Nachhaltigkeitsrücklage soll angehoben werden

Eine weitere Forderung: Die Nachhaltigkeitsrücklage in der Rentenversicherung solle angehoben werden. Seit einer Gesetzreform 2004 ist hier ein unterer Wert von 0,2 Monatsausgaben vorgesehen: wird diese zum Jahresende unterschritten, muss der Renten-Beitragssatz angehoben werden. Hier sei die Rücklage zu sehr auf Kante genäht, bemängelt der DGB: auch, weil Einnahmen und Ausgaben der Rentenkasse unterjährig schwanken. Die Mindestrücklage solle auf 0,4 Monatsausgaben angehoben werden.

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Zu ergänzen wäre hier, dass die Rentenversicherung aktuell gut dasteht: trotz Coronakrise. „Die guten Jahre vor der Krise haben uns eine relativ hohe Nachhaltigkeitsrücklage von aktuell rund 35 Milliarden Euro beschert. Sie wurde 2020 um rund vier Milliarden Euro abgebaut. Der Rückgang war aber deutlich kleiner als noch vor einem Jahr erwartet“, sagt Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, in einem heute veröffentlichten Interview. „Wir werden die Rücklage auch in diesem Jahr abbauen müssen, aber nicht so stark, dass wir von einer Schieflage sprechen könnten. Bis 2025 können wir nach heutigem Stand beide Haltelinien halten: Der Beitragssatz wird nach den Prognosen nicht über 20 Prozent steigen und das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent sinken“, sagt Roßbach.

DGB fordert Anerkennung von DDR-Härtefällen bei Rentenüberleitung

Ein weiteres Thema, das den Gewerkschaftern unter den Fingern brennt: Defizite bei der Anerkennung von DDR-Renten, nachdem sie in westdeutsches Recht überführt worden. Ganze Berufsgruppen seien davon betroffen, dass ihre damalig erworbene Zusatzversorgung nicht anerkannt werde: etwa Beschäftigte der Reichsbahn, im medizinischen Dienst, der Braunkohleveredelung. Aber auch in der DDR Geschiedene, Spätaussiedler oder Kontigentflüchtlinge: etwa vietnamesische oder albanische Bootsflüchtlinge. Zuletzt wurde im Sommer über einen Härtefallfonds verhandelt: Der DGB wünscht sich, dass er noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt wird. Doch nach Informationen des MDR könnten 98 Prozent der Betroffenen leer ausgehen. Demnach sollen nur "echte Härtefälle" Geld aus dem Fonds bekommen: jene mit Minirenten unterhalb der Grundsicherung.

Der Hintergrund: in manchen wichtigen Berufen waren die Löhne in der DDR sehr niedrig: etwa bei Krankenschwestern, Altenpflegerinnen, Bergbaukumpel oder Hebammen. Deshalb erließ der Staat 1979 eine Verordnung, um deren Rentenansprüche anzuheben. Als im Zuge des Rentenüberleitungsgesetzes diese Regeln an bundesdeutsches Recht angepasst wurden, wurde die Zusatzversorgung jedoch gestrichen bzw. nur für Rentner bis 1995 gezahlt. Viele, die damals anstrengende und zehrende Jobs hatten, müssen heute mit Mini-Renten von wenigen hundert Euro leben.

Rentenniveau beschönigt?

Letztendlich mahnt der DGB, das Rentenniveau nicht künstlich schönzurechnen. Und verweist darauf, dass die Rentenanpassungen anhand der Lohnentwicklung berechnet werden. Der DGB schreibt: "Die Rentenerhöhung wird anhand der Rentenanpassungsformel sowie vielfältiger Übergangs- und Schutzmechanismen berechnet. Zentral für die Rentenanpassung ist die Lohnentwicklung. Die Lohnentwicklung ist dabei eine komplexe Mischung aus der Bruttolohnentwicklung des Vorjahres (2020) nach den Daten des Statischen Bundesamtes und der Differenz der versicherungspflichtigen Entgelte des Vor-Vorjahres (2019) zu den Bruttolöhnen des Statischen Bundesamtes im gleichen Jahr (2019). (...) Die komplexen Rückwirkungen sind selbst für eingeweihte kaum noch nachvollziehbar beziehungsweise vorhersehbar".

In diesem Jahr spielen bei der Rentenanpassung zwei Sondereffekte eine Rolle, schreibt der Verband:

  • einerseits durch das Kurzarbeitergeld infolge der Coronakrise. Die Löhne nach Statistischem Bundesamt seien aufgrund der Kurzarbeit leicht gesunken. Denn Kurzarbeit bedeutet weniger Lohn, da das Kurzarbeitergeld nicht eingerechnet wird. Die eigentlichen Einkommen der Beschäftigten inkl. Kurzarbeitergeld seien aber gar nicht gesunken, das spiele folglich bei der Rentenhöhung 2021 keine Rolle.
  • Erstmals beziehe die Rentenversicherung in die Statistik rund eine Million Menschen mit ein, die bereits die Regelaltersgrenze überschritten haben und einem Minijob bis 450 Euro haben. „Die Zahl der Beschäftigten hat sich nicht verändert. Aber sie werden nun statistisch mit einbezogen, so dass die beitragspflichtigen Entgelte in 2019 rechnerisch kaum gestiegen sind. Sie sind daher statistisch um etwa zwei Prozentpunkte langsamer gestiegen als die vom Statischen Bundesamt ermittelten Löhne“, argumentiert der DGB. Da in den Lohnfaktor diese Differenz eingehe, weiße die maßgebliche Lohnentwicklung insgesamt ein Minus von rund 2,3 Prozent aus.

"Diese beiden Sondereffekte erwecken den Eindruck, die Löhne seien massiv gesunken. Tatsächlich sind es aber statistische Effekte. Die eigentlichen maßgeblichen Entgelte der Versicherten sind in 2020 sogar leicht gestiegen. Auf der Grundlage wäre sogar eine Rentenerhöhung angezeigt", argumentiert der Verband.

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Letztendlich würden sich diese Effekte sowohl auf den Nachhaltigkeitsfaktor auswirken als auch auf den Rentenfaktor selbst. Das Sicherungsniveau vor Steuern werde bis 2025 um einen Prozentpunkt zu hoch ausgewiesen: und liege bei nur 47 Prozent. Entsprechend solle die Bundesregierung die Anpassungsformel zur Berechnung der Renten korrigieren. "Findet dies nicht statt, dann setzen sich Regierung und insbesondere die CDU/CSU-Fraktion zu Recht dem Vorwurf aus, dass sie das Rentenniveau schön rechnen wollten", schreibt der DGB.

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