Derzeit bereitet die Bundesregierung eine Rentenreform vor, die eine Antwort darauf finden soll, dass in Deutschland immer mehr Rentnerinnen und Rentner auf immer weniger Beitragszahler kommen. Das setzt nicht nur das Umlageverfahren der gesetzlichen Rente unter Druck, wonach vereinfacht jeder eingenommene Euro -abgesehen von Notreserven- sofort wieder ausgegeben wird. Es bedeutet auch, dass dem deutschen Arbeitsmarkt viele Fachkräfte verloren gehen. „Rentenpaket II“ ist das Reformprojekt überschrieben und sollte eigentlich noch in diesem Sommer als Gesetzentwurf vorliegen.

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In diese Debatte hat sich nun der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz eingeschaltet. „Rentenpolitik ist auch Wirtschaftspolitik“ ist ein an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck adressierter Brief überschrieben. Das beratende Gremium findet mahnende Worte: Und bittet Habeck darum, mehrere Vorschläge in die Ressortabstimmung der kommenden Gesetzesnovellen einzubringen. Bisher sind noch nicht alle Details zum geplanten Rentenpaket öffentlich: Aber der Beirat macht deutlich, dass er die geplanten Veränderungen für unzureichend hält, um die Rente zukunftsfest zu machen.

Rentenniveau nicht für alle Einkommensgruppen sichern

Ein wichtiger Punkt im Rentenpaket II ist das sogenannte Generationenkapital: Die gesetzliche Rentenversicherung soll einen Kapitalstock erhalten, um künftige Beitragszahler ab Mitte der 30er Jahre zu entlasten. Doch darüber hinaus sind offenbar wenige Reformen geplant. Stattdessen soll das Mindestsicherungsniveau dauerhaft bei 48 Prozent gesichert werden, so geht aus dem Brief des Beirats hervor. Für das Sicherungsniveau wird die Nettorente eines so genannten Standardrentners (das ist ein Rentner mit 45 Beitragsjahren als Durchschnittsverdiener) ins Verhältnis zum jeweils aktuellen Nettoarbeitsentgelt eines Durchschnittsverdieners gesetzt.

Weil die Gesellschaft altert, werden aber die „Rentenausgaben in den nächsten Jahren deutlich und dauerhaft steigen“, heißt es in dem Papier. Um diese Mehrausgaben zu finanzieren, sehr die derzeitige Gesetzeslage derzeit ausschließlich die Erhöhung des Bundeszuschusses vor. In einem Gutachten von 2021 habe der Beirat ausgerechnet, dass damit schon in den 2040er Jahren mehr als die Hälfte des Bundeshaushaltes in die Renten fließen würde. Die Gefahr sei groß, dass dadurch die Finanzierung von Zukunftsaufgaben verdrängt werde, etwa der soziale und ökologische Umbau der Wirtschaft sowie Investment in Bildung und Infrastruktur.

Der aktuelle Koalitionsvertrag sage aber nicht, für welche Einkommensgruppen das Mindestsicherungsniveau gelten soll, argumentieren die Berater: und sehen darin ein Schlupfloch für Korrekturen. Der Beirat empfiehlt, hier Prioritäten zu setzen und warnt eindringlich davor, diesen Passus des Koalitionsvertrags auf alle Einkommensgruppen zu beziehen. Welche Eingriffe ergriffen werden sollen, führen die Experten nicht aus. Aber denkbar ist, dass Rentenversicherte mit hohen Einkommen könnten weniger Rente im Verhältnis zu ihrem Nettoarbeitsentgelt zugesichert bekommen. Das würde ein Abrücken vom Äquivalenzprinzip in der gesetzlichen Rente bedeuten: Dieses besagt vereinfacht, dass jeder Euro an Beitrag den gleichen finanziellen Anspruch an monatlichen Renten nach sich zieht. Eine entsprechende Reform hat bereits Marcel Fratzscher vorgeschlagen, Chefökonom des DIW Berlin.

Rente mit 63 nicht mehr für alle Einkommen

Ein weiterer Reformschritt zielt darauf, Korrekturen bei der Rente mit 63 vorzunehmen. Aktuell machen 260.000 Personen pro Jahr davon Gebrauch, mit Hilfe dieser Regel vor Erreichen der Regelaltersgrenze abschlagsfrei in den Ruhestand zu wechseln, rechnet der Beirat vor. Das entspreche fast jedem dritten Eintritt in die Altersrente. „Damit gehen der Rentenversicherung nicht nur eine große Zahl von Beitragszahlenden verloren. Entgegen landläufiger Vorstellung wird sie überwiegend von gut ausgebildeten, überdurchschnittlich verdienenden und gesünderen Menschen in Anspruch genommen“, heißt es im Brief von Robert Habeck.

Unter den Frührentnern seien viele hochqualifizierte Fachkräfte, das verschärfe den demographisch bedingten Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt, heißt weiter es in dem Brief. Und weiter: „Die „Rente mit 63“ ist daher aus gesamtwirtschaftlicher Sicht eine höchst problematische Regelung. Wenn man sie nicht abschaffen möchte, empfiehlt der Beirat auch hier, Prioritäten zu setzen und sie nur denen zukommen zu lassen, die gesundheitlich und/oder einkommensmäßig weniger privilegiert sind“.

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Die Ökonomen begrüßen, dass die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag die kapitalgedeckte Altersvorsorge stärken will. Die Rolle der Kapitaldeckung trage zur „gesamtwirtschaftlichen Risikominimierung“ bei. Von einem öffentlich verwalteten Staatsfonds raten die Experten hingegen ab. „Die internationale Erfahrung zeigt, dass derartige Fonds unterdurchschnittliche Renditen abwerfen. Auch bei der vielzitierten schwedischen „Prämienrente“ wird der Defaultfonds AP7 in der ersten Säule privatwirtschaftlich verantwortet. Zudem hat Deutschland mit der Betriebsrente viele Modelle, die sich bewährt haben“, heißt es in dem Brief. Es gelte, die Betriebsrente zu stärken und mittels einer Standardbetriebsrente auf kleinere und mittlere Unternehmen auszuweiten. Der Brief ist auf den 13. Juli 2023 datiert und wurde auf der Webseite des Bundeswirtschaftsministeriums veröffentlicht.

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