Heute Abend ist es soweit: die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien wird endlich angepfiffen! Anlass für das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW), schon einmal den künftigen Fußballweltmeister zu prognostizieren. Getreu dem Motto „Geld schießt viele Tore!“ nehmen die Wissenschaftler dafür allein marktwirtschaftliche Indikatoren zum Maßstab. Denn den Berechnungen liegt die Marktwert-Methode zugrunde, die nichts anderes besagt, als dass die Mannschaft mit den teuersten Spielern die stärkste ist – und deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit gewinnen wird.

Spanien wird wieder Weltmeister – wenn allein der Marktwert der Spieler entscheidet

Das Ergebnis ist wenig überraschend. “Wenn allein der Marktwert des Spieler-Kaders entscheiden würde, würde Spanien wieder Fußballweltmeister“, heißt es in einer Pressemeldung des DIW. „Deutschland würde sich im Achtelfinale gegen Russland und im Viertelfinale gegen Frankreich durchsetzen, um im Halbfinale wahrscheinlich auf Brasilien zu treffen“, berichten die Forscher Gert G. Wagner, Jürgen Gerhards und Michael Lutz, die alle Spielerkader entsprechend ihrem Marktwert ausgewertet haben.

Die gastgebende Mannschaft Brasilien als Halbfinalgegner? Wahrscheinlich wäre da die Heimmannschaft leicht favorisiert. Aber nicht der Heimvorteil entscheidet in der DIW-Prognose: allein der Marktwert des Kaders macht den Unterschied!

Und so kommt es, wie es kommen muss: Deutschland verliert im Finale erneut gegen Spanien, jener Mannschaft mit den teuersten Spielern im Aufgebot. Zumindest, wenn man der Prognose des Berliner Wirtschaftsinstituts Glauben schenkt. Die Experten nehmen für sich in Anspruch, mit ihrer Methode bereits die WM-Sieger von 2006 und 2010 richtig prognostiziert zu haben, ebenso die Europameister von 2008 und 2012. Noch genauer konnte nur Orakel-Krake Paul den Ausgang eines Turniers prophezeien!

Marktwert einer Mannschaft als Indikator für Spielstärke

Doch warum sind sich die Wirtschaftswissenschaftler ihrer Prognose so sicher? Ob sie überhaupt fußballerische Kompetenz besitzen, ist nicht bekannt. Entsprechend ihrer Interpretation ist es auch gar nicht nötig, sich mit Taktiktafeln und Laufwegen zu beschäftigen, um die Chancen einer Mannschaft auf den WM-Sieg einzuschätzen.

„Der Marktwert (Transferwert) einer Mannschaft ist im heutigen Profi-Fußball ein sehr guter Indikator für ihre Spielstärke“, erklärt das DIW. „Seit dem Wegfall restriktiver Ausländerklauseln ist ein globaler Spielermarkt entstanden, und Fußballspieler sind zu einer weltweit gehandelten Ware geworden, deren Leistungsvermögen unter Dauerbeobachtung steht. Der Preis des Spielers beim Vereinswechsel spiegelt seine aktuellen und insbesondere seine zukünftig zu erwartenden Leistungen wieder.“

Die Marktwert-Methode erlaube sehr zuverlässige Voraussagen, da sie weniger vergangenheitsorientiert sei als die FIFA-Weltrangliste und weniger von Sympathien geleitet als die Wettquoten. Besonders wenn die Unterschiede zwischen den Mannschaften sehr hoch seien, ließen sich damit gute Prognosen treffen. So hätten sich etwa in den europäischen WM-Qualifikationsgruppen mit Belgien, Italien, Deutschland, Niederlande, Schweiz, Bosnien-Herzegowina, England und Spanien die jeweils teuersten Mannschaften durchgesetzt.

Die Summe der Marktwerte aller Einzelspieler ergibt den Marktwert einer Mannschaft. Für die WM wurde der Marktwert für alle 23 Spieler eines Kaders berechnet. Danach sind die sechs teuersten Mannschaften derzeit Spanien (622 Millionen Euro), Deutschland (526 Millionen), Brasilien (468 Millionen), Argentinien (392 Millionen), Frankreich (379) und Belgien (349 Millionen). England liegt mit 334 Millionen deutlich dahinter und kaum über der Hälfte des Marktwertes der Spanier. Vor allem Deutschland hat seit 2010 (334 Millionen) deutlich zu Spanien aufgeholt.

Geld – schießt nicht immer Tore!

Natürlich wäre Fußball ein stinklangweiliger Sport, wenn sich immer die Mannschaften mit den teuersten Spielern durchsetzen würden. Und so hätten die Wissenschaftler etwa bei den Europameisterschaften 1992 und 2004 himmelweit daneben gelegen – mit Dänemark und Griechenland gewannen Mannschaften mit vergleichsweise niedrigem Marktwert. In Spanien wurde mit Atletico Madrid soeben eine Mannschaft Meister, die deutlich weniger Geld für Transfers ausgibt als die dahinter platzierten FC Barcelona und Real Madrid. Schließlich spielen auch Faktoren wie mannschaftliche Geschlossenheit, Motivation oder einfach Glück eine Rolle.

Deshalb verrät die Marktwert-Analyse vielleicht mehr über die Wirtschaftsforschung als über den tatsächlichen Ausgang der Fußballweltmeisterschaft: zur Erklärung komplexer Phänomene werden wenige Indikatoren herangezogen. Nicht immer lassen sich damit seriöse Prognosen erstellen. Und auch die Wissenschaftler des DIW wollen keineswegs die Vorfreude auf die WM schmälern, denn sie schreiben: „Bei der WM ist die Prognose besonders schwierig. Hier sind zunächst die relativ kurze Turnierzeit zu nennen und die Austragung im K.O.-System nach der Vorrunde. Unter diesen Bedingungen haben auch mittelstarke Mannschaften gute Chancen.“

Hintergrund: Die Berechnung des Siegers: Marktwert, Ungleichheit, Diversität und Routine als Einflussfaktoren auf die Leistung professioneller Fußballteams. Jürgen Gerhards, Michael Mutz und Gerd G. Wagner. In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 43, Heft 3, Juni 2014, S. 231-250