Felix Hufeld, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), hat sich in einem Interview mit capital.de zur Situation der deutschen Lebensversicherungs-Branche geäußert. Angesichts anhaltend niedriger Zinsen, verschärft durch die Corona-Krise, wurde er gefragt, wie ernst der Branche derzeit sei.

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“Die Lebensversicherer – und übrigens auch die Pensionskassen – leiden natürlich arg unter den Niedrigzinsen. Einerseits wegen der enormen Langfristigkeit ihres Geschäfts. Andererseits, weil in Deutschland seit Jahrzehnten Verträge üblich waren, die weitreichende Garantiezusagen enthalten“, antwortet der Chefaufseher. Er ermuntere die Versicherer, im „Neugeschäft risiko- und zinsorientiert unter durchaus unter den 0,9 Prozent Höchstrechnungszins zu bleiben“, so Hufeld.

Niedrigzins existenziell bedrohend?

Konfrontiert wird der 59jährige Jurist durch den Interviewer mit einer früheren Mahnung der BaFin, dass die Lebensversicherungs-Branche maximal zehn bis 15 Jahre eine Phase extrem niedriger Zinsen durchhalte: Die Mahnung ist allerdings selbst bereits zwölf Jahre alt. Ein Umstand, der auf existentielle Nöte viele Lebensversicherer hindeuten könnte.

Hufeld sieht im Niedrigzins zwar weiterhin „eine große Herausforderung“, verweist jedoch auf die verpflichtend anzusparende Zinszusatzreserve: ein Finanzpuffer, der sich mittlerweile auf 75 Milliarden Euro summiert. Dennoch bleibe für die Branche das gerade die Anlageseite schwer. Die Zeiten seien endgültig vorbei, „in denen man sich sichere deutsche Staatsanleihen für 15 Jahre ins Depot legen konnte und damit eine auskömmliche Rendite erzielte“, so Hufeld. Die Versicherer müssten mehr ins Risiko gehen, um Kapitalerträge zu generieren.

Nicht jeder Lebensversicherer wird überleben

Aktuell seien gut 20 Lebensversicherer unter intensivierter Aufsicht der BaFin, berichtet Hufeld: Sie sind finanziell angeschlagen, müssen öfters an die Finanzaufsicht berichten sowie Maßnahmen entwickeln, um ihre Pflichten gegenüber Kundinnen und Kunden dauerhaft erfüllen zu können. Trotzdem sei aktuell kein Versicherer so bedroht, dass er akute Ausfälle erwarte.

Dennoch könnten einige Aussagen des BaFin-Chefs Verbraucherschutz und Sparer aufhorchen lassen. Denn Hufeld rechnet mit einer Markt-Konsolidierung. Soll bedeuten, nicht jeder Lebensversicherer wird überleben. „Ob wir in zehn Jahren bei 75 oder 65 Unternehmen sind, das muss der Markt entscheiden“, sagt der Chefaufseher. Aktuell gibt es 80 Anbieter auf dem deutschen Markt - ihre Zahl ist aber bereits in den letzten Jahren gesunken.

Run-off als mögliche Option

Die Lösung für diese kriselnden Anbieter sieht Hufeld nicht einfach in Fusionen - "Wenn ein Problemfall einen anderen übernimmt, wird noch kein gesunder daraus". Stattdessen sieht er diese im Verkauf von Vertragsbeständen an externe Run-off-Dienstleister, die Verträge kostengünstiger abwickeln können. Er wolle zwar keine Werbung für einen Bestandsverkauf machen - das könne aber ein Schritt sein, um eine Insolvenz abzuwenden.

Auch dieses Statement könnte für Kontroversen sorgen. Das Run-off-Geschäft ist umstritten: nicht nur verliert ein Kunde bzw. eine Kundin ihren gewünschten Versicherer und oft auch den Ansprechpartner. Eine Studie des Rating-Hauses Assekurata von 2019 legt nahe, dass die Bestandsabwickler ihre Kundinnen und Kunden weniger beteiligen als der Marktschnitt. An den Ergebnissen werde deutlich, dass die Run-Off-Versicherer „durchschnittlich einen höheren Anteil des erzielten Rohüberschusses zu ihren Gunsten einbehalten als im Marktdurchschnitt üblich“, so ein Fazit (der Versicherungsbote berichtete).

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Dass ein Bestandsverkauf für Kundinnen und Kunden ein Verlustgeschäft bedeute, weist Hufeld jedoch von sich. "Dabei dürfen Versicherungsnehmer gar nicht schlechtergestellt werden. Das prüfen wir als Bafin auch", sagt er capital.de. Es gebe jedoch in keiner Anlageform eine Garantie auf ewig gleichbleibende Renditen.

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