Ein mutmaßlicher Versicherungsbetrug von enormen Ausmaß erschüttert derzeit Mitteldeutschland. In mehr als 33.000 Fällen soll eine Autoglaser-Firma die Versicherung betrogen haben – indem sie Reparaturen abrechnete, die gar nicht stattgefunden hatten. Der Schaden dürfte in die Millionen gehen. Über den Fall berichtet die „Mitteldeutsche Zeitung“ aus Halle am Dienstag.

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Wussten die Autobesitzer vom Betrug?

Besonders heikel wird der Fall auch dadurch, dass die Autobesitzer in Verdacht stehen, von den Betrügereien gewusst und diese gebilligt zu haben. Und damit erreicht der Fall enorme Dimensionen. Insgesamt 27.000 Kunden wird vorgeworfen, in die Betrügereien verstrickt zu sein – sie müssen sich nun auf Ärger mit der Staatsanwaltschaft und ihrer Versicherung einstellen.

Konkret geht es um die Firma „Ihr Autoglaser“, die in Halle ihren Sitz hatte, aber deutschlandweit mehrere Filialen betrieb. Bei der Werkstatt wurde bereits vor vier Jahren die Staatsanwaltschaft vorstellig, nachdem es Hinweise auf Versicherungsbetrug gegeben hatte. Und dabei gerieten schnell auch die Autobesitzer ins Visier der Staatsanwaltschaft.

Den Kunden wird vorgeworfen, normale Werkstatt-Arbeiten, etwa die Tönung der Scheiben, als Reparaturarbeiten an der Frontscheibe abgerechnet zu haben. Auch seien andere Reparaturen als Steinschlag-Schäden an der Frontscheibe deklariert worden, etwa wenn die Stoßstange ausgewechselt wurde. Die Selbstbeteiligung der Versicherung sei den Kunden von der Werkstatt als eine Art Rabatt erlassen worden, berichtet die „Mitteldeutsche“.

Post von der Staatsanwaltschaft - und von der Versicherung?

Vielen der beteiligten Kunden drohen nun Unannehmlichkeiten. Sie müssen sich laut dem Zeitungsbericht auf Post von der Staatsanwaltschaft einstellen. Bei Fällen, in denen weniger als 200 Euro Schaden entstanden sei, wolle die Anwaltschaft die Notbremse ziehen und die Ermittlungen „wegen Geringfügigkeit“ einstellen. Wenn der Schaden darüber liegt, könne hingegen nur eine Geldzahlung an eine gemeinnützige Einrichtung verhindern, dass ein Ermittlungsverfahren gegen den Autobesitzer eingeleitet werde.

Ärger droht jedoch auch von Seiten der Versicherer, die gegen die Kunden ebenfalls zivilrechtlich vorgehen können, wenn sie Betrug wittern. Im schlimmsten Fall müssen die Autobesitzer nicht nur den Verlust ihres Versicherungsschutzes fürchten, sondern auch bereits erbrachte Leistungen zurückzahlen – inklusive Regress für die Mehrkosten, die unter anderem für Gutachter und die Leistungsprüfung entstanden sind.

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Die betroffene Autoglaser-Firma macht bereits seit einiger Zeit unter neuem Namen weiter. „Ihr Autoglaser“ ist pleite – und muss sich derzeit zusätzlich vor dem Landgericht Dessau-Roßlau wegen Insolvenzverschleppung verantworten.

Mitteldeutsche Zeitung

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