Run Offs sind spätestens mit dem Verkauf der Generali Leben an den Run-Off-Spezialisten Viridium in aller Munde: Vier Millionen Leben-Verträge wechselten den Besitzer und gingen an einen Versicherer, der darauf spezialisiert ist, Altverträge kostengünstig abzuwickeln. Eine keineswegs unumstrittene Maßnahme – die Debatte schaffte es bis zu Polit-Talkshows wie „hart aber fair“ ins öffentlich-rechtliche Abendprogramm (der Versicherungsbote berichtete).

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Der Verdacht: Kunden werden weniger beteiligt

Denn zwar werben Bestandsabwickler wie Viridium damit, Kosten für die Verwaltung und den Betrieb durch moderne Software und durch Wegfall des Neugeschäfts zu reduzieren. Zugleich aber fühlten sich die im Wortsinne „verkauften" Kunden von ihren alten Gesellschaften in Stich gelassen. Zudem äußerten Verbraucherverbände wie der Bund der Versicherten (BdV) den Verdacht, dass Kunden zu geringeren Teilen als bisher an Überschüssen beteiligt werden oder dass gar Versicherer bei der Bestandsübertragung tricksen und Gelder nicht mitgegeben würden, die eigentlich den Kunden zustehen.

Zuletzt befürchteten auch Makler Nachteile für ihre Kundinnen und Kunden, wenn Versicherer ihre Bestände an einen externen Abwickler geben, wie eine Umfrage eines Hamburger Maklerpools unter 7.000 Vermittlern ergab. Hier lautete der Verdacht: Weil Abwicklungsplattformen in keinem Wettbewerb zu anderen Anbietern stehen und sie zudem eine eigene Kapitalrendite zulasten des Bestandes benötigen, seien sie weniger leistungsfähig (der Versicherungsbote berichtete).

Studie als neues Indiz für die Vorwürfe

Eine aktuelle Studie erhärtet nun solche Verdachtsmomente: Laut dem Analysehaus Assekurata behalten Run-Off-Versicherer tatsächlich durchschnittlich einen höheren Anteil des erzielten Rohüberschusses ein als im Marktdurchschnitt.Was wurde für die Studie getan? Die Analyse-Experten analysierten Daten der Run-off-Dienstleister zu den Überschüssen und stellten diese Daten dem Marktdurchschnitt aller Lebensversicherer gegenüber.

Freilich gilt dies nur unter zwei Einwänden. Zum einen konnte für die Analyse selbstverständlich der spektakulärste Run-Off, der Verkauf der Generali Leben, aufgrund der noch nicht vorliegenden Daten keine Berücksichtigung finden. Stattdessen allerdings bedachte Assekurata zusätzlich die Daten der Victoria Leben, die sich im internen Run-Off der Ergo befindet – und rechnete diese Daten den Run-Off-Dienstleistern zu. Die Ergo hatte sich deswegen für einen internen Run-Off entschlossen, weil sie einen massiven Imageschaden durch einen Verkauf der Konzerntöchter Ergo Leben und Victoria Leben befürchtete (der Versicherungsbote berichtete).

Rohüberschüsse wurden nun auf zweierlei Art errechnet und die Daten der Dienstleister dem Marktdurchschnitt gegenübergestellt. Einmal flossen auch die jährlichen Garantiezinsen und Zuführungen zur Zinszusatzreserve mit in die Berechnung der Überschüsse ein. Einmal hingegen wurden die Garantiezinsen nicht berücksichtigt.

Dieses Vorgehen wird leicht verständlich, wenn man bedenkt: In den Run-Off werden überwiegend Altbestände mit hohen Zinsgarantien gegeben, denn die hohen Garantien lassen sich in Zeiten des Niedrigzins kaum noch erwirtschaften. Diese Garantien wiederum nehmen direkten Einfluss auf die Höhe der Zinszusatzreserve, die nötig ist, um Verpflichtungen alter Verträge weiterhin zu erfüllen. Somit könnte sich ein kontrastierender Effekt zwischen dem Markt und den Run-Off-Dienstleistern erst dann ergeben, wenn der Effekt hoher Garantiezinsen bei der Gegenüberstellung neutralisiert wurde. Und genau dieser Befund trat ein.

Effekt erst ohne Berücksichtigung der Zinsgarantien

Denn stellt man, in einem ersten Schritt, den Kundenanteil am Rohüberschuss dem einbehaltenen Anteil der Versicherer gegenüber, indem man auch Garantiezinsen und Reserven bedenkt, zeigen sich zunächst kaum auffallende Unterschiede zwischen den Run-Off-Dienstleistern und dem Markt. Das verdeutlichen die Experten von Assekurata in einer ersten Grafik. Grün bezeichnet den Überschussanteil der Kunden. Auch Posten wie die Rückstellung der Beitragsrückerstattung (RfB), die dem Kunden zugute kommen, sind hier im grünen Bereich bedacht. Der graue Anteil umfasst den Überschuss-Anteil der Versicherer sowie die an den Konzern abgeführte Gewinne:

@Assekurata









Nun aber folgt der zweite Schritt und folgt die Neutralisierung des Befunds, dass es sich bei den Versicherungsverträgen der Run-Offs um viele Verträge mit hohen Zinsgarantien handelt. Ohne Berücksichtigung der Garantiezinsen nämlich ergibt sich ein anderes Bild: Der grüne Kundenanteil am Rohüberschuss sinkt über den Zeitverlauf bei den Run-Off-Dienstleistern weit deutlicher als im Marktschnitt:

@Assekurata









Die Studienmacher pointieren: An den Ergebnissen der Studie werde deutlich, dass die Run-Off-Versicherer „durchschnittlich einen höheren Anteil des erzielten Rohüberschusses zu ihren Gunsten einbehalten als im Marktdurchschnitt üblich“. Zugleich aber verweise die Differenz der beiden Grafiken auch darauf, dass „das Garantiezins-Niveau bei der Gruppe der Run-Off-Dienstleister höher ausfallen dürfte als im Marktdurchschnitt.“ So gesehen neutralisieren die Run-Off-Dienstleister zumindest laut den Durchschnittswerten die hohen Zinsen, indem sie einen höheren Anteil an den Überschüssen als der Markt einbehalten.

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Das Problem: Große Spreizung

Wie aber sind diese Ergebnisse zu bewerten? Laut den Assekurata-Experten sollten sie mit Vorsicht bedacht werden. Denn zum Beispiel gibt es bei den Run-Off-Gesellschaften eine große Spreizung bei der Ausschüttungsquote. So hätte Entis Leben in 2018 die hohe Ausschüttungsquote von 77 Prozent am Rohüberschuss ausgewiesen, die Victoria Leben der Ergo hingegen hätte ihre Kunden lediglich zu 33 Prozent am Überschuss beteiligt. Demnach muss auch innerhalb der zwei verglichenen Gruppen noch einmal differenziert werden. Die Studie kann kostenpflichtig auf der Webseite der Analyseexperten bestellt werden.

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