Und ähnlich wie der Brexit, der sich in den Varianten Deal und No Deal darbietet, haben Verbraucherschützer noch das vollständige Provisionsverbot als As im Ärmel, um einen Deckel zu etablieren. Ähnlich agierte übrigens auch US-Präsident Donald Trump, als er im US-Chinesischen Handelskrieg Zölle auf Lebendvieh von 15 Prozent erhob, um sie anschließend auf 7,5 Prozent zu reduzieren. Im Ergebnis bleiben die Zölle.

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Sollte also die Versicherungswirtschaft am Ende noch dafür dankbar sein, dass Sie mit einem Provisionsdeckel leben muss, um das Provisionsverbot zu umgehen?

Grundlage dieser Diskussion ist die Auffassung des SPD-geführten Bundesministeriums für Finanzen (BMF), dass die Provisionen auf Lebensversicherungen zu hoch seien. Diese Meinung wird auch von Lars Gatschke vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) unterstützt, der keinen Zweifel daran lässt, dass für ihn der Provisionsdeckel der halbe Weg zum endgültigen Ziel, dem Provisionsverbot darstellt: „Eine Begrenzung wäre ein sinnvoller Zwischenschritt dahin“, sagte Gatschke gegenüber dem "Handelsblatt". Begründet wird der Provisionsdeckel mit den hohen Vertriebskosten: „Dadurch können die Kosten von Kapitallebensversicherungen sinken, wenn die Unternehmen die Einsparungen an ihre Kunden weitergeben“, behauptet Gatschke. Das sind ziemlich viele Annahmen und Schlussfolgerungen. Viel Wenn und viel Aber. Aber ist das alles überhaupt realistisch?

Jeder Zweite geht von einem Massensterben in der Branche aus

Wir haben auf der Fachmesse DKM Versicherungsexperten zu diesem Thema befragt und sind mitunter zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen.

Auf die Frage, wie sich ein Provisionsverbot in Deutschland auswirken könnte, antworteten 50,6 Prozent der Befragten, dass es zu einem Massensterben von Vermittlern in der Branche führen würde. Aber 40,3 Prozent sehen darin auch eine Herausforderung für die Branche, die lösbar ist. 7,8 Prozent der Befragten gaben sogar ganz im Sinne der Verbraucherschützer an, dass der Provisionsdeckel zu einer qualitativen Verbesserung der Produkte führen könne. Hierin zeigt sich auch ein gewisser Pragmatismus der Versicherungswirtschaft, die für sich beansprucht, für jedes Problem auch eine Lösung entwickeln zu können.

Lassen sich Kosten überhaupt gesetzlich verbieten?

In der Logik der Verbraucherschützer ist Versicherungsvertrieb auf Provisionsbasis schlecht; zahlt der Kunde jedoch dafür extra, dann ist es gut. Auf der Webseite des VZBV ist daher in einer Pressemitteilung zu lesen: „Die meisten Finanzvermittler in Deutschland arbeiten auf Provisionsbasis. Sie sind Verkäufer, statt Berater. Die Folge ist ein provisionsgetriebener Verkauf, der häufig zu Schlecht- und Falschberatung führt“.

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Die Honorarberatung ist somit ein Konzept, das in dieser Überlegung seinen Ursprung findet. 45,5 Prozent der Befragten sind folgerichtig der Meinung, dass ein Provisionsdeckel die Honorarberatung fördern würde. 44,2 Prozent gehen davon aus, dass der Provisionsdeckel gar nichts ändern würde, weil die Kosten an anderer Stelle steigen und widerlegen damit Gatschkes angekündigte Einsparungen, die an den Kunden weitergegeben werden würden.

Ist Beratung ohne Verkauf überhaupt Beratung?

Diese Zahlen sind letztlich kein Argument für oder gegen die Honorarberatung, sondern nur ein Hinweis darauf, dass Kosten nicht einfach so verschwinden können, nur weil man sie gesetzlich verbietet. Ähnliche Beobachtungen sind übrigens schon im Zusammenhang mit der Mietpreisbremse gemacht worden.

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Ließe sich der Provisionsdeckel nicht mehr verhindern, dann sehen 44,2 Prozent der Befragten in der Nettopolice eine geeignete Lösung. Diese Versicherungsprodukte werden so konzipiert, dass sie keine externen Abschlusskosten enthalten und dadurch im Zuge einer Honorarberatung verkauft werden können. Ironischerweise würde dadurch der Berater zum Verkäufer, was der Honorarberatungsidee des VZBV eigentlich zuwiderläuft. Folgte man dieser Idee, wäre nur eine Beratung ohne Verkauf eine gute Beratung. Fragt sich am Ende, wo genau dann der kundenseitige Nutzen liegen soll.

Doch die Versicherungsexperten geben dem VZBV in anderen Punkten durchaus recht: 40,3 Prozent der Befragten sind der Auffassung, dass die Nettopolice zur Verbesserung der transparenten Beratungsleistung führen würde und 29,9 Prozent glauben, dass eine Nettopolice Konflikte mit Verbrauchern und dem Verbraucherschutz reduzieren könnte. Knapp ein Viertel der Befragten meint, dass die Nettopolice langfristig zu einer höheren Kundenbindung führen würde und 23,4 Prozent sieht darin sogar eine Steigerung im Ansehen der Vermittler. 18,2 Prozent finden, dass eine Nettopolice gegenüber klassischen Produkten konkurrenzfähig ist.

Auf die Frage nach den Abschlussvergütungen bei Nettoprodukten, antworteten 57,1 Prozent, also jener Teil, der noch fest darauf setzt, dass die Gesetzesinitiative im Sande verlaufen wird, dass sie aktuell keine Nettopolicen anbieten. Die Gruppe der netto-affinen Nutzer lässt sich wiederum in drei fast gleich große Bereiche aufteilen: 15,6 Prozent regeln dies als Beratungsleistung über den Stundensatz, 13,0 Prozent über Plattformen wie Nettowelt und 10,4 Prozent lassen es sich durch Factoring vorfinanzieren.

Vorsorge darf kein Exklusivthema werden

Matthias Beenken, Wirtschaftsprofessor an der FH Dortmund sieht die freiwillige Altersvorsorge durch den Provisionsdeckel in Gefahr. Dem Beratungsnotstand würde Beenken zufolge ein Notstand in der Altersvorsorge folgen. Vorsorge würde dann zu einem Exklusivthema werden, das allein Wohlhabenden vorbehalten wäre. Naturgemäß sehen 66,2 Prozent der Befragten die private Altersvorsorge als sehr wichtig an, die schon frühzeitig in den Schulen auf dem Lehrplan stehen sollte. 49,4 Prozent gaben an, dass man sich dabei verstärkt auf Aktieninvestments konzentrieren sollte, ein deutlicher Hinweis auf die zunehmende Bedeutung fondsgebundener Produkte.

Wenn denn – wie vom VZBV vorgeschlagen – qua Provisionsdeckel oder gar -verbot der Verkäufer zum Berater veredelt werden würde, würde dann das schlechte Image des Versicherungsvertreters schlagartig in ein positives umschlagen? 41,6 Prozent der Befragten gaben an, dass sich ihr Berufsimage jetzt schon verbessert hätte, während 27,3 Prozent meinten, dass es durch die Honorarberatung noch verbessert werden könnte.

19,5 Prozent bewerten das Image des Versicherungsmaklers als denkbar schlecht und 14,3 Prozent gaben sogar an, dass es sich verschlechtert hat. 11,7 Prozent können jedoch auch in der Honorarberatung keine Verbesserung des Images von Versicherungsmaklers erkennen.

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Ist es also gar nicht so, wie von Gatschke behauptet, dass provisionsgetriebener Verkauf automatisch zu Schlecht- und Falschberatung führt? Wir denken, dass ist ein Trugschluss. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass der Versicherungsmarkt mit seinen Kunden künftig offen über die Vergütung von Beratungsleistungen sprechen muss.

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