Lebensversicherungen dürfen ihre Kursgewinne überwiegend bis vollständig selbst behalten. Dies bestätigte am Donnerstag das Düsseldorfer Landgericht und bescherte damit der Ergo einen wichtigen Punktsieg gegen den Bund der Versicherten (BdV). Es ist bereits das zweite Mal innerhalb einer Woche, dass der Verbraucherverband eine Niederlage einstecken musste. Auch das Amtsgericht Düsseldorf hatte zuvor im Sinne der Ergo entschieden.

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Das Landgericht erklärte laut Deutscher Presse-Agentur (dpa), wegen der niedrigen Zinsen habe die konkrete Gefahr bestanden, dass einige Lebensversicherer ihre vertraglich zugesagten Garantiezinsen nicht mehr erwirtschaften konnten. Deshalb sei das Gesetz von 2014, das Ausschüttungen kappt, nicht zu beanstanden. "Es ist zu beachten, dass der Gesetzgeber durch diese Neufassung gewichtige Interessen des Allgemeinwohls verfolgte", zitiert die Agentur aus der Urteilsbegründung.

Streit um Ausschüttung um Bewertungsreserven

Dass der Rechtsstreit die Ergo trifft bzw. deren Tochter Victoria, deren Image ohnehin angeschlagen ist, ist dabei eher dem Zufall geschuldet. Denn dem BdV geht es bei seiner Klage um ein weit verbreitetes Vorgehen in der Branche.

Seit 2014 müssen Lebensversicherer Bewertungsreserven einbehalten, wenn Garantiezusagen an die restlichen Kunden nicht sicher sind. So sieht es das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) vor. Fast alle Versicherer berufen sich nun auf dieses Gesetz, wenn sie Bewertungsreserven zu Lasten der Kunden zurechtstutzen. Zuvor mussten die Lebensversicherer mindestens 50 Prozent ihrer Reserven an die Kunden ausschütten. Hier hatte der Gesetzgeber den Versicherern mehr Freiheiten gelassen, um sie im Niedrigzins finanziell zu entlasten.

Aber der BdV sieht dieses Gesetz und damit auch die Kürzungen als verfassungswidrig an. Nicht von ungefähr, denn der Verband selbst hatte die 50prozentige Beteiligung an den Reserven in Urteilen 2005 und 2008 vor dem Bundesverfassungsgericht mit durchgeboxt.

Damals betonten die Richter, dass die Versicherten an den Bewertungsreserven angemessen zu beteiligen sind. Aus gutem Grund: Bei Bewertungsreserven handelt es sich um noch nicht realisierte Kapitalanlagegewinne, die aus den Kundengeldern gebildet werden. Die Klage des Verbandes richtet sich folglich nicht nur gegen die Versicherer, sondern indirekt auch die Bundesregierung, die ein schlampiges und verfassungswidriges Gesetz verabschiedet haben soll.

Kappung der Bewertungsresen „faktisch eine Enteignung“

„Es geht um Geld, das den Versicherten gehört“, erklärt nun auch Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des BdV, in einem Pressetext. Und findet drastische Worte für die Kürzungen: „Die 2014 gesetzlich verankerte Kürzung der Bewertungsreserven stellt aus unserer Sicht faktisch eine Enteignung dar".

Dabei stehe hohe Summen auf dem Spiel, wie ein konkreter Vertrag zeigt, über den nun vor Gericht verhandelt wird. Bevor das LVRG in Kraft trat, hat die Victoria ihrem Kunden eine Beteiligung von 2821,35 Euro in Aussicht gestellt. Dieser Betrag schrumpfte nun auf 148,95 Euro, wie das Handelsblatt berichtet. Ein gewaltiger Unterschied.

Der BdV aber gibt sich nicht geschlagen und will weiter streiten. Durch den Bundesgerichtshof können die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Verbraucher wieder korrigiert werden, heißt es im Pressetext. „Ansonsten setzen wir darauf, dass am Ende des Verfahrens das Bundesverfassungsgericht den Verbrauchern wieder zur Seite springt und den Gesetzgeber zur Korrektur dieses verbraucherfeindlichen Gesetzes ermahnt“, sagt Kleinlein.

Das Problem: Manche Wertsteigerung der Geldanlagen besteht nur auf dem Papier

Mit dem LVRG wollte die Bundesregierung unter anderem gewährleisten, dass die Lebensversicherer auch in Niedrigzins-Zeiten die langfristigen Garantiezusagen an ihre Kunden bedienen können. So haben die Versicherer Probleme, das Geld ihrer Kunden gewinnbringend anzulegen. Deshalb dürfen sie unter bestimmten Bedingungen die Beteiligung an den Bewertungsreserven kürzen - in Rücksprache mit der Finanzaufsicht.

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Betroffen von der Senkung sind nur Reserven auf festverzinsliche Wertpapiere, etwa für Staatsanleihen. Bei diesen Schuldscheinen ist die Wertsteigerung mitunter nur scheinbar vorhanden. Zwar werden die Anleihen auch an der Börse gehandelt und unterliegen Kursschwankungen. Aber die Anleihen besitzen einen festen Anfangs- und Endwert, wenn sie der Versicherer bis zum Ende der Laufzeit im Portfolio behält. Von einer Wertsteigerung kann dann aus Sicht des Investors nicht gesprochen werden. Hohe Ausschüttungen würden damit zu Lasten des Versichertenkollektivs gehen, argumentieren die Gesellschaften.

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