René Schoenauer: Vermittler und Makler können besonders in den Punkten Kundennähe und Kundenerfahrung punkten. Um das Vertrauen der Versicherten zu stärken, sollten sich Versicherer zusammen mit ihren Vertrieben künftig deshalb auch an die Produktpräferenzen ihrer Kunden anpassen. Diese haben sich während der Pandemie verändert: Krankenversicherungen (43%), Reiserücktrittspolicen (38%) sowie die Absicherung gegen Arbeitsplatzverlust (37%) sind den Versicherungsnehmern inzwischen deutlich wichtiger. Zudem steigt das Bedürfnis sich gegen Zahlungsausfälle abzusichern. Prinzipiell gilt es also, schnell auf sich ändernde Marktbedingungen zu reagieren. Agilität und Innovationskraft halten Vermittler und Makler am Puls der Zeit und damit nahe am Kunden, wodurch sie das volle Marktpotential ausschöpfen können und die Zufriedenheit der Kunden langfristig steigern.

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Ihre Studie hat auch Defizite in der Kundenkommunikation der Versicherer aufgedeckt. Können Sie sagen, welche Defizite und wo die Branche noch Nachholbedarf hat?

Das stimmt. Die Mehrheit der Befragten in allen drei Ländern ist sich einig, dass der Versicherer zu wenig kommuniziert. In ihren Augen liegt die Informationspflicht vor allem auf Seiten der Versicherungsanbieter wie im eben genannten Beispiel des Versicherungsschutzes im Homeoffice. Andererseits sollten Versicherte auch einfach mit ihren Maklern und Vermittlern kommunizieren können. Hier kommt das Omnikanal-Konzept zum Zug: Die nahtlose Kommunikation über verschiedene Kanäle hinweg, ohne dass dabei Informationen verloren gehen. Gerade im Schadenfall ist es immens wichtig, sensibel und angemessen mit dem Versicherten zu kommunizieren. Läuft die Kommunikation reibungslos ab, fördert das die Customer Experience und wirkt sich positiv auf die Kundentreue und Weiterempfehlungsrate aus.


Wenn ich die Ergebnisse Ihrer Studie richtig interpretiere, wünschen sich die Kunden im Schadenfall, den Versicherer auf vielen Kanälen erreichen zu können: das Telefon steht als Kontaktkanal mit 60 Prozent Zustimmung an erster Stelle. Welche Rolle räumen Sie hier persönlichen Ansprechpartnern ein? Besteht die Gefahr, dass die Versicherer zu einseitig auf digitale Kontaktkanäle setzen?

Im Schadenfall greifen tatsächlich die meisten Versicherten am liebsten zum Telefon, aber auch die E-Mail-Kommunikation ist vorne mit dabei. Die digitalen Kontaktkanäle wie Mobile Apps oder virtuelle 1:1-Meetings, wie zum Beispiel über Zoom, sind für knapp ein Drittel der Befragten ebenso interessant. Essenziell dafür ist, dass dem Versicherer die nötigen Informationen vorliegen, um dem Versicherten zu helfen – und das funktioniert, bestätigen zwei Drittel der Befragten. Den Wandel zu verstärkt digitalen Kontaktkanälen würde ich keinesfalls als Gefahr sehen, sondern als natürliche Folge veränderter Kommunikationsgewohnheiten. Wichtig ist, dass jeder Kunde die Art der Kommunikation nach der persönlichen Vorliebe auswählen kann. Und eines ist sicher: Trotz neuer Kommunikationskanäle und dem zunehmenden Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Kundenkommunikation wird der persönliche Kontakt zum Kunden weiterhin wichtig sein.

Welche Themen bieten sich aus Ihrer Sicht für eine proaktive Ansprache der Kundinnen und Kunden an? Haben Sie Beispiele?

Vermittler sollten beispielsweise ein Augenmerk auf die individuelle Situation ihrer Kunden legen. Nehmen wir einmal das Beispiel Berufstätigkeit: Viele arbeiten inzwischen größtenteils von zu Hause aus und das wird sich auch nach der Pandemie nicht mehr wirklich ändern, da zahlreiche Arbeitsgeber bereits auf hybride Arbeitsmodelle setzen. Doch drei von fünf Deutschen wissen noch nicht, ob Arbeiten im Homeoffice mit ihrer Hausratversicherung abgedeckt ist. Welcher Versicherungsschutz zum Beispiel in den eigenen vier Wänden gilt, sollten Versicherer proaktiv an ihre Kunden vermitteln, anstatt es den Versicherten zu überlassen, diese Informationen zu erfragen. Neun von zehn Deutschen finden, dass Versicherer gegenüber Versicherungsnehmern wesentlich deutlicher herausstellen müssen, für welche Risiken diese zum Beispiel bei der Arbeit von zu Hause aus versichert sind und für welche nicht.

Individuelle Dienstleistungen zur Schadenprävention sind vor allem für Versicherte zwischen 25 und 34 Jahren interessant (84%). Sie würden es schätzen, wenn Versicherer Warnungen zu Problemen senden, damit sie Schäden vermeiden können. Je älter ein Versicherungsnehmer ist, umso geringer ist das Interesse an derartigen Leistungen, doch auch in der Altersgruppe ab 55 Jahren sind es noch 68 Prozent. Und die Möglichkeiten dafür sind quasi grenzenlos: Es bietet sich zum Beispiel an, Kfz-Prämien am tatsächlichen Verbrauch oder Fahrstil festzumachen, oder mit Hilfe von Smart Home Devices die Versicherungen im Eigenheim abhängig von risikorelevanten Parametern anzupassen.


…ihre Vermutungen: Warum wird die proaktive Ansprache von den Versicherern noch nicht so umfangreich genutzt, wie der Kunde dies wahrscheinlich wünscht?

Häufig fehlt schlichtweg die Zeit im regulären Versicherungsalltag proaktiv auf Kunden zuzugehen, die gerade keine Anfrage stellen. Dies zeigt sich beispielsweise seit Jahren, wenn es um die Kfz-Versicherung geht. Zum Jahresende, wenn die Angebote erneuert werden können, leisten Vermittler und Makler oft wochenlang Überstunden. Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz können Versicherer ihren Alltag vereinfachen. Zum Beispiel könnte KI bei einfachen Schäden den Vermittler entlasten, indem der Schaden über einen Chatbot gemeldet und schnell automatisiert bearbeitet wird. Die getroffenen Entscheidungen sollten nachvollziehbar bleiben und Intransparenz vermieden werden. Mit der Nutzung fortschrittlicher Technologie und proaktiver und empathischer Kundenkommunikation können Makler, Vermittler und Versicherer also gemeinsam an einer positiveren Kundenansprache arbeiten. Auf diese Weise lässt sich die Customer Journey nachhaltig optimieren, was dem Image der Versicherungsbranche langfristig einen positiven Schub verleiht.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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