Es war ein Aufregerthema im Juni: Die Axa hatte tausende Verträge ihrer Unfall-Kombirente gekündigt beziehungsweise mit der Kündigung gedroht. Grund ist, dass diese Verträge für den Versicherer schlicht ein Minusgeschäft bedeuten, weil er sich verkalkuliert hatte. Unter anderem wurden bei den Gesundheitsfragen nur unzureichend Allergien und frühere Sportverletzungen abgefragt, berichtet die "Süddeutsche".

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Von 2006 bis 2010 wurden die Policen als Alternative zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) verkauft. Schon bei einer 50prozentigen Invalidität nach einem Unfall, bei schweren Schädigungen eines wichtigen Organs, zum Beispiel Gehirn und Lunge oder ab Pflegestufe 1 sollten die Versicherten eine monatliche Rente zwischen 500 und 3.000 Euro ausgezahlt bekommen - und zwar lebenslang.

Betroffene sollen in einen anderen Vertrag wechseln

Der Versicherer unterbreitet nun seinen Kund*innen ein Alternativangebot: Gekündigt werden sie nur, wenn sie bis zum 19. März 2019 nicht in eine sogenannte Existenzschutzversicherung wechseln. Wobei die Frage erlaubt sei, ob die Axa damit den Betroffenen die Pistole auf die Brust hält. Die Verträge sind weniger attraktiv, bieten unter anderem eine Rente nur bis zum 67. Lebensjahr. Bei Krebserkrankungen zahlt der Versicherer gar nur für 60 Monate eine Rente aus, während er bei der Kombirente lebenslang leisten müsste. Auch sind die Policen teurer.

Für viele Versicherungsnehmer dürfte sich die vermeintliche Alternative als Lose-Lose-Situation entpuppen: Wollen sie zu einem anderen Anbieter wechseln, wirken sich bei den Gesundheitsfragen das fortgeschrittene Alter und mittlerweile aufgetretene Vorerkrankungen negativ aus. Sie müssen mit deutlichen Aufschlägen und Ausschlüssen rechnen. Also wird ihnen kaum etwas anderes übrig bleiben, als das unattraktivere Angebot der Axa zu akzeptieren.

Allerdings gibt es auch Verbesserungen, wenn die Kombirentner das Wechselangebot wahrnehmen. So zahlt die Axa bei dem Existenzschutz-Tarif für Krebs bereits ab einem zeitigeren Stadium. Von der Kündigung ausgenommen sind alle Versicherungsnehmer, die im letzten Jahr mindestens 58 Jahre alt waren. Auch Policen mit Beitragsrückgewähr bleiben bestehen.

“Diesen Brocken muss man nicht einfach herunterschlucken!“

Die Kündigung beschäftigt nun auch die Verbraucherzentrale Hamburg. Sie ist Marktwächter für Versicherungen - und damit ein relevanter Ansprechpartner, wenn sich Versicherungsnehmer benachteiligt fühlen. In einem Pressetext vom 13. August berichten die Hansestädter, dass sich zahlreiche Betroffene beschwert hätten. Und positioniert sich nun erstmals dazu, wie sie die Sache einschätzen.

Nach Ansicht der Verbraucherzentrale haben die Versicherten durchaus Optionen, um sich gegen die Kündigung zu wehren. „Zahlreiche Schilderungen von Verbrauchern zeigen, dass das Produkt nicht vorrangig als Unfallversicherung, sondern als Alternative zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung vermittelt wurde“, berichtet Kerstin Becker-Eiselen, Sprecherin der Verbraucherzentrale. Bei Berufsunfähigkeitsversicherungen sei eine ordentliche Kündigung laufender Verträge seitens der Versicherungsgesellschaften nach allgemeiner Ansicht ausgeschlossen. “Diesen Brocken muss man nicht einfach herunterschlucken!“, so die Versicherungsexpertin.

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Die Verbraucherzentrale rät Betroffenen dazu, Widerspruch gegen die angedrohte Kündigung einzulegen und den Vorstand des Versicherers auffordern, auf das ordentliche Kündigungsrecht zu verzichten. „Gleichzeitig ist es sinnvoll, die von der Axa gewährte Fristverlängerung zu nutzen, um Ausschau nach einem besseren Angebot zu halten“, so Becker-Eiselen. Verbraucher, die bereits einen Wechsel akzeptiert haben, sollen sich zudem erkundigen, ob die spätere Frist auch für sie gilt - und ebenfalls widersprechen.

...fraglich, ob Widerspruch Erfolg hätte

Die Axa zeigt sich hart und wird die Widersprüche der Verbraucher nicht akzeptieren, so weiß das Versicherungsjournal. Man habe in den Vertragsbedingungen der Kombi-Rente ein Kündigungsrecht festgeschrieben, so berichtete ein Sprecher dem Fachportal. Auch handle es sich keineswegs um eine Berufsunfähigkeitsversicherung, sondern um eine Unfall-Police: diese dürfe vom Versicherer einseitig aufgekündigt werden. Der Versicherungs-Ombudsmann habe sich in einem konkreten Fall dieser Auffassung angeschlossen. Wer nicht in die ungünstigere Alternative "Existenzschutz" wechseln will, wird folglich von der Axa vor die Tür gesetzt und steht ohne Absicherung da.

Unklar ist auch, ob die Verbraucher in einem Rechtsstreit triumphieren können. So muss Kerstin Becker-Eiselen gegenüber dem Versicherungsjournal einräumen, dass die Erfolgsaussichten vage sind. „Letztlich ist die Frage juristisch einfach nicht geklärt. Über die Aussichten kann man spekulieren, aber definitive Aussagen kann man dazu nicht treffen“, so die Verbraucherschützerin. Die Betroffenen müssen befürchten, dass sie bis in die höchste Instanz den Rechtsstreit durchfechten müssen - mit all dem damit verbundenen Aufwand und den Kosten.

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Hoffnung könnte die sogenannte Musterfeststellungsklage bringen. Sie soll es Verbrauchern erlauben, dass sie sich vor Gericht von einem Verbraucherverband vertreten lassen, um gemeinsam gegen Konzerne zu klagen. Doch die Hürden sind sehr hoch. Innerhalb von zwei Monaten müssen sich mindestens 50 Menschen finden, die sich in ein Klageregister eintragen lassen und dann gemeinsam agieren wollen (der Versicherungsbote berichtete).

Doch ganz gleich, ob die Axa den Rechtsstreit für sich entscheidet: Der Image-Schaden ist schon da. Überregionale Medien haben über die Kündigungen der Unfall-Rente berichtet, darunter die Süddeutsche, FAZ, Handelsblatt und Focus Online. Indirekt steht die Axa dabei als Versicherer da, der seine Kund*innen im Regen stehen lässt, wenn er selbst schlecht kalkulierte. Es bleibt die Frage, ob damit der Schaden nicht größer ist, als wenn der Versicherer den Betroffenen mehr Entgegenkommen gezeigt hätte.

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