Die Deutschen als Volk von Aktionären! Das wünschen sich nicht nur Anlage- und Vermögensberater. Vielmehr wäre in Zeiten kriselnder Altersvorsorge auch Verbraucherschützer und so mancher Politiker glücklich darüber, wenn deutsche Bürger mehr Mut zur Börse hätten. Das zeigen auch Pläne der aktuellen Wahlprogramme wie Bürgerfonds (Grüne) oder Aktienrente (FDP). Doch ach: Die Deutschen machen noch immer – trotz Null- und Niedrigzinsen, einen anderen Ruf alle Ehre: Nämlich Weltmeister des Sparens zu sein. Die Deutschen horten Geld und verlieren dabei durch Niedrigzins und Inflation jede Menge Vermögen, wie erst kürzlich eine Auswertung des Marburger Professors Oscar A. Stolper im Auftrag von Union Investment ergab (Versicherungsbote berichtete).

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Nur zaghaft steigt der Mut zur Börse

So lagern die Deutschen knapp zwei Billionen Euro an Bargeld auf Giro- und Tagesgeldkonten. Der Anteil dieser Anlageklasse am Gesamtvermögens-Portfolio der Deutschen liegt bei 28,7 Prozent. Hinzu kommen 11,7 Prozent, die Deutsche in Termin- und Spareinlagen investieren. Immer größer wird in Zeiten niedriger Zinsen also der Anteil von niedrig- bis negativverzinsten Anlageklassen – ein paradoxer Befund, der auch dazu führt, dass der Anteil des Kapitalzuwachses am Vermögenszuwachs stetig abnimmt.

Und Aktien? Der Anteil von Aktieninvestments am Gesamtfinanzvermögen der Deutschen stieg in 2020 um 0,7 Prozentpunkte auf 11,6 Prozent an – dieser Wert ist immerhin der beste seit zwölf Jahren. Recht zaghaft steigt demnach der Mut der Deutschen zu anderen Anlageklassen – und damit die Hoffnung derer, die auf einen größeren Anteil aktienbasierter Geldanlagen im Vermögens-Portfolio der Deutschen setzen.

Ein Indexwert lässt jubeln?

Da kommt eine Studie aus Marburg daher, die Aufsehenerregendes verkündet: Anlageformen mit Aktienfokus erfreuen sich in Deutschland immer größerer Beliebtheit. Die Studie präsentiert den Deutschen Geldanlage-Index, der regelmäßig erhoben wird durch das Deutschen Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA). Der Index kann einen Wert zwischen minus hundert und hundert erreichen und soll die Haltung gegenüber aktienbasierten Anlageformen unter den Deutschen abbilden – regelmäßig wird er aktualisiert und zeigt demnach Anlagetrends auf.

Und die Experten aus Marburg freuen sich: Hatte der Index schon im Winter einen guten Wert von 41,1 Indexpunkten erreicht – wenngleich mit leichtem Trendrückgang aufgrund von Corona – mauserte er sich jetzt bis zum Sommer 2021 auf einen Höchstwert. Bei 46,7 Indexpunkten liegt er. Der Teilindex für die zukünftige Erwartung schafft es gar auf 49,5 Indexpunkte. Ist also der Jammer über die Aktienscheu der Deutschen unbegründet?

Bürger und Vermögensberater: Wer für den Index in die Pedalen tritt

Und dies einzuschätzen, lohnt sich zunächst ein Blick darauf, wie der Index zustande kommt. Grundlage ist eine repräsentative Online-Umfrage: Eine Tandemumfrage, die Meinungen und Erwartungen zum Anlage- und Vorsorgeverhalten der Deutschen erfragen will. Die Umfrage beinhaltet regelmäßig eine Vielzahl an (auch variierenden) Themen. Der Geldanlage-Index ist nur ein Bestandteil dieser umfangreicheren Studie.

Für den Index sind vier Fragen ausschlaggebend, die sich konkret auf die Beliebtheit aktienbasierter Anlageformen beziehen. Und wesentlich ist nun, wer für die Umfrage auf das „Tandem“ steigt:

  • Da sind – auf der einen Seite – 2.065 repräsentative Bürger.
  • Auf der anderen Seite aber ergänzen 800 Mitglieder des Bundesverbands Deutscher Vermögensberater (BDV) das Umfrage-Gespann. Der Draht dahin ist kurz: Das DIVA-Institut ist das Forschungsinstitut des BDV (nicht zu verwechseln mit dem verbrauchernahen Bund der Versicherten), wodurch es auch personelle Überschneidungen mit der Deutschen Vermögensberatung AG (DVAG) gibt.

Nun spricht dies natürlich nicht gegen das Umfrage-Design. Aber dennoch muss bedacht werden: In den Wert geht jede Menge Zweckoptimismus der Branche mit ein. Das wird anschaulich, wenn man die Einzelwerte des Zweiergespanns für die Tandemumfrage gegenüber stellt.

Die Werte kommen wie folgt zustande. Bürger und Experten (BDV-Mitglieder) müssen Fragen beantworten betreffs der „aktuellen Lage“ aktienbasierter Anlageformen. Die Auswahl der Bürger ist repräsentativ. Jedoch sind unter den Bürgern auch Kunden der Vermögensberater. Die erste Frage an die Bürger lautet: „Halten Sie aktienbasierte Anlageformen für Ihr langfristiges Sparen (eher) für attraktiv oder unattraktiv?“ 45,9 Prozent der Bürger antworten mit (eher) attraktiv, 36,4 Prozent der Bürger mit „weiß nicht“, 17,6 Prozent der Bürger mit (eher) unattraktiv.

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Die zweite Frage zum „Ist-Zustand“ der Geldanlage lautet: Halten die Bürger in Deutschland Ihrer Meinung nach aktienbasierte Anlageformen für Ihr langfristiges Sparen (eher) für attraktiv oder unattraktiv? Hier antworten 39,8 Prozent mit „attraktiv“, 39,3 Prozent der Bürger mit „weiß nicht“ und 20,9 Prozent der Bürger mit „eher unattraktiv“. Die Verteilung der Antworten zwischen „Attraktivität“ und „Neutralität“ oder „Skepsis“ zeigt bei den befragten Bürgern also keine eindeutige Tendenz.

Wesentlich erfreulicher antworten die Experten

Wesentlich erfreulicher antworten die Experten, sprich: Die Mitglieder des Interessenverbands der Vermögensberater. Die ihnen vorgesetzten Fragen variieren leicht. Frage eins lautet: „Halten Ihre Kunden für ihr langfristiges Sparen aktienbasierte Anlageformen (eher) für attraktiv oder unattraktiv?“

Und in der Tat: hohe 89,1 Prozent der befragten BDV-Mitglieder geben an, die Kunden hielten aktienbasierte Anlageformen „eher für attraktiv“. Einige scheinen dennoch die Einstellung der Kunden nicht gut einschätzen zu können: 7,7 Prozent antworten mit „weder-noch/ weiß nicht“. Und nur 3,2 Prozent der Kunden finden aus Sicht der Experten, dass aktienbasierte Anlageformen „eher unattraktiv“ seien.

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Größere Skepsis freilich herrscht bei den Vermögensberatern, wenn man nach der Einstellung der Gesamtbevölkerung fragt. Denn Frage zwei lautet: "Halten die Bürger in Deutschland (also nicht nur Ihre eigenen Kunde) Ihrer Meinung nach aktienbasierte Anlageformen für Ihr langfristiges Sparen (eher) für attraktiv oder unattraktiv?" Für 60,6 Prozent der BDV-Experten halten die Bürger allgemein die Anlageform für „eher attraktiv, 23,0 Prozent der Experten antworten mit „weder-noch/ weiß nicht“. Und 16,4 Prozent der Experten finden, die Bürger finden die Anlageform unattraktiv.

Frage nach zukünftigen Erwartungen: Die Bürger-Mehrheit liebt den Status Quo

Variierender Optimismus zeigt sich auch bei der Frage nach den zukünftigen Erwartungen: Der große Teil der Bürger will am jetzigen Verhalten festhalten, wenngleich die Zahlen leicht zum Optimismus einladen. So lautet eine Frage an die Bürger: „Gehen Sie davon aus, dass sich Ihr langfristiges Sparen in aktienbasierte Anlageformen in den nächsten 1 bis 3 Jahren verändern wird?“ Gegenüber dem Winter 2020/2012 steigt der Trend zu aktienbasierten Anlageformen tatsächlich leicht: Statt 33,7 Prozent (Winter) antworten nun 37,2 Prozent (Sommer), sie wollen das Sparen über aktienbasierte Anlageformen aufnehmen bzw. ausweiten. Der größte Teil der Befragten freilich – 61,0 Prozent – möchte sein Anlageverhalten „nicht (gravierend) verändern“.

Allerdings muss zu diesem Befund gesagt werden: Da er nur nach einer Veränderung fragt, ist nicht ersichtlich, ob Antwortende mit dem „neutralen Befund“ nicht schon bei aktienbasierten Anlageformen engagiert sind. Aber natürlich variiert auch hier bei den Bürgern wieder der neutrale Befund, während bei der Befragung der BDV-Experten 71,6 Prozent antworten, ihre Kunden würden entweder mit aktienbasierten Anlageformen beginnen oder diese ausweiten. Der Optimismus der Experten steht auch hier wieder der überwiegende Wunsch der Bürger gegenüber, nichts zu verändern.

Methodik der Index-Auswertung: Die Wahrheit liegt in der Mitte

Wenn man alle Fragen nun in Indexwerte übersetzt, zeigt sich zunächst, wer bei dem Umfrage-Tandem optimistischer in die Pedalen tritt. Vorausgesetzt ist: Je höher der Indexwert, desto größer die Beliebtheit aktienbasierter Anlageformen:

  • Der Indexwert der Bürgerbefragung für die aktuelle Lage steigt tatsächlich: von 21,7 Punkten im Winter 2020/2021 auf 23,6 Punkte im Sommer 2021. Der Index zeigt also eine leicht verbesserte Einstellung der Bürger gegenüber aktienbasierten Anlageformen.
  • Auch der Indexwert für die künftige Erwartung verbessert sich – von 27,7 Punkten auf 31,6 Punkte. Die Tendenz der Aktienbeliebtheit zeigt also auch bei der Bürgerumfrage aufwärts.

Wesentlich günstiger aber sind die Indexwerte der Experten:

  • Von 53,6 Punkten im Winter 2020/2021 steigt der Indexwert auf 64,3 Punkte im Sommer 2021.
  • Und für die künftige Erwartung steigt der Index von 61,4 Punkten auf 67,5 Punkte. Auch hier also: Es geht bei den Erwartungen der BDV-Mitglieder bergauf.

Die Studie gibt Grund… zum vorsichtigen Optimismus

Somit treffen sich hier beide Studien – die Studie im Auftrag von Union Investment und die Studie des DIVA-Instituts: Es geht bei den Aktien leicht aufwärts, aber bei der Mehrzahl der befragten Bürger überwiegt eine abwartende Haltung. Denn wenn der Tandem-Gesamtindex für den Ist-Zustand bei guten 43,9 Punkten liegt (gegenüber 37,7 Punkten im Winter), setzt er sich aus einen Punktwert von doch verhaltenen 23,6 Punkten für die Bürger und von hohen 64,3 Punkten für die Experten zusammen.

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Und der noch bessere Wert für die künftige Erwartung von 49,5 Punkten (gegenüber 44,6 Punkten im Winter) setzt sich aus einen Einzelindex von 31,6 für die Bürger und 67,5 für die BDV-Mitglieder zusammen. Es gibt also mit Blick auf den DIVA-Geldanlage-Index Grund zur leichten Hoffnung, dass der Trend zu Aktien zunimmt. Einen Boom allerdings oder einen zukünftigen Run der Bürger auf aktienpassierte Geldanlagen ist auch anhand der DIVA-Studie noch nicht abzusehen. Die Ergebnisse werden anhand eines Chartbook auf der Webseite des Instituts präsentiert.

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