So hat auch die Allianz ihre Korrektur des Rentenfaktors zum Jahresanfang 2017 damit begründet, dass der Treuhänder die Korrektheit bestätigt habe. Beim Rentenmodell „Indexselect“ wird demnach für die Umrechnung von Kapital in eine Monatsrente nicht mehr der Rechnungszins von 2,75 oder 2,25 Prozent zugrunde gelegt, sondern nur noch von 1,75 Prozent. Die Rentenfaktoren seien vertraglich zwar avisiert, aber nicht zugesichert worden, sagte damals ein Unternehmenssprecher der „FAZ“. Die Garantien würden aber weiterhin erfüllt.

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Versicherern droht Streit an mehreren Fronten

Dennoch gibt es nun gleich mehrere Ansatzpunkte, bei denen die Versicherer einen Rechtsstreit fürchten müssen. Abhängig ist das -wie oben bereits erwähnt- vom jeweiligen Einzelfall und dem konkreten Vertragstext:

  1. Fraglich ist, ob eine einseitige Kürzung zu Lasten des Kunden zulässig ist. Rechtsanwalt Pilz verweist gegenüber der “Wirtschaftswoche" auf Paragraph 163 des Versicherungsvertragsgesetzes. Dort ist festgesetzt, wann die Versicherer ihre Prämien neu festsetzen dürfen. Von einer Anpassung der Leistungen zum Nachteil der Kunden stehe da nichts. Ebenfalls problematisch: In den meisten Verträgen gebe es nur eine Klausel für das Kürzen der Leistung, nicht aber die Anhebung: also immer nur zum Nachteil des Kunden. Es müssten aber Änderungen in beide Richtungen möglich sein.
  2. War der Treuhänder unabhängig vom Versicherer? Dies ist Voraussetzung dafür, dass er über die Kürzung des Rentenfaktors entscheiden darf. Das bedeutet vor allem: der Treuhänder darf nicht materiell vom Versicherer abhängig sein, also über eine bestimmte Zeitspanne hinweg mehr als 30 Prozent seines Gehaltes von einem Unternehmen beziehen. Hier ist vor dem Bundesgerichtshof (BGH) gerade der Rechtsstreit über einen Axa-Treuhänder anhängig, der über Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung entschieden hatte. Zweimal schon hatten die Vorinstanzen entschieden, dass der Treuhänder nicht unabhängig sei, und die Prämienänderungen für unwirksam erklärt (der Versicherungsbote berichtete).
  3. Wurden die Altersvorsorge-Kunden korrekt beraten? Hier stellt sich die Frage, ob die Sparer ausreichend im Beratungsgespräch darauf hingewiesen wurden, dass der Rentenfaktor eben nicht garantiert ist, sondern mittels einer Klausel nach unten korrigiert werden kann. Die entsprechenden Forderungen werden dann freilich gegenüber den Vermittlern erhoben, die für Beratungsfehler haften. Aber auch Prospekte und Werbeanzeigen der Versicherer werden sich Anwälte sehr genau anschauen.

Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg warnt gegenüber der "Wirtschaftswoche" davor, dass sich die Altersvorsorge-Sparer zu viele Hoffnungen machen. Die Klauseln in den Verträgen, die eine Korrektur des Rentenfaktors erlauben, seien von Versicherer zu Versicherer sehr verschieden und teils konkreter formuliert als im Beispiel der Zurich. Doch der Branche droht mindestens ein Image-Schaden: Renten-Fondspolicen werden auch mit dem Versprechen beworben, dass sie in Zeiten des Niedrigzinses höhere Renditechancen versprechen als klassische Garantiezins-Verträge. Nun werden hier die Leistungen teils stark gekürzt: mit Verweis auf den Niedrigzins.

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