Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz (BSRG) wollte die frühere Bundessozialministerin Andrea Nahles dazu beitragen, dass mehr Menschen eine Betriebsrente ansparen. Sie sollte dazu beitragen, dass gerade kleine und mittlere Unternehmen verstärkt Betriebsrenten anbieten. Für solche Firmen bedeutete es bisher ein existentielles Risiko, wenn sie nach der wirtschaftlichen Schieflage eines Altersvorsorge-Anbieters für die Höhe der Renten garantieren mussten. Nun werden die Arbeitgeber enthaftet: Folglich hoffte Nahles, dass gerade kleinere Unternehmen verstärkt das Tarifpartnermodell nutzen.

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Und so funktioniert es: Arbeitgeber und Gewerkschaften sollen sich gemeinsam an einen Tisch setzen und Betriebsrenten vereinbaren. Die Arbeitgeber werden enthaftet: Sie müssen nicht mehr wie bisher üblich für die Höhe der Renten einstehen. Mindest- und Garantiezusagen sind gegenüber den zukünftigen Rentnern sogar verboten. Im Gegenzug sollten die Gewerkschaften mehr Mitsprache erhalten. In Firmen, die Nahles-Renten anbieten, werden die Beiträge per Opt-out eingezogen: auch das soll zu einer weiteren Verbreitung beitragen. Widerspricht der Beschäftigte nicht explizit, nimmt er Teil.

Doch gerade diese Enthaftung ist ein Problem für viele Gewerkschafts-Vertreter. Sie fürchten, dass sie am Ende weit weniger Rente erhalten, als ihnen mit der Zielrente versprochen worden war. Denn genau das ist die Zielrente: ein Versprechen, keine Garantie. Und abhängig von der Entwicklung der Kapitalmärkte.

Zurich und Talanx kooperieren

Seither war es recht still geworden um die Reform. Die ersten Schritte hatten unter anderem die Versicherer Zurich und Talanx gemacht. Bereits im Februar 2018 hatten sich beide Unternehmen auf eine Zusammenarbeit geeinigt. Beide Gesellschaften wollten ihre Kräfte im Bereich der betrieblichen Altersversorgung bündeln und haben dazu ein Konsortium gegründet. Während die Zurich ihre Stärken bei der automatisierten Verarbeitung von Anträgen und Pflege bestehender Verträge einbringen will, möchte Talanx ihre Erfahrung bei der digitalen Steuerung von Beratungs- und Angebotsprozessen beisteuern.

Im Oktober 2018 stellten beide Partner das gemeinsame Produkt "Die Deutsche Betriebsrente" vor. Die Zielrente solle ohne Garantien auskommen und fuße auf einem kapitalmarkt-basierten Pensionsfonds. Etwaige Schwankungen sollen über Glättungs-Mechanismen abgefangen werden. Das Angebot soll baukastenartig aufgebaut sein und auch die Absicherung von biometrischen Risiken wie Invalidität und Tod ermöglichen. Dabei solle auf jegliche Risikoprüfungen verzichtet werden. Damit könnten auch Menschen einen Schutz vor biometrischen Risiken erhalten, die bisher als „unversicherbar“ galten.

Verhandlungsmarathon mit ver.di

Ein Jahr später - im Oktober 2019 - hieß es: Talanx, Zurich und ver.di starten erste Nahles-Rente. Doch aus dem vermeintlichen Start wurde ein Verhandlungsmarathon der Sozialpartner. Nun verkünden die Partner Talanx und Zurich sowie die Gewerkschaft unisono den Abschluss der Verhandlungen. Das ausgehandelte Vertragswerk rund um den Haustarifvertrag für rund 11.000 Talanx-Beschäftigte liege aktuell zur Prüfung bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Ab 1. Juli 2021 sollen die rund 11.000 Beschäftigten der Talanx Gruppe die betriebliche Altersversorgung (bAV) auch über die reine Beitragszusage abschließen können. Das geht aus einer Pressemitteilung hervor.

„Wir haben nach intensiven Verhandlungen mit Talanx und ver.di eine Blaupause kreiert, die ver.di auch auf andere Branchen in Deutschland anwenden kann. Mit dieser Blaupause existieren nun erstmals grundlegende Rahmenbedingungen, die von interessierten Arbeitgeberverbänden übernommen werden können, um mit diesem Durchführungsweg mehr Bürgern den Zugang zur bAV zu ermöglichen. Dies ist auch unser klares Signal in Richtung Politik.“, sagte Carsten Schildknecht, Vorstandsvorsitzender der Zurich Gruppe Deutschland.

„Dies ist ein Meilenstein für die Altersversorgung in Deutschland. Mit dem Sozialpartnermodell setzen wir auch in der bAV auf die Chancen des Kapitalmarkts. Für uns liegt darin enormes Zukunftspotenzial, sowohl für Privatkundinnen und Privatkunden als auch für unsere Firmenkunden, die in ihrer Belegschaft und auf dem Arbeitsmarkt mit attraktiven Angeboten punkten können.“, freute sich Christopher Lohmann, im Vorstand der Talanx Gruppe verantwortlich für den Geschäftsbereich Privat- und Firmenversicherung Deutschland.

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Damit ist endlich das erste Sozialpartnermodell in Deutschland in Aussicht. Ziel sei es nun, den Schwung der Verhandlungen mit ver.di aufzunehmen und weitere Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften von dem Zielrentenkonzept zu überzeugen. „Unsere Erwartung ist es, dass die Geringverdiener im Rahmen ihrer Anstrengungen um eine angemessene Altersvorsorge zusätzlich gestärkt und dynamisiert gefördert werden. Auch die Öffnung für Unternehmen ohne Zugang zu dieser tarifvertraglichen Lösung sollte konsequent vorangetrieben werden. Es gilt, die bisherige Komplexität der bAV durch Automatisierung und digitale Beratung weiter abzubauen.“, sagte Lars Golatka, Bereichsvorstand bAV bei Zurich.

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