Mit der Sustainable Finance Disclosure Regulation will die Europäische Union die Finanzierung nachhaltigen Wachstums fördern, unter anderem bei Investmentfonds. Bislang ist die Definition von „strenger Nachhaltigkeit“ aber nicht sinnvoll geregelt. „Diese Unsicherheit kann ein Problem für Finanzdienstleister darstellen, die ihren Kunden unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten beraten wollen und in Zukunft auch müssen. Sicherheit sieht anders aus“, betont Dr. Rathjen.

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Dr. Dirk Rathjen ist Vorstand des Instituts für Vermögensaufbau (IVA) mit Sitz in MünchenInstituts für Vermögensaufbau

Nachhaltiges Investieren soll vom Trend zum Mainstream werden, und die Europäische Union will durch spezifische regulatorische Vorgaben zukunftsorientierte Rahmenbedingungen dafür schaffen. Eine Maßnahme ist die EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (Sustainable Finance Disclosure Regulation – SFDR), die sich unter anderem auf Investmentfonds bezieht und diese in verschiedene Kategorien einordnet.

Wenn Fonds nach Artikel 8 (systematisch und explizit Förderung der ESG-Merkmale in der Kapitalanlage) oder 9 (Investmentprozess hat mindestens ein ausweisbares außerfinanzielles Nachhaltigkeitsziel) kategorisiert sind, sollen Anleger sicher sein können, nachhaltig zu investieren. Artikel 9-Fonds sollen dabei die Anleger ansprechen, die auf Nachhaltigkeit besonders viel Wert legen. Artikel 6 wiederum bedeutet, dass keine ESG-Kriterien oder nur minimale Nachhaltigkeitsstandards umgesetzt werden.

Ab 2023 müssen Kunden ein Nachhaltigkeitsreporting erhalten

Die BaFin wollte diese Regeln schärfen, um Greenwashing noch schwieriger zu machen, hat die weitere ESG-Richtlinie aber kürzlich vertagt. Weiterhin müssen zum Beispiel nachhaltige Fonds mindestens 75 Prozent in nachhaltige Anlagen investieren oder eine nachhaltige Anlagestrategie verfolgen oder einen nachhaltigen Index abbilden, um Greenwashing zu vermeiden.

Wie können Finanzanlagenvermittler nun sicherstellen, für ihre Anlegerinnen und Anleger anhand der Klassifikation der Fonds nach SFDR-Artikeln wirklich nachhaltige Produkte zu finden? Immerhin liegt der Schwerpunkt in der Beratung mehr und mehr auf der Nachhaltigkeit. Das ist einerseits aus vertrieblicher Sicht wichtig, weil Anlegerinnen und Anleger sich mehr und mehr nachhaltig betätigen wollen.

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80 Prozent der Anlegerinnen und Anleger sind laut Studien überzeugt, dass Nachhaltiges Investieren keine Modeerscheinung ist, und 47 Prozent möchten mit ihrer nachhaltigen Investition auch einen Beitrag leisten, die Welt besser zu machen. Zum anderen sind künftig alle Finanzdienstleister per Rechtsverordnung dazu verpflichtet, die ESG-Präferenzen ihrer Kundeninnen und Kunden abzufragen, zu dokumentieren und bei der Auswahl der Empfehlungen zu berücksichtigen. Ab 2023 müssen Kunden zusätzlich ein Nachhaltigkeitsreporting erhalten.

Klassifizierung sagt zum jetzigen Zeitpunkt nicht viel aus

Das führt für Finanzanlagenvermittler zu großen Herausforderungen. Denn die ESG-Regulierung ist weiterhin im Entstehen und die genauen Anforderungen sind daher noch unklar. Das beinhaltet beispielsweise, dass die Reportinganforderungen für Artikel 8- und 9-Fonds möglicherweise so hoch sein könnten, dass viele Anbieter tatsächlich und nachweisbar nachhaltige Portfolios vorsichtshalber einstweilen nur nach Artikel 6 klassifizieren. Unter Artikel 6 fallen alle Fonds ohne Berücksichtigung (oder nur in geringem Umfang) von Nachhaltigkeitskriterien. Die Klassifizierung sagt also zum jetzigen Zeitpunkt nicht unbedingt viel aus und macht Finanzdienstleistern das Leben in der Beratung schwer.

In der Praxis heißt das beispielsweise: Ein Solarzellenhersteller, der überdurchschnittlich viel Wasser verbraucht und überdurchschnittlich viele Arbeitsunfälle hat, ist für einen Artikel 8-Fonds nur begrenzt geeignet, für einen Fonds, der nur den Klimawandel bekämpfen soll, hingegen gut geeignet. Artikel 9-Fonds sollen aber die höheren Nachhaltigkeitsstandards erfüllen. Anlegerinnen und Anleger mit Leidenschaft für ESG werden von der Mehrzahl der Artikel 9-Fonds somit enttäuscht sein, sollten sie herausfinden, was per Gesetz in ihnen zulässig ist. Dies liegt nicht an „bösen“ Fondsmanagern, denn diese müssen auch noch Rendite erwirtschaften und das Anlagerisiko unter Kontrolle halten. Sich auf ein einziges Nachhaltigkeitsziel zu konzentrieren, hat nichts mit ganzheitlicher Nachhaltigkeit zu tun, auch wenn ein Unternehmen, das die CO2-Reduktion anstrebt und dabei ein wenig Kinderarbeit nutzt, nach Artikel 9 als strenges ESG-Investment gelten kann. Hinzu kommt noch, dass die Klassifizierung von den Produktanbietern selbst vorgenommen wird, nicht von einer neutralen Instanz. Sie ist also kein Gütesiegel.

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Artikel 8 nicht strenger als Artikel 9

Das Problem: Im Rahmen der Auswertungen der Fondspaletten deutscher Lebensversicherer für den „Fondspolicenreport Nachhaltigkeit“ stieß das Institut für Vermögensaufbau darauf, dass Artikel 9-Fonds bei ganzheitlichen ESG Bewertungen im Durchschnitt nicht besser abschnitten als die Artikel 8-Fonds. Bei näherer Analyse zeigte sich, dass bei der Definition von „strenger Nachhaltigkeit“ für Artikel 9-Fonds das zuständige Gremium am Ziel vorbeigeschossen ist. Denn: Artikel 9 fordert, dass ein Fonds mindestens ein bestimmtes Nachhaltigkeitsziel verfolgt und dabei keinen „signifikanten Schaden“ anrichtet („Do no significant harm“). Die Folge: Schaden in diversen anderen Nachhaltigkeitsaspekten ist damit zulässig, er darf nur nicht übermäßig groß sein. Was genau „significant harm“ bedeutet, wird in den nächsten Jahren von der EU definiert, einstweilen muss es jeder Produktanbieter selbst entscheiden.

Verwendung externer ESG-Ratings sinnvoll

Daher ist es sinnvoll, sich an existierende, externe ESG-Ratings halten. Wichtig dabei ist, dass diese Ratings auf umfangreichen Daten basieren und systematisch erstellt werden. Da die Taxonomie noch nicht fertig ist, erlaubt die BaFin die Verwendung externer ESG-Ratings, zum Beispiel zur Verwendung in Best-in-Class-Ansätzen. Um ein ESG-Rating zu erhalten, das für möglichst viele Kunden passt, ist es daher entscheidend, dass die ESG-Qualität Titel für Titel aus der Sicht mehrerer etablierter ESG-Datenanbieter berechnet wird.

Vor diesem Hintergrund hat das Institut für Vermögensaufbau IVA eine spezifische ESG-Zertifizierung entwickelt. Diese basiert auf einem regelmäßigen Prüfprozess, bei dem der Anbieter des Fonds oder Portfolios mindestens ein Jahr lang einmal pro Quartal die aktuelle Zusammensetzung des Portfolios vollständig übermittelt. Anhand dieses Bestandes bestimmt der Rating-Dienstleister ein differenziertes Nachhaltigkeitsprofil des Portfolios, das in einem Zertifikat als eigenes Dokument dargestellt wird. Das Siegel soll bei der Auswahl eines Produkt- beziehungsweise Strategieanbieters helfen und eine dauerhafte Qualitätsprüfung bieten. Die Bewertungen basieren auf den Daten und Ratings von verschiedenen großen ESG-Datenanbietern und auch Nischen-Ratingagenturen. Aktuell werden beim IVA insgesamt Ratings aus mehr als 700 Quellen verwendet. Viele Banken und Versicherungsgesellschaften nutzen das IVA-ESG-Rating.

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Die Bewertung mit fünf Bäumen stellt die höchste Qualitätsstufe dar und zeigt, dass ein Investment über alle ESG-Kriterien hinweg überdurchschnittlich ist, obwohl es vielleicht nicht ein einzelnes konkretes UN-Nachhaltigkeitsziel verfolgt – also kein Artikel 9-Fonds ist. Ein Fonds mit fünf Bäumen nach dem ganzheitlichen Konsens-Rating ist für Anlegerinnen und Anleger geeignet, denen eine bestmögliche Nachhaltigkeitsausrichtung besonders am Herzen liegt. Und Finanzanlagenvermittler können sich auf ein unabhängiges Siegel im Sinne der Nachhaltigkeit bei der Auswahl der Investmentfonds verlassen.

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