Schon 2013 stellten die Richter am Europäischen Gerichtshof (Urteil vom 19.12.2013, Az. C-209-12) fest, dass in diesen Fällen das europäische über dem deutschen Recht steht. Nach deutschen Recht wäre das Rücktrittsrecht bereits nach einem Jahr erloschen, unabhängig davon, ob der Kunde vor Vertragsabschluss darüber informiert worden wäre oder nicht.

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Es begann 2008 mit der Klage eines Versicherungsnehmers, der einen Rentenversicherungsvertrag bei der Allianz abgeschlossen hatte. Zehn Jahre später wollte er von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen. Über die Sachlage hatte schließlich der Bundesgerichtshof zu befinden. Der BGH fragte dazu beim EuGH an, inwieweit die Regelungen mit europäischem Recht vereinbar seien. Die Richter wiesen darauf hin, dass Art. 15 Abs. 1 der Zweiten und Art. 31 der Dritten EU-Richtlinie zur Lebensversicherung so auszulegen seien, dass das Rücktrittsrecht erst dann ein Jahr später erlischt, wenn der Versicherungsnehmer über dieses Recht auch belehrt worden sei.

Wer kann widerrufen

Betroffen sind Verträge, die nach dem sogenannten Policenmodell abgeschlossen wurden. Der Kunde erhielt sämtliche Unterlagen erst mit dem Versicherungsschein (Police). Nach Erhalt der Unterlagen konnte er mit einer bestimmten Frist widersprechen. Dieses Policenmodell gibt seit 2008 nicht mehr, da es nicht mit dem europäischen Verbraucherrecht in Einklang stand.

Laut Allianz sind in Deutschland von dem Urteil insgesamt 108 Millionen Versicherungsverträge betroffen. Für diese Verträge wurden bisher über 400 Milliarden Euro an Prämie gezahlt. Die Allianz hält davon 9 Millionen Verträge mit 62 Milliarden Euro Beitragseinnahmen.

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Nicht alle Kunden werden von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch machen, da die Verträge aus diesem Zeitraum noch weitaus höhere Garantiezinsen ausweisen als neue Verträge. Für die Versicherer ist das Urteil dennoch eine hohe Belastung, da nicht wie bisher, nur der angesparte Anteil zurückgezahlt werden muss, sondern die kompletten gezahlten Beiträge.

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