Nicht nur erlaubt der Zugriff auf die Fahrdaten eines Fahrzeuges, ein Unfallgeschehen genauer zu rekonstruieren und aufzuklären. Er ermöglicht es auch, das Risiko und die Kosten einer Kfz-Versicherung genauer zu kalkulieren und den Kundinnen und Kunden individualisierte und passgenaue Angebote zu unterbreiten.

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Die Versicherungsbranche fürchtet, dass die Autobauer schon bald das Monopol über die Fahrzeugdaten haben könnten, um dann eigene Versicherungs-Tarife zu entwickeln. Unrealistisch ist das Szenario nicht, wie das Beispiel Tesla zeigt: Der Tech-Konzern bietet den Fahrerinnen und Fahrern in den USA bereits eigene Policen an. Firmenchef Elon Musk begründet das ausgerechnet mit der Datenhoheit: Man verfüge über bessere und genauere Daten als die Kfz-Versicherer. Hier geht es um nicht weniger als die eigene Existenz, denn ein innovativer Tech-Konzern wie Tesla könnte die Versicherer entbehrlich machen.

Treuhänder für die Daten

Die Allianz will dieses Problem lösen, indem sie die Daten in die Hände eines unabhängigen Datentreuhänders geben will, so macht sie auf dem Autotag deutlich. Darauf sollen dann Autobauer und Versicherer bei bestimmten Situationen gleichermaßen Zugriff haben. Auch Cyberangriffe sollen von den Treuhänder erfasst werden. "Eine solche Erfassung könnte ohne Übermittlung personenbezogener Informationen datenschutzkonform erfolgen. Die Erfassung der Cyberangriffe kann auch dazu dienen, die Schutzmechanismen weiterzuentwickeln und zukünftige Schäden zu vermeiden", heißt es hierzu im Pressetext.

Bei der Frage, wer die Sicherheit der IT-Technik vor Hackerangriffen gewährleisten muss, sieht die Allianz vor allem die Hersteller der Autos in der Verantwortung. "Es ist Sache der Hersteller, die ungestörte Funktion des Fahrzeugs und insbesondere seiner automatisierten Systeme sicherzustellen", schreibt der Versicherer. Es gehöre zur Risikosphäre des Autobauers, "für die dauerhafte Funktionsfähigkeit seiner Fahrzeugelektronik zu sorgen und diese vor Angriffen zu schützen". Folglich ist es für die Versicherer auch wichtig zu erfahren, ob ein Defekt oder gar Hackerangriff eines Unfallgegners für den Crash verantwortlich ist: Auch deshalb sei es notwendig, Zugriff auf die Fahrdaten zu haben.

Primäre Haftung des Fahrzeughalters bleibt bestehen

Dennoch ist nicht zu erwarten, dass autonomes Fahren die Kfz-Versicherung komplett umkrempeln wird, weil zum Beispiel die Autohersteller statt des Fahrers haften. Aus verständlichen Gründen: Ein unschuldiges Unfallopfer müsste unter Umständen einem Autobauer in einem langwierigen Gerichtsprozess nachweisen, dass tatsächlich ein Produktfehler oder eine unzureichende Wartung der elektrischen Systeme Ursache für den Schaden ist, bevor er entschädigt werden kann. Selbst dann greift die Produkthaftung der Hersteller nur beschränkt.

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"Wichtigste Säule ist die Gefährdungshaftung des Halters für jeden Schaden, der beim Betrieb eines Kfz passiert", hatte sich dementsprechend Allianz-Vorstand Joachim Müller bereits vor drei Jahren positioniert. Mit anderen Worten: Der Kfz-Haftpflichtversicherer des mutmaßlichen Unfallverursachers leistet zunächst für den entstandenen Schaden, bevor er Ansprüche gegen den Autohersteller prüft und ihn unter Umständen in Regress nimmt. Ähnlich hat sich in einem Gastbeitrag für den Versicherungsboten bereits Tibor Pataki positioniert, Rechtsanwalt und Leiter Kraftfahrtversicherung beim Versichererverband GDV.

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