In Zeiten der Corona-Krise müssen sich offenbar viele Unternehmer und Gewerbetreibende von ihrer Altersvorsorge trennen, um existenzbedrohende finanzielle Engpässe zu überbrücken. So berichtet der Zweitmarkt-Anbieter Policen Direkt, dass sich infolge des Corona-Lockdowns Mitte März die Zahl der Anfragen verdreifacht habe. Der Anbieter aus Frankfurt am Main kauft Lebens- und Rentenversicherungen auf und führt sie weiter. Aktuell verwaltet er nach eigenen Angaben ein Bestandsvolumen von rund einer Milliarde Euro.

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Anfrage-Boom bei Gewerbetreibenden

"Wir haben in den ersten vier Monaten schon fast so viele Anfragen bearbeitet wie im gesamten vergangenen Jahr“, erklärt Efstratios Bezas, Leiter Vertrieb bei Policen Direkt. Auffallend sei, dass vor allem Gewerbetreibende anfragen würden. Viele würden aus existentieller Not heraus handeln.

"In den letzten 10 Wochen hat sich die Situation angesichts der Corona-Krise so verschärft, dass Gewerbetreibende ihre Reserven auflösen. Gastronomen, Hoteliers, Frisöre, Floristen und Fahrlehrer benötigen dringend Geld“, so Bezas. Auch wer in Kurzarbeit sei oder seinen Job verloren hat, benötige derzeit schnell und sicher Liquidität. Ein Indiz dafür, dass die Hilfen von Bund und Ländern nicht allen ausreichend zugute kommen.

Beim Rückkaufswert gilt es zu bedenken: Verwaltungs- und Risikokosten werden vom Versicherer bei vorzeitiger Kündigung ebenso dem Kunden in Rechnung gestellt wie gezahlte Provisionen. Auch Stornokosten werden zusätzlich abgezogen. Oft lohnt es sich deshalb finanziell nicht, sich vor dem Ablaufdatum vom Vertrag zu trennen: die Einbußen sind teils enorm. Eine Studie des Branchendienstes Map-Report zeigt, dass selbst nach 15 Jahren Vertragslaufzeit nicht alle Anbieter die Summe auszahlen, die der Kunde bzw. die Kundin an Beiträgen eingezahlt hat.

Die Beobachtung des Zweitmarkt-Anbieters deckt sich mit einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts INSA im Auftrag des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA). Wer infolge der Coronakrise im März und April geringere Einkünfte hatte, der setzte den Rotstift demnach vor allem bei der privaten Altersvorsorge an. Fast jeder Fünfte kürzt die Sparrate oder stellt die Vorsorge für den Lebensabend ganz ein (der Versicherungsbote berichtete).

Zwei bis sechs Prozent mehr Geld

Eine Lebens- oder Rentenversicherung auf dem Zweitmarkt zu verkaufen, kann eine Alternative zur Kündigung sein: im Schnitt erhalten die Versicherten zwei bis sechs Prozent mehr Geld, als wenn sie den Vertrag einfach kündigen und mit dem Rückkaufswert Vorlieb nehmen müssen, rechnet Policen Direkt vor. Der Grund ist, dass die Anbieter den Vertrag gewinnbringend weiterführen können.

Doch auch auf dem Zweitmarkt ist Vorsicht geboten. Nachgefragt sind vor allem Altverträge, die noch einen vergleichsweise hohen Garantiezins sowie attraktive Überschussbeteiligung bieten. Sich von diesen zu trennen, kann ebenfalls deutliche Verluste bedeuten - im Vergleich dazu, dass man den Vertrag bis zum Ablaufdatum durchhält.

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Bei Verträgen ab 2005 muss der Verkaufsgewinn zudem versteuert werden. Da es vereinzelt auch unseriöse Anbieter auf dem Zweitmarkt gibt, empfiehlt es sich, einen Verkauf von unabhängigen Experten prüfen und durchrechnen zu lassen.

Widerrufsjoker und Beleihung

Will sich ein Versicherungsnehmer vom Vertrag trennen, empfiehlt es sich auch, einen Widerruf zu prüfen. Wurde der Vertrag im Zeitraum von 1994 bis 2007 abgeschlossen, ist es sehr wahrscheinlich, dass der Versicherer seine Kundinnen und Kunden unzureichend über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt hat. Nach mehreren Urteilen des Bundesgerichtshofes sind die Versicherer dann verpflichtet, den Vertrag rückabzuwickeln: Sofern der Versicherungsnehmer den fehlerhaften Widerruf nachweisen kann.

Gegenüber einer Kündigung hat ein erfolgreicher Widerruf enorme Vorteile. Bei einer Rückabwicklung bekommen die Kunden sämtliche eingezahlten Beiträge zuzüglich Nutzungszinsen zurück. Das beinhaltet auch die Aufwendungen für Abschluss- und Verwaltungskosten. Lediglich die Kosten für den Versicherungsschutz tragen sie selbst und, bei einer fondsgebundenen Leben-Police, das Verlustrisiko aus den Fonds. Der Nachteil: Viele Versicherer stellen sich quer. Wer aktuell in der Coronakrise Geld braucht, muss sich auf lange Rechtsstreite einstellen.

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Policendarlehen: Beleihung des eigenen Vertrages

Eine weitere Möglichkeit: Lebensversicherungen können mit einem sogenannten Policendarlehen beliehen werden. Dabei handelt es sich um keinen Kredit im klassischen Sinn, denn es wird eine Art Vorschuss auf die zu erwartende Versicherungsleistung durch den Versicherer gezahlt. Ausgeschlossen hiervon sind staatlich geförderte Verträge und Betriebsrente-Anwartschaften.

Zwar besteht kein Rechtsanspruch auf ein solches Darlehen. Zudem müssen bei Gewähr des Darlehens auf die Summe auch Zinsen gezahlt werden – Darlehen und Zinsen werden später mit der fälligen Versicherungsleistung verrechnet. Gerade in Zeiten einer zeitlich begrenzten Not wie der Corona-Krise kann aber auch ein solches Darlehen ein Ausweg und der rettende Strohhalm aus finanziellen Engpässen sein. Der Vorteil: Ein solches Darlehen wirkt sich in der Regel nicht negativ auf den eigenen Schufa-Eintrag aus, da es aus dem selbst eingezahlten Kapital ausgezahlt wird.

Auch der Risikoschutz geht verloren

Ein wichtiges Problem: Wer sich aber von seiner Lebensversicherung trennt, verliert nicht nur seine Altersvorsorge, sondern in der Regel auch den Risikoschutz, etwa für Hinterbliebene oder bei Berufsunfähigkeit. Schon deshalb empfiehlt es sich nicht, einen Vertrag bei finanziellen Engpässen vorschnell abzustoßen.

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Können die Prämien vorübergehend nicht gezahlt werden, so gestattet das Gros der Versicherer auch eine vorübergehende Stundung der Beiträge. In welchem Umfang, ist in der Regel den Vertragsbedingungen zu entnehmen. Üblich sind Zeiträume zwischen sechs Monaten und zwei Jahren. Nach Ablauf dieser Frist müssen die Prämien dann zwar nachbezahlt werden: aber der Schutz der Versicherung bleibt erhalten.

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