euro ein zusätzliches Wohngeld von rund 125 Euro erzielt werden kann.

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Der monatliche Freibetrag liegt bei 100 Euro plus 30 Prozent der diesen Betrag übersteigenden gesetzlichen Rente, höchstens jedoch bei 50 Prozent des Regelsatzes. Dieser Regelsatz würde bei Inkrafttreten des Bürgergeldes 502 Euro monatlich für Alleinstehende betragen, woraus sich der maximale Freibetrag von 251 Euro ergibt. Anrecht hierauf haben auch Ruheständler ohne Grundrentenanspruch, sofern sie die Bedingungen erfüllen.

Höhere Einkommensgrenzen für Rentner mit und ohne Freibetrag

Angehoben werden 2023 die Einkommensobergrenzen für wohngeldberechtigte Rentnerinnen und Rentner - es war erklärtes Ziel der Bundesregierung, den Kreis der Berechtigten auszubauen. Je nach Mietstufe steigen die Freibeträge um 30 bis 39 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens - folglich das Bruttoeinkommen abzüglich von Kosten wie Werbungskostenpauschale, Beiträgen zur Sozialversicherung und Steuern.

Bei alleinstehenden Rentnerinnen und Rentnern liege die Einkommensobergrenze in 2023 zwischen 1.371 Euro in der niedrigsten Mietstufe I und 1.541 Euro in der höchsten Mietstufe VII, berichtet Siepe. Zu berücksichtigen ist, dass nicht allein die gesetzliche Rente als Einkommen für die Obergrenze gilt, sondern zum Beispiel auch Einkommen aus Kapitalvermögen, Vermietung etc. Dies entspreche einer monatlichen Bruttorente von 1.722 Euro bis 1.927 Euro, sofern der Ruheständler keine weiteren Einnahmen haben. Hat der Betroffene Anrecht auf den Freibetrag von 251 Euro, steigt die Obergrenze sogar auf 2.036 Euro Bruttorente in Mietstufe I bis 2.241 Euro in Mietstufe VII. Die Mietstufe errechnet sich stark vereinfacht auch daraus, ob man in einer Region mit niedrigen oder hohen Mieten lebt. Wer sehr hohe Ausgaben für das Wohnen hat, etwa weil er in einer Großstadt wie München lebt, erhält in der Tendenz auch mehr Wohngeld.

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Deutlich höherer Wohngeld-Anspruch für Standardrentner

Werner Siepe rechnet anhand mehreren Beispielen vor, wie sich das auf den Wohngeldanspruch auswirkt. So zum Beispiel für den Standardrentner: Eine fiktive Rente, die sich daraus errechnet, dass der Ruheständler 45 Jahre lang genau durchschnittlich verdient und in die gesetzliche Rentenversicherung Beiträge eingezahlt hat. „Standardrentner mit einer monatlichen Bruttorente von 1.621 Euro erhalten in 2023 Wohngeld in Höhe von 205 Euro, da ihnen der Freibetrag zwangsläufig zusteht. Ohne Freibetrag wären es nur 82 Euro. In 2022 bekämen sie nur ein Wohngeld von 13 Euro trotz Berücksichtigung des Freibetrags und überhaupt kein Wohngeld ohne Freibetrag“, heißt es in einem Pressetext zur Studie. Die Standardrente errechnet sich aus 45 Entgeltpunkten mal 36,02 Euro für den aktuellen Rentenwert West.

Beispielrechnung für Rentner-Ehepaar

Eine weitere Beispielrechnung bezieht sich auf ein Rentner-Ehepaar, das in Leverkusen oder Berlin wohnt und eine Brutto-Kaltmiete von 600 Euro im Monat (einschließlich Heizkosten von 120 Euro monatlich) zahlt. Der Ehemann erhielt 45 Jahre ein Durchschnittseinkommen und zahlte hierfür Rentenbeitrag, während seine Gattin nur die Mütterrente für zwei vor 1992 geborene Kinder erhält. Ihre gesetzliche Bruttorente summiert sich auf 1.801 Euro, wobei die Frau nur einen Rentenanspruch von 180,10 Euro aus ihrer Mütterrente hat. Nach Abzügen von Werbungskosten und Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung bleibt ein anzurechnendes Einkommen von 1.605,60 Euro übrig, welches sich durch den Freibetrag von 251,00 Euro nochmal auf 1.354,60 Euro reduziert.

Ohne Berücksichtigung des Freibetrages stünde dem Rentner-Ehepaar in 2023 ein Wohngeld von 187 Euro zu. Die Berücksichtigung des Freibetrags von 251 Euro führt hingegen zu einem um 118 Euro höheren Wohngeld, sodass das Paar 305 Euro an Wohngeld erhalten würde. Auch hier zeigt sich durch die Reform eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Status Quo. In 2022 hätte das Ehepaar inklusive Freibetrag einen Wohngeld-Anspruch von 224,50 Euro - und ohne Freibetrag überhaupt keinen Anspruch auf Wohngeld.

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"Leider verzichtet etwa die Hälfte der einkommensschwachen Rentner aus Unkenntnis oder Scham darauf, einen Antrag auf Wohngeld (Miet- oder Lastenzuschuss) zu stellen. Die recht komplizierten Antragsformulare und oft auch langen Bearbeitungszeiten in den Sozialämtern bzw. Wohngeldstellen schrecken viele eigentlich Berechtigte zusätzlich ab", kritisiert Siepe. Er fordert zusätzliche Hilfsangebote, damit mehr Anspruchsberechtigte von ihrem Recht auf Wohngeld Gebrauch machen können. Die Studie ist auf der Webseite vers-berater.de veröffentlicht.

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