In den Jahren 1994 bis 2007 wurde das Gros der Lebensversicherungen nach dem sogenannten Policenmodell geschlossen: Der Kunde erhielt seine vollständigen Vertragsbedingungen erst zugesandt, nachdem er bereits den Vertrag unterschrieben hatte und er in Kraft getreten war. So geht es nicht, monierte der Bundesgerichtshof in mehreren Urteilen, und erklärte das Vertriebsmodell für unzulässig. Wer nachweisen kann, dass er nicht hinreichend über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt wurde, kann vom Versicherer verlangen, den Vertrag rückabzuwickeln.

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Doch das geht nicht in jedem Fall, wie nun ein Sparer aus Sachsen erfahren musste. Denn tatsächlich muss dem Versicherer nachgewiesen werden, dass er ungenügend über das Widerspruchsrecht aufgeklärt hat. Das Oberlandesgericht Dresden entschied nun in einem aktuellen Beschluss, dass ein Kunde ausreichend über sein Widerspruchsrecht belehrt wurde, wenn diese Belehrung auf der zweiten Seite eines übersichtlichen Versicherungsscheines abgedruckt ist - und als einziger Textbestandteil fett hervorgehoben (Beschluss vom 17. August 2020, 4 U 1403/20).

Fonds-Police seit 19 Jahren bespart

Im verhandelten Rechtsstreit ging es um eine fondsgebundene Lebensversicherung, die der Kläger im August 2000 abgeschlossen hatte. Am 18.11.2019 - also mehr als neun Jahre später, ging der Kläger in den Widerspruch und verlangte vom Versicherer, er möge seinen Vertrag rückabwickeln. Dabei berief er sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 27.04.2016 (IV ZR 486/14), wonach die Belehrung über das Widerspruchsrecht auch formal hervorgehoben sein müsse.

Der Versicherer aber wollte den Vertrag nicht rückabwickeln: Und betonte, er habe transparent und ausreichend über das Widerspruchsrecht von 14 Tagen informiert. Zu Recht, wie nun auch das Oberlandesgericht Dresden entschied. Es bestätigte damit die Vorinstanz, denn auch das Landgericht Leipzig hatte die Klage abgewiesen.

Fett hervorgehoben, nur zwei Seiten Text

Zwar war die Widerspruchsbelehrung sehr wohl auf der letzten Seite des Versicherungsscheins abgedruckt, so bestätigte auch der vierte Zivilsenat. Doch dieser Schein bestand lediglich aus zwei übersichtlichen Seiten. Die Belehrung war zudem -als einziger Abschnitt- fettgedruckt. Auch der Begriff "Widerspruchsrecht" war im Schein links abgesetzt und ebenfalls mit Fettdruck besonders gewichtet.

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“Eine Widerspruchsbelehrung, die sich auf der letzten von lediglich zwei Seiten eines Versicherungsscheins befindet und als einziger Abschnitt fettgedruckt ist, ist hinreichend drucktechnisch hervorgehoben“, bestätigte nun das OLG Dresden. Eine mündliche Verhandlung bzw. Berufung wurde mangels Aussicht auf Erfolg zurückgewiesen.

...auch Formulierung des Widerspruchsrechts transparent

Eine weiterer Streitpunkt behandelte die Frage, ob der konkrete Vertragstext der Widerspruchsbelehrung im Versicherungsschein missverständlich sei. Konkret hieß es darin: „...Der Lauf der 14tägigen Widerspruchsfrist beginnt, wenn Ihnen die o.g. Unterlagen - einschließlich dieser Belehrung über das Widerspruchsrecht - vollständig vorliegen...“

Auch hier stützte sich der Kläger auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes (29.07.2015, IV ZR 448/14). Erfolglos, denn in dem früheren Urteilsspruch wurde die Belehrung unter anderem deshalb als fehlerhaft erkannt, weil für den Fristlauf allein auf den Zugang des Versicherungsscheins abgestellt worden war. Im vorliegenden Fall hingegen nicht, denn der Versicherer hatte sehr wohl explizit auf die Widerrufs-Belehrung hingewiesen. Die Widerspruchs-Belehrung ist folglich transparent und korrekt.

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Zudem konnte sich der Versicherer auf Verwirkung nach § 242 BGB berufen, wonach er davon habe ausgehen können, dass der Sparer sein Widerrufsrecht nicht mehr in Anspruch nehmen werde. Zum einen habe der klagende Sparer den Vertrag viele Jahre gehalten. Zum anderen hatte er bereits die Todesfallleistung zur Sicherung eines Bankdarlehens abgetreten. Das Widerspruchsrecht könne in bestimmten Fällen ausnahmsweise verwirkt sein, wenn "der Versicherungsnehmer durch besondere Handlungen ein schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers dahingehend begründet, er wolle ohne Wenn und Aber am Vertrag festhalten", hob der Zivilsenat hervor.

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