Klarstellung (01.04.2020): Im Nachgang haben mich einige Rückfragen erreicht, die kritisierten, dass dieser Beitrag sich allgemein gegen Jungmakler richtet. Hier gab es offenbar ein Missverständnis. Ich unterstütze ausdrücklich die Modernisierung und Digitalisierung der Maklerbranche und sehe dazu auch keine Alternative. Außerdem bewerte ich das Phänomen der Jungmakler grundsätzlich positiv. Die Zukunft gehört den Maklern, die sich digital aufstellen und die Jungmakler sind dafür—trotz aller unten genannten Herausforderungen—ein hervorragendes Beispiel, das die weitere Förderung durch die Branche verdient.

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Kaum eine Branche hat so große Nachwuchssorgen wie die der Versicherungsmakler. Umso erfreulicher ist das Aufkommen von sogenannten „Jungmaklern“ in den letzten Jahren. Sie gelten gemeinhin als die Zukunft der Branche und ein Hoffnungsschimmer inmitten einer tristen Gegenwart der Überalterung. Und das umso mehr in Zeiten der Corona-Pandemie, in denen klassische Vermittler ihr wichtigster Vertriebskanal — das persönliche Gespräch — wegbricht. Anlass genug, diesem Phänomen die heutige Kolumne zu widmen und dazu die ein oder andere These aufzustellen.

Philipp Kanschik

Philipp Kanschik

Dr. Philipp Kanschik ist Geschäftsführer von Policen Direkt und dort verantwortlich für Technologieentwicklung und Maklernachfolge.

These 1 – Jungmakler sind vor allem Social-Media-Makler

Erster Ansatzpunkt für eine Definition des Begriffs „Jungmakler“ sind die Teilnahmebedingungen des von der bbg so erfolgreich initiierten Jungmakler-Awards, der mittlerweile von einer breiten Anzahl an Branchenvertretern von Allianz bis Zürich unterstützt wird. Ein Jungmakler ist demnach:

  • Maximal 39 Jahre alt
  • Hinreichend qualifiziert gemäß § 34 c,d,f oder i
  • Hat seine Laufbahn als Makler in den letzten 5 Jahren begonnen

In diesem Sinne sind Jungmakler kein neues Phänomen, sondern einfach der Begriff für die jeweils jüngste Generation an Versicherungsmaklern. Mir scheint allerdings, dass sich hinter der Idee des Jungmakler mehr verbirgt. Jungmakler sind und werden vor allem als Social Media-Profis wahrgenommen.

So zeigt eine Policen Direkt-Analyse, dass 73% der Gewinner des Awards der letzten 5 Jahren (jeweils drei Gewinner pro Jahr) in ihrer Ausrichtung und Strategie auf Social Media als Kernelement setzen. 2018 und 2019 trifft dies sogar auf alle der insgesamt 6 Gewinner zu. Social Media scheint ein entscheidendes Merkmal dieser neuen Vertreter der Maklerzunft zu sein.

These 2 – Jungmakler machen sich selbst zur Marke

Die von den Jungmaklern genutzten Social-Media-Plattformen sind sehr verschieden. Sie sind unter anderem bei Facebook, Instagram, Youtube oder mit Podcasts aktiv. Allen gemeinsam ist aber, dass sich die Makler mithilfe von Social Media zur Marke machen.

Damit wird letztlich das Influencer-Prinzip aus anderen Branchen erfolgreich auf die Versicherungsbranche übertragen. Dank Social Media können Marken und Produkte heutzutage ohne klassische Werbung etabliert werden, wenn sie von Einzelpersonen mit großer Reichweite in den sozialen Netzwerken repräsentiert werden. Vor allem in der Konsumgüterbranche funktioniert das längst hervorragend, aber alle Branchen nutzen zunehmend Influencer zur Produktwerbung.

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In diesem Sinne sind also die Jungmakler als Influencer zu verstehen: Sie schaffen es als Personen und Marken, die Aufmerksamkeit und das Vertrauen ihres Zielpublikums online zu gewinnen und auf diese Weise auf ihre Produkte aufmerksam zu machen. Dabei geschieht dies gar nicht immer nur durch genuine Versicherungsinhalte. Im Instagram-Kanal von Franziska Zepf wird zum Beispiel sehr stark ihre Rolle und Leben als Unternehmerin und Selbstständige dargestellt, während Versicherungsfragen eher beiläufig thematisiert werden. Jungmakler vermarkten also mithilfe ihrer Person ihre Makler-Dienstleistung.

Es kann nicht Tausende Jungmakler in Deutschland geben

These 3 – Jungmakler haben kein skalierbares Geschäftsmodell

Wie kann man als Influencer ein erfolgreiches Maklerunternehmen aufbauen? Schauen wir dafür zunächst noch einmal über die Grenzen der Branche hinaus. Das Influencer-Prinzip setzt auf starke Personalisierung und funktioniert deshalb wunderbar bei Konsumgütern wie Shampoo oder Parfüm. International hat dies z.B. die Familie Kardashian perfektioniert und ein Milliarden-Imperium erschaffen. Auch in Deutschland gibt es Beispiele wie die Influencerin Bianca „Bibi“ Claßen, in deren Namen schon Kosmetik, Duschgel, Handys, Reisen oder Kleidung verkauft wurden.

Gerade bei Konsumgütern lassen sich durch Personalisierung eigentlich banale Produkte aufwerten und in großen Stückzahlen verkaufen. Bei Dienstleistungen ist das ungleich schwieriger, wie das Beispiel von Unternehmensberatungen zeigt. So wurde die Firma McKinsey 1926 von James McKinsey gegründet. Auch hier wurde als die Person James McKinsey als Marke genutzt—ähnlich wie heutige Influencer das tun (natürlich nur ohne Social Media). Dies führte zunächst dazu, dass fast alle Kunden mit Herrn James McKinsey persönlich zusammenarbeiten wollten—was angesichts des schnellen Wachstums der Firma schnell nicht mehr möglich war. In dieser Hinsicht profitierte McKinsey sogar vom frühen Tod des Gründers 1937 und konnte sich leichter zu einer Weltmarke entwickeln, deren ursprüngliche Personalisierung heute vergessen ist. Vor einer ähnlichen Herausforderung standen auch Rechtsanwaltskanzleien (Freshfields) oder Banken (Goldman Sachs), die bis heute die Namen ihrer Gründer tragen und überwinden konnten.

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Was bedeutet all das für Jungmakler? Mehr noch also bei Beratungen und Banken wollen potenzielle Kunden vor allem durch den Jungmakler selbst beraten werden — da deren Marken dank Social Media noch stärker personalisiert sind als zu Zeiten von James McKinsey. Nach wie vor gilt aber, dass die Person des Maklers nicht vermehrbar ist und damit ist auch Wachstumspotenziale im Dienstleistungsbereich begrenzt sind, wenn die Marke zu stark auf die Person zugeschnitten ist. Eine „Bibi“ kann eine Million Shampoos verkaufen, aber ein Jungmakler kann nicht eine Millionen Kunden beraten.

Die Jungmakler sind also in ihrer jetzigen Form vor allem (sehr erfolgreiche) Freelancer und damit eine neue, zeitgemäße Spielart des Einzelmaklers. Anders als früher kann es von diesem Typus des Einzelmaklers aus strukturellen Gründen nur eine geringe Anzahl geben — einfach, weil die Aufmerksamkeit für Social-Media-Influencer sich in der Regel auf einige wenige konzentriert. Es kann und wird also nicht Tausende Jungmakler in Deutschland im hier verstandenen Sinne geben, sondern eher ein paar Dutzend.

These 4 – Um wirklich groß zu werden, müssen Jungmakler sich vom Social Media-Experten zum Unternehmer wandeln

Um ein wirklich großes Unternehmen aufzubauen, müssen Jungmakler ihre eigene Personen-Marke depersonalisieren und hinter sich ein serviceorientiertes Unternehmen im Hintergrund aufbauen. Dieses Unternehmen muss dann im Idealfall als Marke vermarktet werden. Die Jungmakler müssen sich also vom Social Media-Profi zum Unternehmer wandeln, wenn sie nicht ewig Einzelkämpfer bleiben wollen.

Wahr ist aber auch, dass Versicherungsgesellschaften, Pools und größere Makler gar nicht unglücklich mit den Jungmaklern sind. Sie bleiben strukturell eher klein und sind damit nicht dazu in der Lage, die Großen anzugreifen. Umso leichter fällt es daher den Schwergewichten der Branche, die Jungmakler zu unterstützen. In diesem Kontext ist interessant zu beobachten, dass auch der Jungmakler Award explizit Einzelpersonen und nicht Unternehmen auszeichnet. Dieser Fokus führte dazu, dass 2019 Ingo Schröder als Jungmakler des Jahres ausgezeichnet wurde, obwohl dieser sich bei Youtube zusammen mit seinen Geschäftspartnern explizit unter der Marke „Maiwerk“ vermarktet—im Übrigen eine durchaus sinnvolle und nachvollziehbare Strategie. Andere Jungmakler versuchen über Kooperationen ein Back-office aufzubauen, welches die große Anzahl an Leads beraten kann, die sie online gewinnen.

Es scheint also durchaus so, dass viele Jungmakler sich bewusst sind, dass die Skalierbarkeit ihres Geschäftsmodells die eigentliche Herausforderung ist—und nicht (nur) die Reichweite ihrer Person. Es wird spannend zu sehen, ob es der aktuellen Generation der Jungmakler gelingen wird, diese Herausforderung zu überwinden.

Vielleicht sind aber mittelfristig auch Akteure wie risikokapitalfinanzierte Start-ups oder existierende Großmakler viel besser geeignet, um in Social Media wirklich skalierbare Geschäftsmodelle aufzubauen—auch wenn momentan erstaunlicherweise die Einzelkämpfer klar die Nase vorn haben. Aber das ist ein Thema für ein anderes Mal.

Über den Autor: Philipp Kanschik ist Bereichsleiter für das digitale Maklergeschäft und Nachfolgelösungen bei Policen Direkt. Einerseits ist er promovierter Philosoph, Weltreisender und Gitarrist und andererseits Experte für technologiebasierte Online-Versicherungs-Plattformen sowie Maklerbestandsübernahmen. So wirft er einen ganz eigenen Blick auf die digitalen Herausforderungen der Versicherungsbranche.

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