Steigende Inflation steht Vermögensbildung entgegen und das lässt die Sorgen der Deutschen zunehmen. So zeigte eine Befragung des Deutsche Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) im Sommer 2021, dass 63 Prozent der Deutschen die damalige Inflationsentwicklung kritisch sahen. Mit den seitdem steigenden Preisen kletterte auch dieser Wert nochmals deutlich. Inzwischen sehen 73 Prozent der Menschen in Deutschland die Inflationsentwicklung kritisch. Bei den Älteren sind es mittlerweile 85 Prozent, in der jüngsten Gruppe 61 Prozent.

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Eine ältere Erhebung des Meinungsforschungsinstitut INSA Consulere im Auftrag des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Inflationserwartung mit dem Alter zunimmt. So gehen unter den 50-Jährigen und Älteren deutlich mehr von einer anhaltend hohen Geldentwertung aus als in den Altersgruppen bis 39 Jahre. „Die Ursachen für diese skeptischere Einschätzung wurden in der Umfrage zwar nicht ermittelt, aber es ist zu vermuten, dass Älteren Phasen mit hoher Inflation in früheren Jahrzehnten noch in Erinnerung sind und diese Erfahrungen auch den Blick auf künftige Entwicklungen beeinflussen“, versuchte DIA-Sprecher Klaus Morgenstern eine Erklärung für diese Unterschiede.

Eine jüngere Untersuchung im Auftrag des Verbands der Privaten Bausparkassen kann zwar keine signifikanten Unterschiede zwischen den Altersgruppen feststellen, bestätigt aber insgesamt die Sorge vor Inflation. Sieben von zehn Bundesbürgern sorgen sich deshalb.

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„Aus meiner Sicht ist diese Entwicklung der steigenden Inflation gefährlich. Sie sollte nicht als vorübergehender Effekt nach der Corona-Krise verharmlost werden“, so Helmut Schleweis, Präsident des DSGV. Er betont, dass der EZB-Rat im Dezember die Weichen für einen Ausstieg aus der ultra-expansiven Geldpolitik stellen muss.

Höhepunkt der Inflation schon erreicht?

Soweit will Laurence Boone, Chefökonomin der Industrieländer-Organisation OECD, nicht gehen. In einem aktuellen Interview mit dem Handelsblatt wird sie gefragt, ob die EZB dem Schritt der US-Notenbank, ihr Anleihekaufprogramm zu reduzieren, folgen sollte. Dieser Frage weicht Boone aus und verweist auf die „hochkomplexe Situation“, für die es kein historisches Vorbild gäbe.

Die Ökonomin geht eher davon aus, dass der Höhepunkt der Inflation schon erreicht ist oder bald erreicht sein wird. „Nach der Pandemie war es für die Verbraucher einfacher, schnell wieder mehr Geld auszugeben, als für die Unternehmen, wieder mehr Produkte oder Dienstleistungen anzubieten. Das hat zu diesem Ungleichgewicht geführt, das die Preise treibt. Eine besondere Rolle spielen zudem die stark gestiegenen Energiepreise. Wenn die sich wieder normalisieren, sollte die Inflation auf mittlere Sicht nicht allzu stark werden.“

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Lohnentwicklung im Auge behalten

Allerdings räumt Boone ein, dass die Lohnentwicklung sorgfältig beobachtet werden müsse. „Bislang haben wir Lohnsteigerungen insbesondere im Niedriglohnsektor und in der Logistikbranche gesehen, also in Bereichen, wo sie durchaus wünschenswert sind. Die Frage ist jetzt, ob das ein Einmaleffekt ist oder zu einem dauerhaften Trend führt.“

Tatsächlich verstärkt auch der demografische Wandel die Inflation: Denn weniger Erwerbstätige stehen zur Verfügung, was die Löhne, und in deren Folge auch die Preise, steigen lässt. „Wir sehen in der Tat, dass die Beschäftigung ab einem Alter von 60 drastisch zurückgeht. Gleichzeitig ist die Lebenserwartung in vielen Ländern auf etwa 80 Jahre gestiegen. Das passt nicht mehr zusammen, schließlich sind die meisten von uns ja auch nicht schon mit 16 ins Berufsleben eingestiegen“, so die OECD-Chefökonomin. Ein Ausweg daraus aus ihrer Sicht: Erhöhung der Lebensarbeitszeit auf 70 Jahre. Von Ausnahmen für körperlich schwer arbeitende Menschen - etwa in der Pflege, im Baugewerbe oder im Handwerk - war keine Rede.

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