An den Anzügen der Invers-Mitarbeiter prankt ein blinkendes Herz. Nicht an der Brust, wo man es vermutet, sondern etwas höher: am Revers. Ungefähr in Halshöhe also, wo spätestens seit 2008 so manchem Finanzdienstleister das Wasser steht.

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Geht es der Assekuranz auch insgesamt gut, so ist Finanz- und Vermittlerbranche zuletzt doch negativ in die Schlagzeilen geraten. Die Debatten über Solvency II und die Exzesse des grauen Kapitalmarktes bestimmen einseitig die Schlagzeilen, in den Medien ist von massenhaften Falschberatungen zu lesen – so entsteht ein verkürztes Bild, das einen ganzen Berufsstand in Misskredit bringt. Dass die Zahl der Versicherungsmakler sinkt, kann vor diesem Hintergrund kaum verwundern.

Die Leipziger Versicherungs- und Fondsmesse LVFM ist so etwas wie die sympathische Gegenthese zu den Vorurteilen. „Wir bleiben ein unabhängiger Maklerpool, bei dem es auch nach Jahren noch menschelt“, sagt Uwe Bartsch, Geschäftsführer der gastgebenden Invers-Gruppe, bei seiner Eröffnungsrede. Und kommt auf sein blinkendes Herz am Revers zu sprechen: „wenn ich Menschen näher komme, die mir sympathisch sind, blinkt es schneller.“ Diesmal habe er es zum ersten Mal geschafft, trotz des Stresses allen Ausstellern bereits vor der Eröffnung die Hand zu schütteln – eine Leistung, auf die er stolz ist.

Glücksräder und Naschereien

„Alles dreht sich um Sie“ ist das Motto der diesjährigen Messe. Dass es hier allzu förmlich zugeht, wie man es auf einer Fachmesse vermuten würde, kann nicht behauptet werden. Man kennt sich, man plaudert, schüttelt Hände. Auch gelacht wird viel. Dass Messebesucher Souvenirjäger sind, wird deutlich an den farbigen Beuteln und Taschen, die beinahe alle Besucher mit sich tragen. Neben Prospekten und Fachzeitschriften enthalten sie allerlei Gimmicks – Puzzle, Kulis, Büroutensilien, kleine Standfiguren. Auch die Naschereien, die vielfach in großen Schüsseln ausliegen, werden gerne mitgenommen.

Die Versicherungsanbieter haben sich einiges einfallen lassen, um das Interesse der Fachbesucher auf sich zu ziehen. Es geht verspielt zu auf dem Messegelände. Am Stand der Zuricher wurde eine Spielzeugrennbahn aufgebaut – zwei Stunden habe es gedauert, bis sie betriebsbereit war. Die Ergo-Versicherungsgruppe interpretiert das Motto der Veranstaltung „Alles dreht sich um Sie“ auf ganz eigene Weise und schenkt Caipirinha aus. Auch die Shoe Shine Boys, Schuhputzer in historischer Kleidung, sind in ihrer Erscheinung zu würdevoll, als dass man an eine erniedrigende Arbeit denken könnte. Im Stil der 20er Jahre, in ihren weißen Hemden, Hosenträgern und grauen Stoffhosen scheinen sie eher mit dem Prinzip „vom Schuhputzer zum Millionär“ zu kokettieren. Wer ob des Themas „Fonds und Investment“ an Zockerei denkt, könnte sich allerdings ebenfalls bestätigt fühlen, denn die Boys verstehen sich auf Hütchenspiele und Kartentricks. Und wer ein Probeabonnement des Versicherungsmagazins abschließt, darf am Glücksrad drehen und auf Gewinne hoffen – auch dies könnten Zyniker als Sinnbild für die Branche werten.

Krisenthemen bestimmen Debatten

Dass die Herzen auf der Messe schneller schlagen, ist jedoch nicht nur auf gegenseitige Sympathiebekundungen zurückzuführen. Trotz der Lockerheit ist das Thema „Krise“ allgegenwärtig, wird in Gesprächen etwa über das schlechte Image der Versicherungsmakler diskutiert. Und manches Thema treibt den Puls besonders in die Höhe. Eine Maklerin beschwert sich über das Dominospiel einer Verbraucherzentrale, das als Unterrichtsmaterial Verwendung findet – und Versicherungsmakler dämonisiert, wie sie sagt. Sie verweist auf das Eigeninteresse, das die Verbraucherzentralen als Anbieter von Beratungsleistungen haben. Als Argument für die Qualität ihrer Arbeit nennt sie die große Zahl langjähriger Kunden. „Ich kann es mir gar nicht leisten, neue Kunden anzuwerben, die Zeit würde nicht reichen sie alle zu betreuen.“

Geprägt von Krisenthemen ist auch die Diskussionsrunde vor rund 800 Zuhörern, geleitet von Invers-Mitarbeiterin Cornelia Fentzahn. Börsenexperten und Investmentbanker diskutieren unter dem Stichwort „Schicksalsgemeinschaft EU?“ über die anhaltende Griechenlandkrise, wobei Einigkeit herrscht, dass Staatsanleihen die Verlierer der Zukunft sein werden, getreu dem Motto: „Aus dem risikolosen Zins ist ein zinsloses Risiko geworden.“ Ob der Euro zur europäischen Einigung beitrug, wird zumindest in Frage gestellt: Paradoxerweise schaffe gerade die Einheitswährung aktuell neue Vorurteile und Spannungen, so dass die europäische Einheit weiter entfernt sei als noch in den 90er Jahren. Und doch wird der Euro als alternativlos angesehen, da eine Rückkehr in die wirtschaftliche Kleinstaaterei für Deutschland Wettbewerbsnachteile bedeuten würde.

Kurzfristigen Anreizen zum Aktienkauf und -verkauf wird ebenfalls eine Absage erteilt. So hatten die Krisen in Nordafrika und Japan keine bleibenden Auswirkungen auf die Börse, dennoch stießen viele Aktionäre ihre Wertpapiere panikartig ab – und standen am Ende schlechter da als jene, die ihre Anteile hielten. „Nordafrika und Japan – alles Fehlsignale!“ Auch das derzeit populäre Tagesgeldhopping, das ständige Wechseln von einem Anbieter zum nächsten, findet keine Gnade bei Diskussionsleiterin Fentzahn. „Egal, ob der Kunde 1,2 oder 3% kriegt – nach Steuern und Inflation haben Sie verloren!“ Statt dessen empfiehlt sie langfristige Anlagestrategien sowie eine breite Streuung der Risiken. "Schon Ihre Großmutter hat Ihnen beigebracht: legen Sie nicht alle Eier in einen Korb!"

34f im Nacken

Ein Thema beschäftigt die Messebesucher jedoch besonders – die Verschärfung des Finanzanlagenvermittler-Rechts unter dem Stichwort „34f-Makler“. Für einige langjährig aktive Vermittler könnte dies bedeuten, dass sie erneut die Schulbank drücken und eine Eignungsprüfung ablegen müssen, denn eine Alte-Hasen-Regelung ist derzeit nicht vorgesehen. Gabriel von Canal von der Augsburger Aktienbank geht jedoch davon aus, dass es eine derartige Regelung geben wird, sei doch eine Gleichbehandlung mit Beratern des Kreditwesens geboten.

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Mit den Füßen lässt Cornelia Fentzahn abstimmen, welche Vermittler zu einer nachträglichen Sachkundeprüfung bereit seien. Nur wenige Besucher tragen zu der verhaltenen Geräuschkulisse bei. Börsenexperte Björn Drescher sieht in der Qualifikationsprüfung dennoch eine Chance - „die schwarzen Schafe könnten auch einmal geschoren werden.“



Mirko Wenig

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