Die Umsetzung eines solchen Plans aber gilt als unwahrscheinlich. Denn der Koalitionspartner beharrt bereits auf den Wortlaut des Koalitionsvertrags. Die von der Regierung angekündigte Teil-Abschaffung des Solidaritätszuschlags hingegen könnte nun schneller kommen als gedacht: Die SPD-Fraktionsführung im Bundestag plädiert für ein Vorziehen des Plans um ein halbes Jahr. Scholz erklärte in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung, dies wäre für den Haushalt „verkraftbar“.

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Abgeltungsteuer: "Besser 25 Prozent von x als 42 Prozent von nix"

"Besser 25 Prozent von x als 42 Prozent von nix." Diese vom früheren Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) ausgegebene Devise pointiert die Idee hinter der Einführung der Abgeltungsteuer: Private Anleger sollten das Interesse verlieren, ihr Kapital aus steuerlichen Gründen ins Ausland zu verlagern, indem sie weniger zur Kasse gebeten werden. Kapitalerträge im Privatvermögen wie Dividenden, Kursgewinne von Wertpapieren oder Zinsen wurden ab dem 1.1.2009 mit einem einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent (zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) besteuert und direkt von den Banken an das Finanzamt überwiesen (und damit „abgegolten“). Mit der Einführung der Abgeltungsteuer verbunden: Das Ziel einer „drastischen Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens von Kapitaleinkünften“ (so die Bundesregierung damals in ihrem Gesetzentwurf) sowie das Ziel, Informationspflichten auf das notwendige Maß zu begrenzen.

Teil-Abschaffung der Abgeltungsteuer geplant… und bisher aufgeschoben

Vielen aber galt die Abgeltungsteuer als fauler Kompromiss. Verzichtete man doch auf höhere Steuersätze und lockte zudem mit einem relativ anonymen steuerlichen Abgeltungsverfahren, um das Kapital zurück ins Land zu holen. Besonders im Vergleich zu den progressiven Steuersätzen des Arbeitseinkommens wurde die Pauschalsteuer auf Kapitalerträge als ungerecht kritisiert.

Da es seit Start des automatischen Informationsaustauschs über Finanzkonten schwerer geworden ist, Spargelder im Ausland zu verstecken, geriet auch die Abgeltungsteuer immer mehr unter Druck. Die Forderung: Wer ein hohes Gesamteinkommen hat, soll auch einen höheren Steuersatz zahlen – gemäß progressiven Steuersätzen des Arbeitseinkommens.

Und tatsächlich: die Kritiker haben sich bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD nach der letzten Wahl durchgesetzt, jedoch nur ein bisschen. Denn tatsächlich kündigt der Koalitionsvertrag der Bundesregierung vom März 2018 die Abschaffung der Abgeltungsteuer an. Jedoch: Abgeschafft werden soll nicht die Abgeltungsteuer auf alle Kapitalerträge, sondern nur auf Zinserträge. Einnahmen aus Zinsen, das lässt der Koalitionsvertrag erwarten, werden somit bald wieder mit einem progressiven Steuersatz von bis zu 45 Prozent besteuert – je nachdem, wie hoch die Einnahmen ausfallen.

Bundesfinanzministerium liebäugelt mit mehr

Freilich: In Zeiten, in denen kaum noch Zinsen erwirtschaftet werden, erscheint der geplante Schritt wie eine eher zaghafte Umkehr von der günstigen Pauschalbesteuerung. Und glaubt man einen Bericht des Spiegel vom Freitag, liebäugelt man auch im Bundesfinanzministerium von Olaf Scholz mit mehr. Demnach würde Olaf Scholz seine Fachleute durchrechnen lassen, wie "der Fiskus davon betroffen wäre", wenn künftig "auch Dividenden wieder mit dem persönlichen Steuersatz des jeweiligen Steuerzahlers" belastet würden. Anders ausgedrückt: Statt mit einer Abschaffung der Abgeltungsteuer nur auf Zinserträge liebäugelt man im Bundesfinanzministerium mit einer Komplett-Abschaffung der Abgeltungsteuer.

In der Folge würden alle Kapitalerträge wieder einem progressiven Steuersatz unterliegen – auch Dividenden würden dann mit dem persönlichen Steuersatz besteuert. Auf einen Geldsegen allerdings ist zumindest laut Spiegel hierdurch nicht zu hoffen. Denn zum einen könne nur ein Bruchteil der Dividenden besteuert werden, da ansonsten eine Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen droht. Werden Gewinne von Kapitalgesellschaften doch schon auf Unternehmensebene besteuert. Zum anderen aber müsste wieder der Abzug von Werbungskosten zugelassen werden. Beides würde zumindest laut Spiegel das Steueraufkommen schmälern. Doch damit nicht genug.

CDU/CSU gegen generelle Abschaffung der Abgeltungsteuer

Denn selbst, wenn die Abschaffung der Abgeltungsteuer und – im Gegenzug – die Rückkehr zu progressiven Steuersätzen ein sattes Plus im Staatshaushalt bedeuten würde, ist mit einer Umsetzung des Plans kaum zu rechnen. Der Grund: Der Koalitionspartner hat bereits sein Veto zu den Plänen angekündigt.

So äußerte der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion für die Bereiche Haushalt, Finanzen und Kommunalpolitik Andreas Jung gegenüber der Frankfurter Allgemeinen, man „stehe“ zum Koalitionsvertrag. Zugleich aber erteilte der Unionspolitiker einer vollständigen Abschaffung der Abgeltungsteuer auf alle Kapitalerträge seine Absage.

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Und auch das Ministerium ruderte auf Anfrage zurück: Man setze den Auftrag des Koalitionsvertrags um und „mehr nicht“. Einer Berechnung des Steueraufkommens bei kompletter Abschaffung der Abgeltungsteuer folgen nach jetzigem Stand demnach keine Taten.

Teil-Abschaffung des Soli könnte eher kommen

Besser hingegen stehen die Chancen für eine vorzeitige Teil-Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Der auch als „Soli“ bezeichnete Zuschlag von 5,5 Prozent wird als Plus zur Einkommen- und Körperschaftsteuer erhoben, seine Einführung im März 1991 diente der Finanzierung der deutschen Einheit. Kosten der Einheit aber sind längst abgezahlt, auch wenn immer noch strukturelle Differenzen zwischen Ost und West bestehen.

Deshalb wurde in den letzten Jahren immer wieder über ein mögliches Ende des Soli diskutiert. Im Koalitionsvertrag zur aktuellen Legislaturperiode setzt sich nun auch die Bundesregierung das Ziel, den Solidaritätszuschlag schrittweise abzuschaffen.

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Hierzu sollen, in einem ersten Schritt, immerhin rund 90 Prozent der Soli-Zahler durch eine Freigrenze entlastet werden. Schon heute existiert eine Freigrenze von bisher 972 Euro bzw. 1.944 Euro (Einzel-/Zusammenveranlagung) – bis zu dieser Grenze fällt kein Solidaritätszuschlag an. Zukünftig aber soll laut Bundesfinanzministerium kein Solidaritätszuschlag mehr erhoben werden, wenn die zu zahlende Lohn- oder Einkommensteuer unter 16.956 bzw. 33.912 Euro (Einzel-/Zusammenveranlagung) liegt.

Auch möchte man oberhalb dieser Grenze eine sogenannte Milderungszone schaffen – in dieser soll der Solidaritätszuschlag nur schrittweise an den vollen Satz von 5,5 Prozent herangeführt werden. Rund 10,9 Milliarden Euro weniger nimmt der Staat durch die geplante Teil-Abschaffung ein. Nach und nach ist dann die komplette Abschaffung des Soli geplant.

SPD will Pläne um halbes Jahr vorziehen

Ursprünglich war angedacht, die Reform mit Beginn des Jahres 2021 umzusetzen. Überraschend aber gab die SPD am Mittwoch vergangener Woche im Koalitionsausschuss bekannt, den Plan auf Anfang Juli 2020 vorziehen zu wollen. Bundesfinanzminister Scholz befürwortete den Plan bereits: Der Haushalt lasse das zu, das wäre "verkraftbar“. So äußerte sich der Bundesfinanzminister gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung.

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Deswegen plädiert auch der Bundesfinanzminister dafür, die „Soli-Abschaffung um ein halbes Jahr vorzuziehen“. Freilich: Auch hier reibt sich der Koalitionspartner zunächst verwundert die Augen. So wundert sich Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) aufgrund des überraschenden Vorstoßes laut einem Artikel der Zeit: Scholz habe stets betont, für den Haushalt "jeden Cent" zu brauchen. Da aber die CDU/CSU-Fraktion schon länger die Abschaffung des Soli fordert, ist hier eine Zustimmung zu den Plänen der SPD zumindest wahrscheinlich.

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