Die Branche atmet auf, doch der Verbraucherschutz ist verärgert: In der vergangenen Woche gab EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness bekannt, das ein geplantes Provisionsverbot für Versicherungsanlageprodukte vorerst vom Tisch sei. Sie selbst hatte ein solches Verbot mit Verweis auf die hohen Vertriebs- und Abschlusskosten der Produkte vorangetrieben. Und begründete ihren Rückzug nun damit, dass ein ‚vollständiges Verbot von Vergütungsanreizen zum jetzigen Zeitpunkt zu viel Unruhe stiften könnte‘. Mehrere Mitgliedsstaaten hatten massiv dagegen lobbyiert, nicht zuletzt Deutschland.

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Der Bund der Versicherten (BdV) steht der kapitalbildenden Lebensversicherung seit jeher kritisch gegenüber: 1983 bezeichnete BdV-Gründer Hans-Dieter Meyer die Lebensversicherung als „legalen Betrug“ und erkämpfte sich vor Gericht gegen die Versicherungswirtschaft das Recht, diese Meinung öffentlich äußern zu dürfen. In einem Pressestatement äußert sich der Verband nun auch zum geplatzten Provisionsverbot. Erneut lässt der Verband wenig Zweifel daran, dass er kein Freund der Lebensversicherung ist.

“Provisionen heizen Vertrieb von ungeeigneten Produkten an“

Das Scheitern des Provisionsverbots bedauert und kritisiert der Verband. „Provisionen heizen den Vertrieb von ungeeigneten Produkten wie Lebensversicherungen zu Lasten von Verbraucherinnen und Verbrauchern an und verhindern eine bedarfsgerechte Altersvorsorge“, sagt BdV-Vorstandssprecher Stephen Rehmke. Die Förderung von Lebensversicherungen, etwa durch steuerliche Vorteile, würde die Situation noch zusätzlich verschärfen.

Aus Sicht des Verbandes sind Provisionen nur ein Teil des Problems. Denn die Kosten aus Leben-Verträgen würden Verbraucherinnen und Verbraucher unabhängig davon belasten, ob und in welcher Höhe Provisionen in die Abschluss- und Vertriebskosten einkalkuliert sind. Denn der BdV hält Lebensversicherungen für die Altersvorsorge schlicht für ungeeignet - siehe oben. Aus Sicht des Verbandes sind die Renditen der Verträge zu mager und die Kosten schlicht zu hoch.

Zwar macht der Verband deutlich, dass er ein Provisionsverbot begrüßt hätte. Und zwar aus einem Grund, den die Versicherungsbranche sogar als Argument gegen ein Verbot ins Feld geführt hatte. Dies würde zu einem Rückgang des Absatzes von Altersvorsorge-Produkten führen, warnten die Versicherer - und zu einer Versorgungslücke für große Teile der Bevölkerung. Der BdV hingegen positioniert sich, dass sinkende Verkaufszahlen bei kapitalbildenden Leben-Verträgen wünschenswert seien, weil: für die Altersvorsorge schlicht ungeeignet.

Bessere Rahmenbedingungen für Honorarberatung gefordert

Aus Sicht des BdV ist es geboten, die Honorarberatung stärker zu fördern. „Hilfreich wäre aber vor allem, die unabhängige Finanzberatung durch verbindliche Gebührenmodelle zu stärken. Und es ist höchste Zeit, sich die einseitige Förderung von Lebensversicherungen zu sparen“, positioniert sich Rehmke.

Das Scheitern des Provisionsverbotes führt der Verband auf die Lobbymacht der Versicherer zurück. Der Ausgang der Debatte sei ein Lehrstück über den Einfluss der Finanzlobby. Insbesondere deutsche Branchenverbände und Politiker hätten vor „Beratungslücken“ gewarnt, die ein Provisionsverbot bewirken würde. So hatten die Versicherer argumentiert, dass sich vor allem Menschen mit geringem Einkommen, die über vergleichsweise wenig Finanzwissen verfügen, die oft teuren Honorare für eine Finanzberatung nicht leisten können und wollen. Beim Provisionsmodell werden die Kosten über die Laufzeit des Vertrages gestreckt.

Der BdV hält das Argument einer Beratungslücke für nicht stichhaltig. „Defizite in der Altersvorsorgeberatung sind schon jetzt allgegenwärtig. Denn die vermeintliche Beratung zielt hierzulande zumeist schlicht auf einen Verkauf von unflexiblen und renditeschwachen – aber eben stark provisionierten – Lebensversicherungsprodukten ab. Das kommt die Verbraucherinnen und Verbraucher teuer zu stehen“, sagt Rehmke.

Dabei geht Verband auch mit den Versicherern hart ins Gericht. „Die überwiegende Mehrzahl versicherungsgebundener Produkte ist im Ergebnis so renditeschwach, dass Kundinnen und Kunden nicht einmal die eingebrachte Kaufkraft zurückbekommen und ein viel zu geringes Zusatzeinkommen im Alter erhalten. Die im Provisionsvertrieb bevorzugten Produkte nehmen Versicherten nicht nur zu viel Butter vom Brot – oftmals fehlt sogar ein Teil des Brotes“, sagt Hartmut Walz, Verhaltensökonom an der Hochschule Ludwigshafen und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des BdV. Der Verein setzt sich dafür ein, Vermögensbildung und Versicherungsschutz zu trennen.

Von einer stärkeren Förderung der Honorarberatung würde der BdV wahrscheinlich selbst profitieren. Auf seiner Webseite bietet der Verbraucherverband auch Beratungen zum Thema Vorsorge und Versicherungen an, die zumindest für Mitglieder über den Beitrag gedeckt sind. Zudem vertreibt die Tochtergesellschaft BdV Mitgliederservice GmbH Gruppenversicherungen.

Auch BaFin geht gegen hohe Kosten vor

Dass mit dem Aus für das Provisionsverbot auch das Thema Abschluss- und Vertriebskosten vorerst vom Tisch ist, davon darf aber nicht ausgegangen werden. Am Mittwoch hatte Frank Grund, Chef der Versicherungsaufsicht bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), angekündigt, künftig strenger gegen hohe Kosten von Lebensversicherungen vorgehen zu wollen. Den Rahmen dafür sollen neue Wohlverhaltensregeln bilden, die in einem bislang unveröffentlichten Merkblatt vorgesehen sind.

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Frank Grund sagte, dass jährliche Kosten von vier Prozent und mehr bei Leben-Policen „sehr problematisch“ seien. Für die Kunden würden sich solche Produkte nicht lohnen, da die Rendite deutlich über den Kosten liegen müsse. „Das ist mit Lebensversicherungs-Produkten unmöglich“, zitiert das Versicherungsjournal den Chefaufseher. Allein wenn die Lebensversicherer die hohen Kosten durch ein überragendes Kapitalmanagement rechtfertigen könnten, seien diese teuren Produkte rechtlich möglich, so Grund. Das sei aber in der Regel nicht der Fall: Oft würden diese Produkte bei der Kapitalanlage nur eine "ganz normale Rendite" von zwei bis drei Prozent erzielen.

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