StayTheFuckHome: Digitalisierung hilft in Zeiten der Pandemie

Drastische Zeiten sind durch die weltweite Corona-Pandemie angebrochen. Am schlimmsten betroffen ist Italien – laut Meldung der Tagesschau sind inzwischen bereits 6.077 Italiener an dem neuartigen Virus gestorben. Aber auch das Robert Koch-Institut meldet am Montag für Deutschland bereits 27.436 Infizierte mit der tückischen Krankheit sowie 114 Todesfälle. Die Gefahr ist demnach groß, dass eine schnelle Verbreitung des Sars-CoV-2-Virus auch hierzulande zu einer Überlastung des Gesundheitswesens führt und vergleichbare verhängnisvolle Zustände schafft wie in Italien, wo längst nicht mehr alle Patienten behandelt werden können.

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Kommunen, Bund und Länder reagieren in Deutschland mit immer strengeren Allgemeinverfügungen, damit der physische soziale Kontakt in der Öffentlichkeit so weit wie irgend möglich unterbunden wird. Und Bewegungen, die an die Vernunft der Menschen appellieren – beispielhaft genannt sei die Bewegung #StayTheFuckHome – erhalten in sozialen Netzwerken großen Zuspruch. Was zu tun ist, scheint klar: Die Menschen sollen, soweit es geht, die Wohnung nicht verlassen. Aus diesem Grund stellen viele Unternehmen derzeit auf Homeoffice um – Online- und Telearbeit von zu Hause.

In einer folgenschweren Krise also kommt die zunehmende Digitalisierung der Vernunft entgegen und ermöglicht ein Weiterlaufen des Betriebs in Unternehmen. Wie aber steht es mit dem Versicherungsschutz für diese Arbeit in den eigenen vier Wänden? Weil Homeoffice für viele Menschen in Deutschland neu ist, klärt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) auf seiner Verbraucherseite derzeit über den Versicherungsschutz auf – und empfiehlt zusätzlichen privaten Schutz.

Gesetzlicher Versicherungsschutz: Im Büro umfassender als zu Hause

Für den Versicherungsschutz im Homeoffice gibt es ein wesentliches Problem: Die fehlende Trennschärfe zwischen privaten und beruflichen Tätigkeiten. In der Rechtsprechung geht dieser Konflikt häufig zulasten der Beschäftigten. Zwar sind auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei ihrer Arbeit zu Hause durch den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung geschützt. Das jedoch gilt nur in engen Grenzen. Greift doch der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu Hause einzig für Tätigkeiten, die unmittelbar die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers betreffen. Und eine Vielzahl von Tätigkeiten der Arbeit zu Hause fällt wider Erwarten aus einem solchen gesetzlichen Versicherungsschutz heraus.

Betroffen von der Lücke sind so genannte „eigenwirtschaftliche Tätigkeiten“ und notwendige Wege in den eigenen vier Wänden. In der Folge zählt das Nachgehen wichtiger Grundbedürfnisse – Essen, Trinken, der Gang zur Toilette – gemäß der Rechtsprechung in den "privaten" Bereich und ist im Homeoffice nicht durch den gesetzlichen Unfallschutz gedeckt. Das gilt selbst dann, wenn ein Arbeitnehmer sich in seiner Wohnung bewegt, um sich zum Beispiel Wasser zum Trinken an den Arbeitsplatz zu holen. Beim Homeoffice greift im Falle eines Unfalls dann nicht der gesetzliche Unfallschutz.

So wies zum Beispiel das Bundessozialgericht die Klage einer Arbeitnehmerin zurück, die sich Wasser zum Trinken während ihrer Heimarbeit holen wollte. Die Frau war mit ihrer Wasserflasche gestürzt und zog sich einen komplizierten Knochenbruch am linken Fuß mit bleibenden Schäden zu. Jedoch: mit Urteil vom 5.7.2016 (Az. B 2 U 5/15 R) beschied das Bundessozialgericht, ein Arbeitsunfall liege bei einem solchen Sturz nicht vor. Deswegen muss die gesetzliche Unfallversicherung auch nicht leisten.

Denn ein Weg zur Nahrungsaufnahme ist laut Deutschlands höchstem Sozialgericht nur dann vom Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst, wenn er durch die Notwendigkeit geprägt ist, persönlich am Beschäftigungsort anwesend zu sein. In der Wohnung allerdings setzen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich Essen oder Trinken während der Arbeit holen, laut Gericht einem Risiko des privaten Bereichs aus.

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Zwar zahlt im Falle eines Unfalls dann für direkte Krankheitskosten die Krankenversicherung. Entstehen aber Folgekosten oder ist ein länger dauernder Lohnausfall – jenseits der maximal 72 Wochen Krankengeld – zu beklagen, greift kein Ausgleich durch die gesetzliche Unfallversicherung. Selbst Unfälle auf dem Weg zur Toilette im Homeoffice zählen nicht als Arbeitsunfälle, da sie nicht im unmittelbaren Betriebsinteresse des Arbeitgebers liegen, wie ein Urteil des Sozialgerichts München beschied (Az. S 40 U 227/18).

Arbeitsunfälle zu Hause: Die schwere Beweislast

Erschwerend kommt hinzu: Zwar sind Tätigkeiten durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt, die unmittelbar das berufliche Interesse betreffen. So gilt zwar ein Sturz auf der Treppe dann als Arbeitsunfall, wenn der Weg durch die Arbeit geboten ist – dies bescheinigte das Bundessozialgericht mit Urteil vom 27.11.2018 einem Mann, der auf dem Weg in den Keller stürzte (Az. B 2 U 8/17 R9). Der Mann hatte im Keller seinen Arbeitsrechner stehen und führte dort ein notwendiges Upgrade aus. Allerdings fällt es selbst nach einem solchen Arbeitsunfall in den eigenen vier Wänden oft schwer, den beruflichen Charakter der verunfallten Tätigkeit tatsächlich nachzuweisen.

Aus diesem Grund lautet das A und O nach einem Unfall im Homeoffice auch: „Beweise sichern“ – dies rät ein aktueller Beitrag des Handelsblatts. So sollte jeder, der einen Unfall im Homeoffice hat, „sofort dokumentieren, was er gerade gemacht hat, welches Dokument er bearbeitet hat, mit wem er telefoniert hat“. Auch sollten Betroffene sich, durch Schilderung des genauen Hergangs, sofort Zeugen sichern – zum Beispiel den Nachbarn oder den herbeieilenden Arzt. Wird man es ansonsten doch schwer haben, den Arbeitsunfall vor Gericht zu beweisen.

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Was helfen könnte: Privater Unfall - oder BU-Schutz

Was aber sichert den nötigen Unfallschutz, wenn der gesetzliche doch tückische Lücken für das Homeoffice ausweist? Zwei Möglichkeiten werden durch Experten empfohlen. So kann eine private Unfallversicherung „vor Unfällen rund um die Uhr“ schützen, wie der GDV mit seiner Kampagne empfiehlt. Dieser Schutz greift unabhängig vom privaten oder beruflichen Charakter der Tätigkeit und sichert langfristige Folgen und Kosten ab - zum Beispiel durch einen Einmalbetrag oder – bei besonders schweren Folgen – auch durch eine lebenslange Unfallrente.

Allerdings gilt eine solche private Unfallversicherung Verbraucherschützern nur als Ergänzung oder schlechtere Alternative zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung – zwar sichert sie unspezifisch viele Unfallrisiken, ist aber kein empfohlenes Produkt für den dauerhaften Lohnausfall. Das veranschaulichen die Verbraucherschützer der Stiftung Warentest auf ihrer Webseite anhand einer Zahl: Zwar ist der private Unfallschutz günstiger zu haben als der BU-Schutz. Jedoch greift die private Unfallversicherung nur bei unfallbedingter Invalidität und ersetzt keinen umfassenderen Schutz im Falle einer Berufsunfähigkeit.

Die Fakten: Nur 1,8 Prozent aller Schwerbehinderten in Deutschland haben sich ihre Behinderung durch einen Unfall zugezogen, so geht aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervor. Da sich schon diese geringe Zahl auf alle Schwerbehinderungen bezieht anstatt nur auf die Arbeit im Homeoffice, darf das Risiko für folgenschwere Stürze während der Heimarbeit als gering eingeschätzt werden. Freilich zeigen die Urteile der Sozialgerichte, dass dennoch solche Unfälle vorkommen.

Eine BU-Versicherung aber deckt einen weit größeren Teil der Risiken für einen dauerhaften Einkommensverlust ab, da sie sowohl bei Unfällen, aber auch bei Berufsunfähigkeit durch körperliche oder psychische Erkrankungen leistet. Das gilt in der Regel, sobald ein Versicherungsnehmer weniger als 50 Prozent berufsfähig ist. Psychische Erkrankungen stellen mittlerweile den Hauptgrund für die Berufsunfähigkeit (der Versicherungsbote berichtete). Demnach schafft die BU-Versicherung umfassenderen Schutz – auch im Homeoffice.

Private Unfallversicherung: Verbraucherschützer sehen hohe Qualität am Markt

Wer allerdings aufgrund von Vorerkrankungen, aufgrund seines Alters oder seiner Tätigkeit nur einen teuren oder gar keinen BU-Schutz erwerben kann, für den ist die private Unfallversicherung eine hilfreiche Alternative fürs Homeoffice. Auch kann der private Unfallschutz eine Ergänzung zur BU-Versicherung sein. So leistet die private Unfallversicherung zwar bei Invalidität auch nur unter bestimmten Bedingungen (gemäß Allgemeinen Muster-Bedingungen für die Unfallversicherung des GDV): Die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit muss dauerhaft beeinträchtigt sein und voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen. Auch ähneln Bedingungen für Übergangsleistungen denen der BU-Versicherung: Mindestens für sechs Monate muss eine Beeinträchtigung zu mindestens 50 Prozent bestehen. Zugleich aber gibt es Leistungen wie das Krankenhaustagegeld, die auch dann gezahlt werden können, wenn noch nicht die BU-Bedingungen gemäß Paragraph 172 Absatz 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) greifen.

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Und der Markt bietet empfehlenswerte private Unfall-Tarife, auch aus Perspektive der Stiftung Warentest. Denn von 117 Tarifen, die 2018 durch die Verbraucherschützer getestet wurden, schlossen elf Tarife mit der Bestnote „Sehr gut" ab. Und immerhin 69 Tarife erhielten noch die Wertung „Gut“. Demnach kann dennoch auch eine private Unfallversicherung empfehlenswert sein, um gesetzliche Lücken des Unfallschutzes im Homeoffice zu schließen.

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