Versicherungsbote: Sie vertreiben Geldkarten für die Altersvorsorge an Supermarktkassen von Edeka. Können Sie kurz erklären: Wie funktioniert das? Und wie wird die Aktion bisher angenommen?

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Martin Daut: Das Prinzip der Gutscheinkarten kennen Sie sicher von Anbietern wie Amazon oder Netflix. Sie bezahlen die Karte an der Kasse und lösen den gekauften Gutscheincode dann später online ein. Genau so funktioniert es bei uns auch. Ist schon ein Depot bei quirion vorhanden, wird das Guthaben entsprechend der aktuellen Anlagestrategie investiert. Ein Neukunde muss natürlich vor der Erstanlage noch der Eröffnungsprozess durchlaufen werden, das geht aber auch bequem von zu Hause aus per Video-Ident auch aus der App. Wir sehen, dass die Karten sowohl von Bestands- als auch von Neukunden gekauft werden – wir sind bisher zufrieden.

Die Altersvorsorge gilt als beratungsintensiv. Sie wollen über die Supermärkte -auch- Neukundinnen und -kunden gewinnen. Was sagen Sie jenen, die argumentieren: Eine langfristige Geldanlage sollte nicht an der Supermarktkasse gestartet werden?

Ich würde die Gegenfrage stellen: „Warum denn nicht?“. Viel zu wenige Menschen nutzen die Chancen des Kapitalmarkts bei der Geldanlage. Und wenn sie es tun, dann viel zu oft in zu teuren und oder unpassenden Produkten, die ihnen nicht „beraten“, sondern „verkauft“ wurden - wie beispielsweise fondsgebundene Lebensversicherungen, bei denen ein Großteil des Ertrages für den listigen Vertrieb und den Mantel draufgeht. Letztlich bieten wir eine gute, günstige und unabhängige Geldanlage – mit einfachem Zugang an der Supermarktkasse. Und ETF-basierte, einfache Investment- oder Sparstrategien sind bei richtiger Diversifikation die richtige und kostengünstige Antwort auf die Kundenfrage: Was soll ich tun? Darum, dass die Geldanlage zum Kunden passt, kümmern wir uns ja trotzdem – und das natürlich nicht an der Supermarktkasse.

Sind weitere derartige Kooperationen wie mit Edeka schon umgesetzt worden bzw. planen Sie weitere?

Aktuell sind die Karten nur bei Edeka gelistet. Es haben sich aber auch schon andere Handelsketten bei uns gemeldet, mit denen wir in Gesprächen sind. Spruchreif ist aber noch nichts. Wir sehen aber, dass auch der Handel durchaus offen für Innovationen im Sortiment ist.

Sie schreiben auf Ihrer Webseite, dass Sie auf Provisionen verzichten. Womit verdienen Sie dann Ihr Geld? Würden Sie in Deutschland ein Provisionsverbot für bestimmte Anlageprodukte -ähnlich wie z.B. in Großbritannien- unterstützen?

Das ist ganz einfach und da sind wir auch transparent. Als digitaler Vermögensverwalter erhalten wir von unseren Kunden eine jährliche Vermögensverwaltungsgebühr. Darin ist unsere komplette Dienstleistung enthalten, also die Profilierung, das Asset-Management und die Konto-/Depotführung sowie der Handel. Diese Gebühr liegt im Standard-Paket bei 0,48 Prozent. Wünscht der Kunde die persönliche Betreuung und einen Berater vor Ort in den Niederlassungen bei 0,88 Prozent. Wir sind eine Tochter der Quirin Privatbank, der ersten und einzigen Bank in Deutschland, die ausschließlich unabhängig gegen Honorar berät. Insofern beantwortet sich der zweite Teil der Frage fast von allein: Wir unterstützen ein Provisionsverbot nicht nur, wir fordern es sogar! Leider ist auch die Ampel-Koalition hier wieder eingeknickt. Das Provisionsmodell ist für die großen Banken und Versicherungen und ihre Interessenvertreter leider viel zu lukrativ.

Können bei Ihrer Altersvorsorge die Kundinnen und Kunden auch Garantiebestandteile wählen? Welche Optionen bieten Sie für jene, die eine niedrige Risikopräferenz haben?

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Wir verzichten auf Garantien, weil sie in einer langen Ansparphase des Vermögensaufbaus viel zu teuer sind. Die Riester-Rente zeigt das eindrucksvoll, auch wenn die Kapitalgarantie nicht ihr einziger „handwerklicher“ Fehler war. Wir steuern das Risiko über das Verhältnis von Aktien und Anleihen im Depot des Kunden. Das ganze machen wir in Abstufungen von 100 Prozent Aktien ganz ohne Anleihen bis zu einer Variante mit 10 Prozent Aktien und 90 Prozent Anleihen.

"Bei uns treffen nicht Algorithmen die Entscheidungen"

Versicherungsbote: Sie gelten als Robo-Advisor, der bevorzugt in ETFs investiert. Welche Rolle spielt der Faktor Mensch in Ihrer Anlagestrategie? Wird er vielleicht bewusst kleingehalten, weil Sie sagen: Algorithmen treffen bessere Entscheidungen?

Martin Daut: Nein, das ist leider ein populäres Missverständnis, was vielleicht auch an dem sehr technischen Begriff Robo-Advisor liegt. Bei uns treffen nicht Algorithmen die Anlageentscheidungen, sondern die Kolleginnen und Kollegen im Portfoliomanagement. Der Mensch spielt bei uns also sogar die zentrale Rolle. Was bei uns weder Mensch noch Maschine übernehmen, sind Entscheidungen zu vermeintlich guten Kauf- und Verkaufszeitpunkten oder besonders aussichtsreichen Unternehmen, Branchen oder Märkten. Da ist die Kapitalmarktforschung nämlich sehr eindeutig – dieses aktive Management funktioniert langfristig nicht. Deshalb ist unser Ansatz auch passiv, oder besser ausgedrückt: prognosefrei. Wir finden gemeinsam mit dem Anleger das für ihn optimale Risikoprofil heraus und sorgen während der Anlage dafür, dass es passend bleibt. Angelegt wird dann in von Menschen erstellte ETF-Portfolios, die den kompletten Weltmarkt abbilden – und der ist deutlich breiter als ein MSCI World. So hat der Kunde die Möglichkeit, die globale Marktrendite bei geringstmöglichen Produktkosten zu erzielen.

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Apropos menschlicher Faktor: Sie kooperieren auch mit „persönlichen“ Beraterinnen und Beratern, die gegen Honorar tätig sind. Wie funktioniert das? Müssen Kundinnen und Kunden hierfür ein extra Honorar zahlen?

Für die digitale Vermögensverwaltung berechnen wir 0,48 Prozent p.a. und im Modell mit persönlichem Berater 0,88 Prozent jährlich. Inclusive der in den ETFs enthaltenen Produktkosten von im Durchschnitt 0,17 Prozent liegen wir selbst damit deutlich unter den üblichen Managementgebühren aktiv verwalteter Fonds – und können tatsächlich unabhängig beraten.

Auch in der Honorarberatung ist Falschberatung denkbar. Haften Sie für empfohlene Produkte?

Selbstverständlich. Als Vermögensverwalter sind wir BaFin-reguliert und haften für eine eventuelle Falschberatung. Da wir aber so breit wie möglich in den weltweiten Markt investieren, sind die Risiken für den Kunden gut gestreut. Und unsere Risikoprofilierung hat sich über Jahre bewährt.

ETFs gelten als Liebling des Verbraucherschutzes: Bilden aber -stark vereinfacht- „nur“ die Wertentwicklung eines Aktienindizes nach. Gibt es bei Ihnen auch aktiv gemanagte Teile? Wie reagieren Sie, wenn sich ein Index negativ entwickelt?

Ganz einfach: Gar nicht. Die Frage impliziert ein wenig, dass aktives Management den Anleger zuverlässig vor Verlusten schützen kann. Das ist leider nicht der Fall. Die Kapitalmarktforschung ist da wirklich eindeutig. Sie zeigt, dass das entscheidende Kriterium ist, „dauerhaft dabei zu sein“ und nicht zu versuchen, mit Timing besser zu sein als der Markt. Das geht auf lange Sicht nämlich mit größter Wahrscheinlichkeit schief. ETFs sind für diese Anlagestrategie das optimale Instrument und deshalb in gewisser Weise zurecht Liebling des Verbraucherschutzes. Leider wird der ETF-Markt zunehmend unübersichtlich und die Industrie muss aufpassen, nicht den üblichen Fehler der Finanzbranche zu machen: Immer neue Produkte zu erfinden, die niemand braucht.

Kaum mehr als 300 Honorarberater sind in Deutschland registriert, die Zahl stagniert seit Jahren. Was sind aus Ihrer Sicht Gründe hierfür? Und was kann getan werden, um diesen Berufszweig zu stärken? Stand jetzt plant auch die neue Bundesregierung kein Provisionsverbot.

Die Gründe liegen auf der Hand – es fehlt schlichtweg der Anreiz. Wieso sollte ich Honorare nehmen, wenn ich als Berater mit Provisionen viel mehr Geld verdienen kann? Das ist auch der Grund, warum sämtliche Großbanken nicht freiwillig umsatteln werden – sie verdienen in der Provisionswelt viel mehr als mit Honoraren. Der Gesetzgeber hält zudem seine schützende Hand über die provisionsfinanzierten Banken. Das führt dazu, dass die europäischen Anlegerschutzgesetze wie MIFID II eigentlich eher bankenschutz- als Verbraucherschutzgesetze geworden sind. Damit sind Verbraucher beim Autokauf besser geschützt als bei der Geldanlage. Und das wird auch so bleiben, solange es kein Provisionsverbot gibt.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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