Doch indirekt distanziert sich der Dachverband der Gastronomen vom bayrischen Kompromiss, der von vielen als unbefriedigend empfunden wird. "Der Dehoga Bundesverband, wie auch alle anderen Landesverbände im Dehoga Bundesverband, waren über den Inhalt der Initiative (...) nicht informiert", heißt es in einem Statement. Und weiter: "Es war lediglich bekannt, dass Gespräche unter Federführung von Staatsminister Hubert Aiwanger mit dem Ziel geführt wurden, die Verweigerungshaltung der Versicherungen aufzubrechen." Allein die Dehoga Bayern habe mit am Verhandlungstisch gesessen.

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Bayrischer Kompromiss "ohne bundesweite Relevanz"

Folglich verweist der Bundesverband der Gastronomen darauf, dass die bayrische Vereinbarung "keine bundesweite Relevanz" besitze. Die Dehoga rät allen versicherten Betrieben, eine Schadensanzeige an den Versicherer zu richten, um mögliche Ansprüche zu wahren.

"Jeder Unternehmer ist gut beraten, sehr sorgfältig abzuwägen, ob das Angebot mit Blick auf seinen Vertrag und die darin vereinbarten Leistungen für ihn in Frage kommt", schreibt der Verband. Sehr wichtig sei darüber hinaus "die Prüfung des Angebotes (zehn bis 15 Prozent der vereinbarten Tagesentschädigung) im Verhältnis zur Entschädigung gemäß Vertrag."

Rechtsgutachten sieht Versicherer vielfach in Zahlpflicht

Aufhorchen lässt zudem ein Rechtsgutachten des Juristen Walter Seitz. Laut "Spiegel" kommt der frühere Vorsitzende Richter des Münchner Oberlandesgerichtes zu dem Schluss, ""dass der Anspruch auf Zahlung der Versicherungssumme bei Betriebsschließungsversicherungen wegen der Untersagung der Öffnung von Gaststätten grundsätzlich uneingeschränkt besteht". Mit anderen Worten: In vielen Fällen müssten die Versicherer die volle Summe erstatten statt nur 15 Prozent, wie es die bayrische Lösung vorsieht.

Viele Versicherer lehnen nun eine Leistungspflicht ab, weil zwar Betriebsschließungen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes versichert seien: aber angeblich nur jene Krankheiten, die explizit in einer Liste des Vertrages aufgeführt werden. Das neue Coronavirus COVID-19 fehlt in fast allen Verträgen: kein Wunder, schließlich ist es eben "neu". Erst im Januar 2020 wurde es vom Gesetzgeber in die Liste meldepflichtiger Krankheiten übernommen.

Klauseln nicht eindeutig formuliert

Gutachter Seitz vertritt jedoch laut "Spiegel" die Ansicht, dass derartige Listen nur als Beispiele anzusehen sind und keine hinreichenden Klauseln über den Ausschluss einzelner Krankheiten enthalten. Den bayrischen Kompromiss hält der Jurist für unbrauchbar. Es sei "klar abzulehnen", Vorteile aus der Kurzarbeits-Regelung nun auf die Versicherungsleistung der Gewerbeverträge anzurechnen.

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Seitz hob in dem Gutachten demnach auch darauf ab, dass die entsprechenden Klauseln in den Geschäftsbedingungen vielfach nicht eindeutig formuliert seien. Der Bundesgerichtshof hat in mehreren Fällen geurteilt, dass Zweifel bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen zulasten des Versicherers gehen. Ähnlich hatte sich im Interview mit dem Versicherungsboten bereits der Berliner Rechtswissenschaftler Hans-Peter Schwintowski positioniert.

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