Seit 2009 besteht für jede Person mit Wohnsitz in Deutschland die Pflicht, sich krankenversichern zu lassen. Dabei können die Bundesbürger nicht nur auf heimische Anbieter zurückgreifen, sondern auch auf sogenannte EWR-Dienstleister: ausländische Privatversicherer, die ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums haben. "EWR" steht hierbei als Abkürzung für "Europäischer Wirtschaftsraum".

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Europäische Krankenversicherung – kein vollwertiger PKV-Schutz!

Ob diese Versicherungen einen vollwertigen Krankenversicherungsschutz bieten, ist jedoch umstritten. Der Bund der Versicherten (BdV) hat nun einen Versicherungsmakler erfolgreich abgemahnt, weil dieser nicht über Leistungslücken in den Tarifen aufklärte.

Bei dem abgemahnten Anbieter handelt es sich um den Versicherungsmakler „FinanzSchneiderei“, der mit irreführenden Aussagen auf seiner Webseite für die sogenannte Europäische Krankenversicherung geworben hat, so der Vorwurf des Verbrauchervereins. Anders als vom Makler suggeriert, „ist die Europäische Krankenversicherung kein Ersatz für den gesetzlich vorgeschriebenen Krankenversicherungsschutz“, erklärt BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein. Im Rahmen der Unterlassungserklärung verpflichte sich nun der Makler, zukünftig auf diesen Sachverhalt hinzuweisen.

Leistungskatalog beschränkt, Verzicht auf Altersrückstellungen

Warum aber sind die ausländischen Tarife keine vollwertige private Krankenversicherung? BdV-Experte Constantin Papaspyratos erklärt: „Die EU-Krankenversicherungen erfüllen in der Regel nicht die gesetzliche Krankenversicherungspflicht im Sinne des § 193 Abs. 3 VVG (Versicherungsvertragsgesetz), weil zum Beispiel bestimmte ambulante und stationäre Heilbehandlungen entweder ausgeschlossen oder durch Höchstbeträge beschränkt werden und in der Regel generell Höchstbeträge pro Versicherungsjahr gelten“, so der BdV-Sprecher.

Ein weiterer wichtiger Grund, weshalb die Tarife nicht die Bedingungen des Gesetzgebers an einen vollwertigen PKV-Schutz erfüllen, sei der Verzicht auf Altersrückstellungen. Der Hintergrund: Bereits in jungen Jahren zahlen Privatversicherte bestimmte Beitragsanteile als Polster für spätere Zeiten, so schreibt es der Gesetzgeber vor. Die Rückstellungen sollen verhindern, dass die Beiträge im Alter, wenn die Gesundheitskosten ansteigen, in den jeweiligen Tarifen explodieren und den Versicherten überfordern.

Bei der Europäischen Krankenversicherung sind hingegen keine Rücklagen für das Alter vorgesehen, bei anderen EWR-Dienstleistern in der Regel auch nicht. Dadurch verletzen die Tarife § 193 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes in Verbindung mit § 146 Abs. 1 Nr. 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG).

Zudem verstoßen die Anbieter gegen das Kündigungsverbot bei Zahlungsverzug, welches für deutsche Krankenvollversicherer ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben ist. Wenn der Kunde mit Zahlungen in Rückstand gerät, kann er nicht wie üblich in den Notlagentarif wechseln, sondern wird schlichtweg vor die Tür gesetzt. Im Juli 2015 hatte bereits die deutsche Finanzaufsichtsbehörde BaFin vor Leistungslücken der EWR-Dienstleister gewarnt (der Versicherungsbote berichtete).

Teils aggressive Werbung: „Kein Strafbeitrag + keine Schufa-Auskunft = Aufnahmegarantie!“

Ein Blick auf die Webseite des abgemahnten Versicherungsmaklers „Finanzschneiderei“ zeigt, welche Zielgruppe für die EWR-Tarife umworben wird. Es sind Menschen, die aufgrund einer hohen Schuldenlast ihren Krankenversicherungs-Schutz verloren haben. Anders als bei anderen PKV-Anbietern müssten die Verbraucher keine Strafzahlung fürchten, wenn sie sich wieder krankenversichern wollen, argumentiert der Vermittler. Hinter rotem Hintergrund heißt es auf der Webseite dick hervorgehoben: „EUKV: Kein Strafbeitrag + keine Schufaauskunft = Aufnahmegarantie!“ Produktgeber ist der britische Versicherer Morgan Price, der Tarif „Comprehensive“ wird ab 98,56 Euro Monatsbeitrag angepriesen.

Tatsächlich hat der Makler nun nachgebessert und blendet auf seiner Webseite ein Kästchen ein, welches darauf hinweist, dass es sich bei der "Europäischen Krankenversicherung" nicht um eine hochwertige Krankenvollversicherung handelt. Allerdings ist diese Information im schwer verständlichen Versicherungslatein formuliert. „Keine substitutive Krankenversicherung – aber eine günstige Risikoversicherung im Leistungsfall“, heißt es da. Weiß der Kunde, was mit der Formulierung „keine substitutive Krankenversicherung“ gemeint ist?

Mit diesem Kästchen erklärt der abgemahnte Versicherungsmakler auf seiner Webseite, dass es sich bei der Europäischen Krankenversicherung nicht um einen vollwertigen PKV-Schutz handelt. Sind die Formulierungen transparent genug? Quelle: Screenshot Europaeischekv.de

Weiter führt der Makler auf seiner Webseite aus: „Die angebotenen Tarife sog. EWR-Dienstleister bieten eine umfassende Absicherung der Kosten im Krankheitsfall. Aufgrund der Vorgaben in Deutschland können die Angebote die Kriterien der Versicherungspflicht gem. §193 VVG nicht erfüllen.“ Die Information ist recht weit unten auf der Webseite zu finden - wenn auch farblich hervorgehoben. Dennoch stellt sich die Frage, ob der Makler transparent die Leistungslücken der Tarife kommuniziert. Man freue sich, dass der Vermittler erst einmal nachgebessert habe, erklärte BdV-Sprecher Papaspyratos - und wolle die Entwicklung weiter im Auge behalten.

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