Viele Gründe sind denkbar für einen Wechsel aus der Ausschließlichkeit (AO) in die freie Maklerschaft. So wünschen sich viele Wechselwillige mehr Unabhängigkeit. Hinzu kommt der Kostendruck: Unternehmen suchen insbesondere im Vertrieb neue Einsparmöglichkeiten oder lagern Tätigkeiten aus. Als Beispiel genannt sei der Umbau des deutschen Vertriebsgeschäfts durch den Triester Versicherungsriesen Generali – große Teile der Ausschließlichkeit wurden an die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) abgegeben. Auch Allianz-Vorstandschef Oliver Bäte macht in Interviews immer wieder deutlich: Die Vertriebskosten müssen runter.

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In Zeiten, in denen die Digitalisierung zunehmend ebenfalls Kostendruck ausübt, scheint der Gang in die freie Maklerschaft oft ein lohnenswerter Weg für den gebundenen Versicherungsvertreter. Denn trotz aller Meldungen über digitale Konkurrenz, die Zunahme von Online-Abschlüssen für bestimmte Produkte und über verschlankte Vertriebsstrukturen: Noch immer ist das Büro oder die Filiale für den Abschluss einer Versicherung der wichtigste Ort, wie verschiedene Studien auch aktuell wieder zeigen (verwiesen sei zum Beispiel auf die aktuelle „Unternehmensstudie Versicherungen 2019“ des Marktforschers research tools). Geht es um langfristige Sicherheit, möchte der Mensch nicht auf menschliche Beratung verzichten.

Wechsel in die Maklerschaft erfordert gute Vorplanung

Was aber ist zu beachten beim Weg aus der Ausschließlichkeit und damit beim Wechsel vom Versicherungsvertreter (gemäß den Paragraphen 84 ff. Handelsgesetzbuch) zum Versicherungsmakler (gemäß den Paragraphen 93 ff. HGB)? Der Prozess will gut vorbereitet und geplant sein, wie Stefan Liebig, Geschäftsführer der vfm-Gruppe, gegenüber dem Versicherungsboten äußerte. Stehen doch verschiedene Aufgaben an – von der Firmengründung und der damit verbundenen Wahl der Rechtsform bis hin zur IT-Ausstattung und eventuell der Personalführung.

Ein besonderes Thema aber sind Ansprüche und Pflichten gegenüber jenem Unternehmen, mit dem ein Versicherungsvertreter vertraglich verbunden war. Einige Tipps sollen im Folgenden helfen, zumindest überblicksartig Beachtenswertes herauszustellen. Eine professionelle Beratung und ein Mentoring ersetzt das freilich nicht.

Handelsvertreter gemäß den Paragraphen 84 ff. HGB nehmen eine Mittelposition ein: Zwar treten sie als Unternehmer selbstständig und eigenverantwortlich auf. Jedoch sind sie oft an ein Unternehmen oder mehrere Unternehmen gebunden und in gewisser Weise auch von der Zusammenarbeit mit den Gesellschaften abhängig. Das führt zu bestimmten Rechten bei Beendigung des Vertragsverhältnisses, die – wie zum Beispiel das Recht auf Ausgleichsanspruch für den Bestand oder das Recht auf einen sogenannten Buchauszug für Provisionsberechnungen – das Interesse des Versicherungsvertreters wahren sollen.

Zugleich führt die enge Verbindlichkeit aber auch zu bestimmten Pflichten – genannt sei die Pflicht zu anteiligen Provisionsrückzahlungen für stornierte Verträge oder ein einschränkendes Verbot für die Verwertung gewonnener Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse eines Unternehmens durch den Vertreter. Auch führen Provisions- und Ausgleichsansprüche häufig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, zumal nicht hinter jeder Vertragsauflösung eine einvernehmliche Entscheidung zwischen Vertreter und Unternehmen besteht. Aus diesem Grund ist es gut, mit einigem Wissen zur rechtlichen Lage für den Schritt in die freie Maklerschaft gewappnet zu sein.

Buchauszug sichert dem Vertreter Transparenz

Der Gesetzgeber hat dem Handels- und Versicherungsvertreter ein besonderes Recht eingeräumt – das Recht auf einen sogenannten Buchauszug nach § 87c des Handelsgesetzbuches. Dieses Recht kann nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden – es gilt uneingeschränkt. Der Vertreter kann Mitteilung über alle Umstände verlangen, die für den Provisionsanspruch, seine Fälligkeit und seine Berechnung wesentlich sind. Bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Angaben, kann der Vertreter sogar einen Wirtschaftsprüfer festlegen.

Damit gibt der Gesetzgeber dem Handels- und Versicherungsvertreter ein Mittel zur Hand, das wegen der erforderlichen Transparenz und auch wegen des notwendigen Aufwands von den Unternehmen durchaus gefürchtet ist. Der Buchauszug sichert, dass ein Vertreter über alle für ihn relevanten Informationen verfügen kann.

Kündigungsfristen

Wie lässt sich überhaupt ein Vertragsverhältnis kündigen, das auf unbestimmte Zeit eingegangen wurde? Fristen regelt der Paragraph 89 des Handelsgesetzbuches (HGB). Außerdem definiert Paragraph 89a HGB in Verbindung mit den Paragraphen 626 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) Bedingungen für eine Kündigung, die ohne Einhaltung der vorgegebenen Fristen geschieht.

Zunächst gilt: Im Vertrag zwischen Unternehmen und Vertreter können eigene Fristen vereinbart worden sein, diese müssen aber den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. So darf zum Beispiel die Kündigungsfrist für den Unternehmer nicht kürzer sein als für den Vertreter – ist dies dennoch der Fall, verliert die Frist des Unternehmers seine Gültigkeit und die längere Frist für den Vertreter wird ebenfalls für den Unternehmer verbindlich.

Gibt es aber keine vertraglichen Regelungen, gilt laut Gesetz Folgendes: Im ersten Jahr der Vertragsdauer kann mit einmonatiger Frist, im zweiten Jahr mit zweimonatiger Frist und vom dritten bis zum fünften Jahr der Vertragsdauer mit dreimonatiger Frist gekündigt werden. Nach einer Vertragsdauer von fünf Jahren gilt hingegen eine Kündigungsfrist von sechs Monaten. Zulässig ist die Kündigung nur für den Schluss eines Kalendermonats. Bei fristgerechter Kündigung müssen keine Gründe angegeben werden.

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Anders hingegen verhält es sich bei einer fristlosen Kündigung – diese muss „aus wichtigem Grund“ geschehen und bedarf einer schriftlichen Begründung.
Gerechtfertigt ist die fristlose Kündigung laut Paragraph 626 BGB dann, wenn das Verhalten der einen Vertragspartei zu unzumutbaren Bedingungen für den kündigenden Vertragspartner führt. Entstehen durch das vorzeitige Auflösen des Vertrags Schadenersatzansprüche so müssen diese nach Paragraph 89a Artikel 2 HGB ausgeglichen werden.

Was es beim Ausgleichsanspruch zu beachten gilt

Neben der fristgerechten und der sogenannten außerordentlichen fristlosen Kündigung ist auch eine Auflösung des Vertrags in beidseitigem Einvernehmen der Vertragsparteien möglich, die zudem Spielraum für Verhandlungen lässt. Zu beachten beim Thema „Kündigung“ ist: Trotz ordnungsgemäßer fristgerechter Kündigung verliert der Versicherungsvertreter den Ausgleichsanspruch gemäß Paragraph 89b HGB, falls er selbst kündigt. Dieser Anspruch hingegen besteht, sobald ein Handelsvertreter ohne schuldhaftes Zutun gekündigt wird. Ein solcher Fall liegt vor bei einer ordentlichen und fristgerechten Kündigung des Vertrags durch das Unternehmen.

Der Anspruch auf Ausgleich besteht außerdem, wenn zwar der Vertreter kündigt, das Unternehmen aber eine außerordentliche fristlose Kündigung durch den Handelsvertreter verschuldet. Zudem definiert das Handelsgesetz eine Ausnahme: Ausgleichsanspruch für den Bestand gilt nämlich auch, wenn der Versicherungsvertreter fristgerecht gekündigt hat, die Ursache dieser Kündigung aber aus Altersgründen geschieht oder durch Krankheit begründet ist. Bedingung ist auch in diesem Fall, dass dem Vertreter die Tätigkeit nicht weiter zuzumuten ist.

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Für was aber bestehen Ausgleichsansprüche, und in welcher Höhe? Ein Handelsvertreter kann nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen gemäß Paragraph 89b HGB, wenn:

  • der Unternehmer aus der Vermittlung neuer Versicherungsverträge durch den Vertreter auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat. ( Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Celle vom 16.02.2017 (Az. 11 U 88/16) kann die Bedingung bereits ab einer Intensivierung um mehr als 50 Prozent des bestehenden Vertrages eintreten.
  • die Zahlung eines Ausgleichs der Billigkeit entspricht.

Die Höhe des Ausgleichsanspruchs:

Unsicherheiten über die Höhe des Ausgleichsanspruchs werden anhand vieler Auseinandersetzungen vor Gericht deutlich. Zunächst gilt: Der Höchstbetrag ist in Paragraph 89b Absatz 5 HGB festgelegt und beträgt für Versicherungsvertreter höchstens drei Jahresprovisionen oder Jahresvergütungen. Da aber darüber hinaus keine Angaben durch das Handelsgesetzbuch erfolgen, haben sich Spitzenverbände der Versicherungswirtschaft und des Versicherungs-Außendienstes auf sogenannte Grundsätze für den Ausgleich geeinigt ("Grundsätze-Sach", "Grundsätze-Leben", "Grundsätze-Kranken" und „Grundsätze-Bauspar“). Diese Grundsätze können zur Orientierung dienen, aber auch zur richterlichen Schätzung eines Mindestausgleichsbetrags, wie ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zeigt (Urteil vom 23.11.2011; Az. VIII ZR 203/10).

Stornoreserven und Provisionsrückforderungen

Werden vermittelte Versicherungsverträge innerhalb einer bestimmten Frist storniert, müssen Provisionen anteilig zurückgezahlt werden. Auch dieser Punkt führt zu vielen Unsicherheiten bei Ende eines Vertragsverhältnisses zwischen Unternehmen und Handelsvertreter, aber auch zu vielen gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Grundsätzlich gilt: Die Rückforderung von Provisionen ist an enge Voraussetzungen geknüpft und insbesondere an strenge Nachweispflichten für ein Unternehmen. Das gilt auch für die Stornoreserve beziehungsweise das sogenannte „Provisionsrückstellungskonto“. Unternehmen legen oft eine Reserve an, um Stornierungen abzusichern – branchenüblich sind hierbei 10-20 Prozent. Jedoch gilt: Die Reserve ist verdiente Provision des Vertreters und muss letztendlich an den Vertreter ausgezahlt werden, wenn keine Gründe für Provisionsrückzahlungen vorliegen oder wenn das Unternehmen Stornierungen der Verträge nach Ausscheiden des Vertreters selbst verursacht hat.

Ein Unternehmen muss folglich jede Buchung zweifelsfrei nachweisen, wenn es die Stornoreserve eines Handelsvertreters nach Ende der Zusammenarbeit nicht auszahlen will. Kann das Unternehmen dies nicht, so kann der Handelsvertreter schlichtweg bestreiten, dass die Abrechnung korrekt ist und eine Auszahlung verlangen. Dies hat das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) mit einem Urteil vom 13.09.2017 (Az.: 15 U 7/17) bestätigt.

Besondere Anforderungen an die Transparenz beim Einbehalten von Provisionen veranschaulicht zudem ein Urteil des Landgerichts (LG) Meiningen vom 23.03.2016 (Az. 1 O 936/14). Dieses Urteil schlüsselt mit Bezug auf einbehaltene Stornoreserve detailliert auf, welche Angaben durch ein Unternehmen notwendig sind, wenn Forderungen wegen der Rückerstattung geleisteter Provisionen gegen einen Versicherungsvertreter geltend gemacht werden sollen. So muss das Unternehmen nachweisen:

  • Wann wurde welche konkrete Versicherung durch den Versicherungsagenten vermittelt?
  • Wann wurde dem Versicherungsagenten hierfür eine Provision in welcher Höhe ausbezahlt?
  • Wie hoch ist eine jeweils und insgesamt einbehaltene Stornoreserve?
  • Wann und warum ist eine Stornierung des Versicherungsvertrages erfolgt?
  • Wann erlangte die Versicherung hiervon Kenntnis?
  • Welche konkreten Nachbearbeitungen wurden von dem Unternehmen selbst oder durch Dritte für die Erhaltung des Versicherungsvertrages ausgeführt?
  • Wie errechnet sich konkret die anteilig zurückzufordernde Provision und in welcher Höhe ist die Provision zum Datum der Stornierung bereits verdient?
  • Welche Nachbearbeitungsmaßnahmen wurden für jeden einzelnen Vertrag getroffen?

Erst, wenn das Unternehmen diese Angaben in jener Art beantworten kann, die ein Einbehalten von Provisionen oder eine Rückforderung anteiliger Beträge rechtfertigt, darf sie Ansprüche geltend machen. Ansonsten sind Rückforderungen unbegründet und auch einbehaltene Reserven müssen an den Vertreter ausgezahlt werden.

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Zudem ist zu beachten: Sobald die Stornohaftungszeit eines einzelnen Vertrages abläuft, besteht für den Vertreter auch Anspruch auf die jeweilige Provisionsreserve. Ungültig hingegen sind Klauseln, die Ansprüche erst dann erklären wollen, wenn alle Verträge des Vertreters aus der Haftung entlassen sind – Unternehmen versuchten in der Vergangenheit immer wieder, die Zahlung einzelner Reserven hinauszuzögern, bis quasi der gesamte Bestand eines Vertreters „aus der Haftung“ ist. Derartige Praktiken führen jedoch dazu, dass Versicherungsvertreter unangemessen benachteiligt werden, zumal die Vertreter durch diese fragwürdige Praxis auch langfristige Risiken einer möglichen Insolvenz der Unternehmen aufgebürdet bekommen. Aus derartigen Gründen erklärte das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Urteil vom 26.10.2012 (Az. - I-16 U 134/11) solche Klauseln auch für unwirksam.

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