„Wir werden betrogen. Von den Versicherern.“ Mit diesem schweren Vorwurf beginnt Axel Kleinlein, der derzeit wohl prominenteste Kritiker der Versicherungswirtschaft, seinen aktuellen Gastbeitrag im Handelsblatt. Doch auch die Finanzaufsicht BaFin muss sich schwere Vorwürfe gefallen lassen. Sie würde das betrügerische Handeln der Versicherungen nicht nur dulden, sondern sogar fördern - Zum Schaden des Kunden.

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Zinszusatzreserve - Manche Kunden bekommen einen Ausgleich, andere nicht

Anlass für Kleinleins scharfe Polemik ist erneut die Art und Weise, wie Lebensversicherungen ihre Kunden an den Überschüssen beteiligen – oder dies eben nicht tun. Konkret geht es um die sogenannte Zinszusatzreserve. Lebensversicherer müssen diese bilden, um gegen Engpässe in der Niedrigzinsphase gewappnet zu sein. „Anders als etwa in Österreich, wo allein die Unternehmen die Mittel dafür aufbringen müssen, sollen in Deutschland aber die Verbraucher auf Überschüsse verzichten, um die Zusatzreserve zu befüllen“, argumentiert der BdV auf seiner Webseite. Das Problem hierbei: Ob, wann und wie dieses Geld jemals an die Kunden zurückfließt sei nicht verbindlich geregelt, der Willkür damit Tür und Tor geöffnet.

Eine Untersuchung von Öko-TEST (Magazin 02/2015) nährt den Verdacht, dass manche Versicherungen ihre Kunden benachteiligen. Wer vorzeitig seinen Lebensversicherungs-Vertrag kündige, erhalte bei einigen Anbietern einen Ausgleich für entgangene Überschüsse - andere Versicherungen zahlen hierfür keinen Cent. Wie lässt sich die Ungleichbehandlung der Kunden begründen? Der BdV sieht hier einen klaren Vertragsverstoß. „Wer seinen Vertrag kündigt, darf nicht hinterrücks dafür bestraft werden. Diese Praxis widerspricht der gängigen Rechtsprechung zur Kündigung von Lebensversicherungen“, argumentiert Axel Kleinlein auf der Webseite des BdV.

Der Trick mit den Zinszusatzreserven erlaube es Versicherern, Kunden um eine faire Beteiligung an den Überschüssen zu prellen, so Kleinlein in seinem Handelsblatt-Kommentar. Denn alles Geld, was in Reservetöpfe umgebettet werde, fehle dann in der Überschussbeteiligung. Die Beteiligung des Sparers an der Überschussbeteiligung sei gesetzlich garantiert, ein Ausgleich für die Zinszusatzreserve hingegen nicht. „So wird die Mindestbeteiligung an den Gewinnen umgangen. Den Kunden wird das aber nicht gesagt oder erklärt.“ Manche Versicherungen würden ihren Kunden weit mehr als die Hälfte aller Gewinne vorenthalten.

Scharfe Kritik übt Kleinlein auch an der deutschen Finanzaufsicht BaFin. Diese würde den Betrug am Kunden zulassen und teilweise sogar fördern, indem sie keine eindeutigen und klaren Regeln durchsetze. Sogar die Politik werde durch die Versicherungslobby getäuscht. „Denn wenn die Politiker erst einmal den Betrug für bare Münze nehmen, dann machen sie den Weg frei, um noch mehr Regeln zu legalisieren, die den Versicherern helfen und den Kunden schaden.“ Weil derartige Geschäftspraktiken zwar nicht verboten seien, aber betrügerisch, spricht Kleinlein von „legalem Betrug“.

GDV weißt Vorwürfe zurück

Schummeln sich die Versicherungen also arm, um weniger Überschüsse an ihre Kunden ausschütten zu müssen? Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) weist diese Vorwürfe entschieden zurück. In einer Stellungname des Verbandes zum Ökotest-Artikel heißt es: „Die Autoren rechnen (…) die aufsichts- und handelsrechtlich vorgeschriebene Zinszusatzreserve dem Gewinn der Unternehmen zu. Die Zinszusatzreserve dient aber ausschließlich zur Absicherung garantierter Kundenansprüche, d.h. sie wird zu Gunsten der Kunden gebildet. Die Unternehmen haben auf diese Mittel keinen Zugriff.“

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Bei korrekter Berücksichtigung der Zinszusatzreserve hätten die Lebensversicherer 2013 im Durchschnitt 96 Prozent der erwirtschafteten Mittel an die Kunden ausgeschüttet, rechnet der GDV vor– das entspreche dem langjährigen Mittelwert. Zudem müssten die Unternehmen in einem Kapitalmarktumfeld mit Renditen deutlich unter 1 Prozent vorausschauend agieren und gesetzlich vorgeschriebene Rückstellungen wie die Zinszusatzreserve aufbauen. Warum aber manche Kunden einen Ersatz für die Reserven erhalten, andere hingegen nicht, kann auch der Dachverband der Versicherer nicht erklären.

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