ein Kommentar von Axel Kleinlein

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Es ist eine uralte Diskussion, vielleicht sogar die älteste im Verbraucherschutz, wenn es um Finanzdienstleistungen geht. Es ist mehr als 100 Jahre her, als das erste Mal im damaligen Reichstag in Berlin über die Zillmerung, die Abschlusskosten und die Provisionen in der Lebensversicherung gestritten wurde. Damals wurde über eine Zillmerung in Höhe von 3,5 Prozent der garantierten Leistungen diskutiert. Über hundert Jahre später hat sich nicht viel geändert. Die Diskussion ist fast immer noch die gleiche, zwar auf anderem Niveau, aber an manchen Stellen ähnlich verwirrend. Das liegt erst einmal an ein paar Begrifflichkeiten, die geklärt werden müssen.

In der politischen Diskussion werden zum Beispiel Abschlusskosten und Provisionen zuweilen als synonym verwendet. Einige Abgeordnete waren zum Beispiel 2014 der Überzeugung, dass die Senkung der über die Zillmerung angesetzten Abschlusskosten auch zu niedrigeren Provisionen führt. Dem ist aber nicht so.

Denn die Abschlusskosten sind erst einmal nur das, was den Verbraucher*innen über die Kalkulation in Rechnung gestellt wird. Das ist das, wofür echtes Geld von den Versicherten an das Versicherungsunternehmen fließt. Dieses Geld ist weg und zwar mit der Begründung, dass der Abschluss des Vertrages bezahlt werden muss. Denn man benötigt ja Geld dafür, dass es Menschen gibt, die den Vertrag in der EDV anlegen, die Unterlagen ablegen und womöglich auch eine Risikoprüfung vornehmen. Und zusätzlich fließen womöglich auch Provisionen für die Vermittlung. Alle diese Kosten, die „tatsächlichen Abschlusskosten“, werden dann im Fachjargon als „Abschlusskosten zweiter Ordnung“ bezeichnet. Die sollten üblicherweise immer etwas niedriger sein als das, was an Abschlusskosten einkalkuliert wurde.

Gezielte Fehlkalkulation und Interessenskonflikte

Die Provisionen sind also nur ein Posten in den tatsächlichen Abschlusskosten. Das Problem: Sie sind oft höher als die anfangs einkalkulierten Abschlusskosten. Das bedeutet aber dann, dass sich das Versicherungsunternehmen gezielt verkalkuliert. Es rechnet von vornherein mit unrealistisch niedrigen Abschlusskosten. Unterm Strich führt das dann zu Kostenverlusten beim Vertragsabschluss, die normalerweise wiederum vom restlichen Kostenergebnis ausgeglichen werden müssen. Eigentlich ist hier die Aufsichtsbehörde BaFin gefordert. Denn eine unrealistische Fehlkalkulation darf nicht erfolgen. Leider handelt die BaFin hier aber nicht so strikt, wie man sich das wünschen würde.

Ursächlich für dieses Problem sind also hohe Provisionen. Hohe Provisionen nötigen die Versicherungsunternehmen zur Fehlkalkulation.

Das Hauptproblem bei den Provisionen ist aber der Interessenskonflikt, der sich aus ihnen ergibt. Wer Versicherungen vermittelt, macht dies ja auch, um Geld zu verdienen. Das ist gut und richtig so. Denn zu einer guten Vermittlung gehört eine gute Beratung. Die kostet Zeit, und wer berät, muss gut ausgebildet sein. Dies kostet Geld.

Wenn es aber nun Verträge gibt, bei deren Vermittlung besonders hohe Provisionen fließen, dann könnten Vermittler*innen versucht sein, genau diese Verträge bevorzugt zu vermitteln. Wer gierig ist, wird versuchen jene Verträge besonders häufig an den Mann und die Frau zu bringen, bei denen besonders hohe Provisionen winken.

Hohe Provisionen werden aber oft nicht für die guten Verträge gezahlt. Dieser Umstand liegt in der Natur der Sache und ist unternehmenspolitisch begründet. Wenn ein Lebensversicherer seine Produkte nicht über bessere Versicherungsleistung gegenüber dem Wettbewerb darstellen und dadurch mehr Verträge verkaufen kann, muss er den Verkauf durch höhere Provisionen anheizen. Daher bekommen die Kunden dann eben nicht besonders gute Verträge, wenn sich die Vermittlung an hohen Provisionen orientiert. Und hier liegt eben der Interessenskonflikt: Wer vermittelt, muss entweder geringere Provisionen in Kauf nehmen oder es werden eben nicht die besten Verträge vermittelt. Oder noch schlimmer – die Vermittlung eines Vertrages erfolgt unter Umständen auch dann, wenn es vorteilhafter für den Kunden wäre, keinen Lebensversicherungsvertrag abzuschließen.

Die Gesellschaft sitzt mit am Verhandlungstisch

Provisionen führen also zu einem essentiellen Interessenskonflikt – und eine hohe Provision vergrößert den Interessenskonflikt. Und der wiegt deswegen umso schwerer, da bei vielen Verträgen indirekt auch die gesamte Gesellschaft mit am Verhandlungstisch sitzt. Es geht ja um viele Milliarden an Riester-Zulagen und Steuervergünstigungen. Denn noch immer genießt die kapitalbildende Lebensversicherung ein Steuerprivileg. Die Versicherungsindustrie wird durch Steuergelder subventioniert. Außerdem müssen die Lebensversicherer einen wesentlichen Anteil ihrer Kundengelder in Staatsanleihen anlegen. Das heißt, die Versicherungsprämien werden in Staatsschulden investiert. Der Staat subventioniert also renditeschwache Verträge, um sich kostengünstig verschulden zu können – und über Provisionen wird die Vermittlung von staatlichen Schuldtiteln vergütet. Dies sei aber nur am Rande erwähnt.

Und deshalb gibt es von Verbraucherschutzseite ein besonders nachhaltiges Interesse daran, dass der Interessenskonflikt in Sachen Provisionen gelöst wird.

Eine simple Lösung für das Provisions-Problem wäre es, Provisionen einfach zu verbieten. Was das bringt? Es müsste sich eine neue Vertriebskultur etablieren, die auf Honorarvergütung setzt. Dann gälte es zu prüfen, ob eine verpflichtende Honorarordnung nicht flankierend einzuführen wäre, um Honorarexzesse zu verhindern. Es ist zu befürchten, dass sich dann eine Diskussion über Deckelung von Honoraren ergeben könnte. Ein Provisionsverbot würde also nur einen weiteren Nebenkriegsschauplatz eröffnen.

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Eine andere Lösung ist es, das System der Provisionen auf ein angemessenes Niveau zu führen. Was angemessen ist? Auf keinen Fall mehr als das, was in der Vergangenheit üblich war. Gemessen an den garantierten Leistungen würde das umgerechnet bedeuten, dass maximal ein Provisionssatz von 1,5 Prozent der Beitragssumme vertretbar wäre. Wenn das aber nicht gelingt, dann bliebe nur das Provisionsverbot und eine strikte Regulierung der Honorare – vergleichbar mit den Vergütungsordnungen für Rechtsanwälte oder Steuerberater – als Ultima Ratio.

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