Will ein Handelsvertreter kein Neugeschäft mehr betreiben, sondern sich darauf konzentrieren, die Bestandskunden zu betreuen, so darf das sein Vertrieb nicht als einseitige Kündigung des Handelsvertretervertrages auffassen. Das hat mit einem Urteil das Oberlandesgericht München entschieden. Das Urteil ist rechtskräftig, eine Revision nicht zugelassen.

Anzeige

Mail an Geschäftsführer des Vertriebs

Im konkreten Fall hatte ein Handelsvertreter eine Email an den Geschäftsführer eines Vertriebs geschrieben. Darin erklärte er, dass er sich aus Altersgründen entschieden habe, das aktive Tagesgeschäft einzustellen, aber seine Kunden und die akquirierten Kontakte weiter bearbeiten wolle.

Der Handelsvertreter schlug in dem Schreiben ein Treffen vor, in dem er klären wollte, wie die weitere Zusammenarbeit aussehen kann – auch ohne Neugeschäft. Zudem forderte der Vertreter den Geschäftsführer auf, ihm mitzuteilen, ob er unter diesen Umständen noch mit ihm zusammenarbeiten wolle und in welcher Form.

Es kam aber nicht, wie sich der Absender des Schreibens das erhofft hatte. Stattdessen fasste der Vertrieb die Email so auf, dass der Handelsvertreter seine Zusammenarbeit einseitig gekündigt habe. Das führte dazu, dass der Vertreter auch seine Bestandsprovision verlor: Daraufhin zog er vor Gericht.

Email entsprach nicht einer einseitigen Kündigung

Vor dem Oberlandesgericht konnte sich der Handelsvertreter schließlich in letzter Instanz durchsetzen. Doch hierbei ging es vor allem auch um die Frage, ob eine solche Mail als einseitige Kündigung interpretiert werden darf. Dies sei nicht der Fall, wie die Richter betonten.

„Eine Kündigungserklärung muss eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass der Vertrag spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist beendet werden soll“, heißt es hierzu im Urteilstext. Eine derartige eindeutige Erklärung lasse sich der E-Mail nicht entnehmen. Im Gegenteil: Der Handelsvertreter hatte ja deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert ist.

“Es war für den Senat nicht ersichtlich, inwiefern die besagte E-Mail des Handelsvertreters eine Kündigung bedingen sollte, insofern besteht das Vertragsverhältnis durch das Urteil weiter“, kommentiert Tim Banerjee, Rechtsanwalt und namensgebender Partner der Kanzlei Banerjee & Kollegen in Mönchengladbach.

Es sei ein wichtiges Zeichen, dass das Vorbringen des klagenden Handelsvertreters, keine Neuakquise mehr durchführen zu wollen, den Vorschlag für die Vereinbarung einer Vertragsänderung und gegebenenfalls die Ankündigung einer Vertragsverletzung darstelle, jedoch keine Kündigungserklärung. „Das erleichtert es Handelsvertretern natürlich, sich strategisch anders aufzustellen", kommentiert Banerjee.

Anzeige

Ebenso hat das OLG das Recht des Handelsvertreters auf einen sogenannten Buchauszug nach § 87c des Handelsgesetzbuches (HGB) bestätigt, um zu überprüfen, ob die erteilte Provisionsabrechnung richtig und vollständig ist, und zwar im Hinblick auf jedes einzelne provisionspflichtige Geschäft. Dagegen hatte die Gesellschaft Berufung eingelegt.

Anzeige