Als die traditionsreiche Allianz Versicherung im Jahr 1890 gegründet wurde, waren Elektroherd, Dieselmotor und die Luftbereifung für Räder noch gar nicht erfunden worden. Das Motorrad war ganze fünf Jahre alt, und in den USA hatte William Gray soeben das Patent auf das Münztelefon angemeldet. Dies zeigt, wie lange sich der weltweit größte Versicherer bereits am Markt gehalten hat – und alle technischen Neuerungen überlebte. Mitunter ist man sogar an Erfindungen beteiligt, etwa an einem System zur Absicherung von Ernteausfällen.

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Doch nun scheint in der Münchener Firmenzentrale die Angst umzugehen, dass man eine technische Entwicklung verpassen könnte. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, plant die Allianz eine Digitalisierungsoffensive, die sich der Versicherer einiges kosten lassen will. 80 Millionen Euro will das Traditionsunternehmen in ein Umbauprogramm investieren, um zukünftig sämtliche Versicherungen online anbieten zu können.

Marktführerschaft gegen Google und Co. verteidigen

Natürlich bietet auch die Allianz ihre Dienste längst im Internet an. Aber optimiert hierfür sind die Versicherungsprodukte bisher nicht. Im Grunde ist die Allianz eine Zuspätgekommene, haben doch Konkurrenten wie die HUK Coburg weit zeitiger auf den Verkauf im Internet gesetzt. Das kostete der Nummer 1 auf dem Heimatmarkt wichtige Marktanteile, speziell in der Sach- und Autoversicherungssparte. Das Vergleichsportal Check24 verkauft etwa im Web mehr als 700.000 Kfz-Versicherungen, während die Allianz-Internettochter Allsecur „nur“ 175.000 Verträge an den Kunden bringen kann.

Die späte Digitalisierung hat auch damit zu tun, dass der „traditionelle“ Vertrieb bei der Allianz noch immer die wichtigste Stütze ist. Mehr als 13.000 Vertreter sind in Deutschland für den Konzern unterwegs. Diese fürchten die Konkurrenz aus dem Netz, wenn sie aus dem eigenen Unternehmen kommt. Laut Süddeutsche musste 2009 sogar die hauseigene Online-Marke „Allianz24“ in Allsecur umbenannt werden, weil die Vermittler fürchteten, ihre Kunden wechseln zur billigeren Anbieter mit demselben Namen.

Doch nun könnte dem Versicherer übermächtige Konkurrenz erwachsen: auch Google drängt mit seinem Angebot „Compare“ auf den deutschen Versicherungsmarkt. Zwar verlief für den Internet-Giganten bisher nicht alles wie geplant. Der Start eines Vergleichsportals für Kfz-Versicherungen wurde mehrfach angekündigt und verschoben, begleitet von vielen Gerüchten. Aber muss die Allianz nicht reagieren, wenn ihr ein Konkurrent erwachsen könnte, der 98 Prozent aller Suchanfragen im Netz auf sich vereint? Es gibt derzeit wohl kein mächtigeres Online-Unternehmen als Google – was über die Suchmaschine nicht gefunden werden kann, ist quasi nicht existent.

Allianz versichert: Es gehe nicht um den Abbau von Stellen

Deutschland-Chef Markus Rieß will dem Onlineangebot der Allianz nun eine Generalüberholung verpassen, um den Versicherer fit zu machen für die Zukunft. Die Tarife sollen einfacher gestaltet, der Online-Auftritt des Versicherers komplett umgebaut werden. Damit will man auch für Endgeräte wie Smartphones und Tablets benutzerfreundlicher werden. Ein Schnellrechner soll zudem die Prämie schon nach der Eingabe weniger Angaben wie etwa Alter oder Wohnort ausspucken.

Das erlaubt die Frage, ob die Mitarbeiter der Allianz nicht einen weiteren Personalabbau befürchten müssen – schließlich hat der Versicherer schon in den letzten Jahren tausende Stellen gestrichen. Doch Markus Rieß beschwichtigt. Man verfolge eine Hybrid-Strategie, was bedeute, dass Internet- und Filialvertrieb verzahnt werden und sich gegenseitig ergänzen. Das kann etwa so aussehen, dass Kunden einen Versicherungsvertrag im Netz abschließen, aber von einem persönlichen Ansprechpartner vor Ort betreut werden.

Heute seien viele Allianz-Vertreter selbst im Netz aktiv und pflegen engen Kontakt zu den Kunden über Facebook, berichtet Rieß dem Münchener Blatt. "Wir haben unser neues Konzept vor tausenden von Vertretern vorgestellt und viel Beifall erhalten." Tatsächlich belegen auch aktuelle Untersuchungen wie die KUBUS-Studie aus dem Hause MSR Consulting, dass der Versicherungskunde eine Ansprache über alle Kanäle erwartet (Versicherungsbote berichtete).

Google Compare scheiterte in Frankreich

Eine erfolgreiche Marktetablierung von Google ist übrigens keine Selbstverständlichkeit. In Frankreich musste der Internet-Gigant sein Vergleichsportal für Kfz-Versicherungen 2013 wieder schließen, weil die Kunden das Angebot nicht angenommen hatten. Datenschutzrechtliche Bedenken und der Versuch, dem französischen Staat Steuern vorzuenthalten, bedeuteten für Google einen Image-Totalschaden: und führten letztendlich zu einem Rückzug des Versicherers.

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Die Verzögerungen auf dem deutschen Versicherungsmarkt begründeten Branchenkenner auch damit, dass Google hierzulande keine ähnliche Bauchlandung hinlegen will. Doch wenn sich Google mit seinem Angebot behaupten kann, muss das nicht automatisch eine Bedrohung für das Versicherungsgeschäft der Anbieter bedeuten. Auch die Allianz hat bereits Gespräche mit Google geführt, um die Möglichkeiten einer Kooperation auszuloten - schließlich ist der kalifornische Internetgigant auf das Know How der deutschen Versicherer angewiesen (Versicherungsbote berichtete).

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