Nach einem jahrelangen Rechtsstreit waren die Bundesrichter am Bundesgerichtshof einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) aus dem Jahre 2013 (Az. C-209-12) gefolgt. Gegenstand war die Frage, ob Kunden der Allianz Leben in den Jahren 1994 bis 2007 ausreichend über ihr Rücktrittsrecht beim Abschluss einer Lebensversicherung informiert wurden.

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Widerspruchsrecht bei Lebensversicherungen

Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit dem Argument, dass in diesen Fällen das europäische über dem deutschen Recht steht. Nach deutschem Recht wäre das Rücktrittsrecht bereits nach einem Jahr erloschen, unabhängig davon, ob der Kunde vor Vertragsabschluss darüber informiert worden wäre oder nicht. Die Richter wiesen darauf hin, dass Art. 15 Abs. 1 der Zweiten und Art. 31 der Dritten EU-Richtlinie zur Lebensversicherung so auszulegen seien, dass das Rücktrittsrecht erst dann ein Jahr später erlischt, wenn der Versicherungsnehmer über dieses Recht auch belehrt worden sei.

Betroffen sind Verträge, die nach dem sogenannten Policenmodell abgeschlossen wurden. Der Kunde erhielt sämtliche Unterlagen erst mit dem Versicherungsschein (Police). Nach Erhalt der Unterlagen konnte er mit einer bestimmten Frist widersprechen. Dieses Policenmodell gibt es seit 2008 nicht mehr, da es nicht mit dem europäischen Verbraucherrecht in Einklang stand.

Komplette Branche betroffen

Laut Allianz sind in Deutschland von dem Urteil insgesamt 108 Millionen Versicherungsverträge betroffen. Für diese Verträge wurden Prämien von rund 400 Milliarden Euro gezahlt. Die Allianz hält davon neun Millionen Verträge mit 62 Milliarden Euro Beitragseinnahmen. Die Lebensversicherer Generali, Ergo und Victoria hatten Schreiben an Kunden verschickt und deren finanzielle Forderungen unter anderem mit Verweis auf das laufende Verfahren zurückgewiesen.

Nun sollen die Karlsruher Richter bis Jahresende entscheiden. Nach Informationen der Wirtschaftszeitung Euro am Sonntag aus Branchenkreisen hatte Marktführer Allianz bereits 2014 die Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Bundesgerichtshof (BGH) aus demselben Jahr eingereicht (Az. 1 BvR 1674/14). Ein Gerichtssprecher bestätigte den juristischen Vorgang, sagte allerdings, dass das Bundesverfassungsgericht zu Namen von Antragstellern grundsätzlich keine Auskunft gebe. Die Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde in dieser Sache werde für 2016 „angestrebt“, sagte der Sprecher gegenüber dem Blatt.



Euro am Sonntag

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