An Amazon kommen die großen Versicherer nicht vorbei. Und doch erstaunt, wie sich die Aussagen unterscheiden, stellt man zwei Interviews der Süddeutschen gegenüber. Da ist, auf der einen Seite, Allianz-Chef Oliver Bäte. Dieser bezeichnete in einem Interview vom Januar dieses Jahres den mächtigen Wettbewerber als „gefährlich“. Denn bei Amazon könne man "nach Windeln suchen oder nach einer Autoversicherung". Amazon stünde drauf, aber "kein Mensch weiß, was dahinter steht“. Der Onlinegigant verfüge über ein Quasi-Datenmonopol, sei aber vergleichsweise intransparent und kaum reguliert (der Versicherungsbote berichtete).

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"Benchmark Amazon" vs. Servicewüste

Anders hingegen klingen die Aussagen, die Ulrich Leitermann, Vorsitzender der Vorstände der Signal Iduna Gruppe, in Bezug auf den Internet-Giganten äußert. Denn in einem aktuellen Interview mit der Süddeutschen bezeichnet Leitermann Amazon als „Benchmark“: im Grunde ein positives Vorbild, an dem sich auch Versicherer orientieren müssen. Keineswegs werden hierbei negative Eigenschaften der mächtigen Konkurrenz herausgestellt. Stattdessen erscheint Amazon als positiver Kontrast zu einer „Servicewüste“ – ein Begriff, mit dem Leitermann die traditionelle Beratungslandschaft vieler Versicherer charakterisiert. Der Signal Iduna-Chef mahnt folglich an: „Die Versicherer müssten sich sehr anstrengen, einen vergleichbaren Kundenservice zu erreichen.“

Amazon als Konkurrent mit Vorbild-Wirkung? Für unsere Leser eine keineswegs überraschende Aussage. Denn eine vergleichbare Position äußerte Leitermann zuvor schon in einem Interview mit dem Versicherungsboten. Zudem erklärte Leitermann: Bei den großen Technologie-Unternehmen wie Amazon, Netflix oder booking.com erhalte der Kunde mit minimalem eigenem Aufwand ein „effektives, effizientes und zufriedenstellendes Service-Erlebnis“. Fände man doch "ohne komplizierte Prozesse oder Rückfragen rasch eine zufriedenstellende Lösung" für ein Problem. Zurecht würden sich die Kunden also fragen, warum es einen solchen Service nicht auch bei Versicherungen gibt.

Für Leitermann wird diese Frage nach einem einfachen Kundenservice auch beim Erfolg von Versicherungen zukünftig entscheidend – und zwar mehr, als es die Kosten sind. In diesem Kontext erklärt er gegenüber der Süddeutschen auch: Die Belegschaft müsse davon überzeugt werden, „dass sie anders arbeiten muss“.

„Vision2023“: Transformationsprogramm kostet bereits 20 Millionen Euro

Doch nicht nur andere Einstellungen und Arbeitsweisen, sondern sogar ein Upgrade der gesamten Unternehmenskultur ist für die Signal Iduna-Gruppe geplant. Geleistet werden soll der angestrebte Wandel durch ein Transformationsprogramm, der „Vision2023“. Für das Miteinander im Konzern stellte Leitermann gegenüber dem Versicherungsboten hierzu konkrete Forderungen: Im Unternehmen sollen weniger Hierarchien, weniger „Silos“, mehr Eigenverantwortung für den einzelnen Mitarbeiter und auch mehr Transparenz bei Informationen und Entscheidungen erreicht werden. Laut einer aktuellen Pressemitteilung hat der Versicherer bereits 20 Millionen Euro in dieses Transformationsprogramm investiert.

Dass insbesondere der technische Transfer und der digitale Wandel nicht ohne Zusammenarbeit funktioniert, diese Erkenntnis hat sich auch bei Leitermann durchgesetzt. Liege doch „die Zukunft“ in Kooperationen, stellt der Vorstandschef im Interview mit der Süddeutschen heraus. Solche Kooperationen können und müssen sogar mit der potentiellen Konkurrenz erfolgen.

Beispielhaft für eine solche Zusammenarbeit mit Wettbewerbern sind technische Systeme, die insbesondere für die Krankenversicherung von immer mehr Anbietern gemeinsam genutzt und entwickelt werden. So setzt die Signal Iduna auf eine Lösung, die der IT-Dienstleister IBM Deutschland entwickelt – die elektronische Gesundheitsakte (eGA). Das System wird ebenso von der DKV und der Central unterstützt (der Versicherungsbote berichtete) und sogar von der Techniker Krankenkasse (TK). Es soll mit den bestehenden mobilen Anwendungen der Versicherer verbunden werden.

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Für ein ähnliches Portal, "Meine Gesundheit“, kooperiert zum Beispiel die Debeka mit anderen Versicherern wie der Axa oder der HUK-Coburg (der Versicherungsbote berichtete). Wie Leitermann warb auch Debeka-Chef Thomas Brahm erst kürzlich in einem Interview mit der Süddeutschen für derartige Kooperationen bei der Digitalisierung der Krankenversicherung (der Versicherungsbote berichtete).

Aktuelle Geschäftszahlen: Signal Iduna sieht sich auf gutem Weg

Insgesamt sieht sich die Signal Iduna auf einem guten Weg, wie auch die jüngste Presseerklärung des Versicherers zum Geschäftsjahr 2018 beweist. So stiegen laut eigener Darstellung die Beitragseinnahmen der Signal Iduna Gruppe in 2018 um 0,9 Prozent auf 5,74 Milliarden Euro. Darüber hinaus hätte sich das Gesamtergebnis mit 719,4 Millionen Euro auf hohem Niveau stabilisiert.

Zudem vermeldet die Krankenversicherung der Signal Iduna einen Netto-Zugewinn von 5.658 Vollversicherten, die gebuchten Bruttobeiträge aller Kompositversicherungsgesellschaften stiegen außerdem um 2,6 Prozent auf jetzt rund 1,5 Milliarden Euro.

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Einziger Wermutstropfen aus Branchensicht: Der Versicherer vermeldet auch sinkende Beschäftigungszahlen. Sank doch die Zahl der Beschäftigten (einschließlich selbstständige Außendienstpartner und Auszubildende) im vergangenen Jahr um 440 (und damit um 4,1 Prozent) auf 10.200 Mitarbeiter, wie die Presseerklärung bekannt gibt. Gründe hierfür werden leider nicht genannt.


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