Deutsche haben den Ruf, die Weltmeister im Sparen zu sein. Und sie machen ihrem Ruf auch in Corona-Zeiten alle Ehre: In 2020 stieg die Sparquote der Deutschen von 10,9 auf 16,2 Prozent. So wuchs auch das Geldvermögen auf einen Rekordwert: Von 6,5 Billionen Euro in 2019 auf sieben Billionen Euro in 2020. Und doch bedeuten solche Zahlen in Zeiten des Niedrigzins einen hohen realen Verlust an Vermögen und Kaufkraft, wie eine aktuelle Auswertung des Marburger Professors Oscar A. Stolper im Auftrag von Union Investment zeigt. Denn noch immer, trotz Null- und Minuszinsen, setzen die Sparer auf Zinsprodukte.

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In Zeiten des Niedrigzins setzen Deutsche – auf Zinsprodukte

So haben Bargeld und Sichteinlagen ihren soliden Anteil an der Zunahme des Geldvermögens: Knapp zwei Billionen Euro an Bargeld lagern Deutsche 2020 auf Giro- oder Tagesgeldkonten – rund 229 Milliarden Euro mehr als noch 2019. Der Anteil dieser Anlageklasse am Gesamtvermögens-Portfolio der Deutschen liegt bei 28,7 Prozent. Hinzu kommen 11,7 Prozent, die Deutsche in Termin- und Spareinlagen investieren. Immer größer wird in Zeiten niedriger Zinsen also der Anteil von niedrig- bis negativverzinsten Anlageklassen – ein paradoxer Befund, der auch dazu führt, dass der Anteil des Kapitalzuwachses am Vermögenszuwachs stetig abnimmt.

Vermögenszuwachs nur noch durchs Sparen

Denn da viel Geld in Anlagen ohne Rendite fließt, wächst Vermögen überwiegend nur noch, weil Geld nicht ausgegeben wird. Die Entwicklung ist erschreckend deutlich, wenn man für die Jahre 2011 bis 2020 den Vermögenszuwachs unterteilt in Kapitalerträge und Zuwachs durch Sparen. In 2011 stammten noch 87 Prozent des Vermögenszuwachses aus Erträgen, hingegen verdankten sich damals nur 13 Prozent der Sparleistung. In 2014 war dann der Anteil der Sparleistung schon höher als jener der Erträge: 42 Prozent an Kapitalzuwachs standen 58 Prozent Vermögenszuwachs durch Sparen gegenüber. Und in 2020? Da hat sich das klare Verhältnis aus 2011 fast umgekehrt. Denn während nun 81 Prozent des Vermögenszuwachses durch Sparen zustande kommen, leisten Erträge nur noch den geringen Anteil von 19 Prozent an der Vermögenszunahme.


Sichteinlagen: In drei Jahren rund 79 Milliarden Euro Verlust

Was dies bedeutet, wird anhand der Realverzinsung deutlich – diese wird aus der Differenz von Nominalzins und Inflationsrate berechnet. Für Sichteinlagen – Guthaben, über welches sofort via Scheck oder Überweisung verfügt werden kann – war bereits in den letzten 20 Jahren die Realverzinsung fast durchweg negativ, stellt Professor Stolper heraus. Allein zwischen 2017 und 2020 hätten Sparer mit Geld in Sichteinlagen etwa 79 Milliarden Euro an Kaufkraft verloren.

Für den einzelnen Sparer veranschaulicht eine Beispielrechnung, was eine Geldanlage in Anlageklassen mit niedrigen Zinsen bedeutet: Wer 10.000 Euro bei einer Inflationsrate von zwei Prozent und einem Zinssatz von null Prozent anlegt, verliert im Laufe einer Dekade rund 1.797 Euro an Kaufkraft – und damit annähernd ein Sechstel seines Vermögens. Der Experte resümiert: „Sparern, deren Geldanlage stark zinsabhängig ist, steht ein realer Vermögensverlust bevor, den viele so noch nicht kannten.“

Leicht steigende Tendenz bei Aktien

Was aber tun gegen das Zins-Dilemma? Experten raten immer wieder, stärker in Fonds oder Aktien zu investieren. Denn wenngleich es immer wieder zu Schwankungen an den Börsen kommt – im März 2020 zum Beispiel stürzte der Deutschen Aktienindex (DAX) aufgrund der Corona-Pandemie um 5.000 Punkte ab und landete bei einem Mehrjahrestief von 8.256 Punkten – zahlt sich Beharrlichkeit aus: Statistiken offenbaren immer wieder, dass lange gehaltene Geldanlagen an den Börsen häufig positive Renditen bedeuten.

Ein Orientierungspunkt könnten jene 6,5 Prozent Rendite sein, mit denen Prof. Dr. Martin Werding von der Ruhr-Universität Bochum die Auswirkungen einer FDP-Aktienrente prüft (Versicherungsbote berichtete). Selbst die Stiftung Warentest rät Sparern zu mehr Engagement an der Börse: Bei einem Anlagehorizont von 20 Jahren oder länger könne auch ein sicherheitsorientierter Anleger in sein Vorsorge-Portfolio „getrost Aktien beimischen“ (Versicherungsbote berichtete).

Und diesbezüglich herrscht auch beim Marburger Professor Stolper leichter Optimismus: Der Anteil von Aktieninvestments am Gesamtfinanzvermögen der Deutschen stieg um 0,7 Prozentpunkte auf 11,6 Prozent an. Trotz der Dominanz der Niedrigzins-Produkte ist das immerhin der beste Wert seit zwölf Jahren:


Hinzu kommen 10,5 Prozent des Vermögens, die Deutsche in Investmentfonds halten. Wenngleich solche Zahlen die Nation der Sparer noch nicht zu einer Nation der Aktionäre machen, weist die Tendenz dennoch leicht nach oben, wie die Auswertung von Union Investment zeigt.

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