Um die Zahl der im Straßenverkehr Verletzten und Getöteten immer weiter zu senken, soll ab 2015 in jedem Neufahrzeug ein elektronisches Notrufsystem implementiert werden. Dieses unter dem Namen “eCall” federführend initiierte Vorhaben der Europäische Kommission soll bei einem Unfall und einer anderen Notsituation den Rettungsdienst informieren können - sowohl automatisch ohne weiteres Zutun des Fahrers oder der Insassen, als auch manuell durch Betätigen einer entsprechenden Taste.

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Bei einem Verkehrsunfall soll beispielsweise über die Fahrzeug-Airbagsensoren automatisch ein Notruf an die nächste 112-Notrufzentrale abgesetzt werden. Zwischen den Fahrzeuginsassen und der 112-Notrufzentrale soll elektronisch über das Mobilfunknetz eine Sprachverbindung aufgebaut werden.

„Ereignet sich ein Unfall, dann zählt jede Minute, damit verletzte Personen gerettet werden können“, sagte EU-Verkehrskommissar Siim Kallas. „Außerdem machen wir mit diesem neuen System einen bedeutenden Schritt vorwärts in der Entwicklung intelligenterer Fahrzeuge und stärken damit unsere Wettbewerbsfähigkeit“, sagte EU-Industriekommissar Antonio Tajani.

Zankapfel Datenhoheit

Trotz des hehren Zieles ist eCall Gegenstand gegenläufiger Interessen der Automobilwirtschaft und der Assekuranz. Wer hat wann und in welcher Intensität Zugriff auf den Standort des Fahrzeuges? Wie ist ein Missbrauch der Daten, z.B. um Bewegungsprofile nachzuvollziehen, sichergestellt? Welche sicherheitstechnischen Standards werden für eine sichere Kommunikation genutzt? Wo werden mit welchen Fristen Daten gespeichert?

Neben diesen datenschutzrechtlichen Überlegungen, verbirgt sich der eigentliche Zündstoff freilich hinter der Frage, ob der Fahrzeugeigentümer Mitspracherecht hat, welche Daten an wem übermittelt werden dürfen. Diese Frage der Datenhoheit spielt für die mit der Einführung und laufende Bearbeitung von eCall verbundenen Interessengruppen eine sehr wichtige Rolle.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) fordert, dass die für den eCall erforderliche Technik nicht nur von den Fahrzeugherstellern allein genutzt werden kann. „Die eCall-Technik muss allen potentiellen Dienstleistern zugänglich gemacht werden“, sagt Stephan Schweda vom GDV. Nur so könne ein freier und fairer Wettbewerb zwischen allen Dienstleistern rund um das Auto gewährleistet werden.

Dabei solle der Verbraucher Herr seiner Daten bleiben, die im und vom Kfz erhoben werden. „Der Verbraucher selbst soll entscheiden können, wem er diese Daten zur Verfügung stellt“, so Schweda. Tatsächlich sieht der bisherige Verordnungsvorschlag der EU den freien Zugang nur für Reparatur- und Wartungsarbeiten vor. Die Assekuranz setzt sich dafür ein, diese Einschränkung zu streichen und den freien Zugang zu den Fahrzeugdaten eindeutig in der Verordnung zu verankern. Hintergrund der Sorge der Versicherungswirtschaft ist das mühevoll aufgebaute Schadenmanagement.

Neue Geschäftsfelder für die Assekuranz?

Die Assekuranz fürchtet um ihre Steuerungsmöglichkeiten, wenn der Ablauf in die Hand „fremder“ Dienstleister (Autohäuser, Werkstätten, etc.) gegeben wird. Aus diesem Grunde bestehe die Gefahr, so der GDV, “dass Automobilhersteller oder die von diesen beauftragten Betreiber durch das Design des eCall-Systems einzelne Märkte dauerhaft abschotten könnten - zum Nachteil der Verbraucher.”

Die mit eCall einhergehende Frage der Datenhoheit und Entscheidungsfreiheit der Kunden wird daher eine wichtige Herausforderung für die Assekuranz darstellen. Auf der anderen Seite ist die Entwicklung einer eigenen Branche rund um die technisch-digitale Vernetzung der Mobilität und damit von Kraftfahrzeugen erkennbar – Stichwort Pay-as-you-drive-Modelle. Über den eingangs erwähnten Minimaldatensatz hinaus, kann technisches Equipment Auskunft beispielsweise über Route, Geschwindigkeit, Anzahl der Insassen, Aufprallart, Sicherheitsgurt erteilen.

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Wie geht die Assekuranz mit diesen erweiterten Möglichkeiten um? Wie kann das Schadenmanagement intelligent neuen Anforderungen angepasst und erweitert werden? Wie können die sich korrelierenden Interessen ausgewogen gelöst werden? Ergeben sich daraus auch für die Assekuranz neue Geschäftsfelder?

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